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Ein Köder für die Bestie – Eiskalte Rache im schwülen Georgia

06 Mär

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Cape Fear

Von Dirk Ottelübbert

Psychothriller // Der Schurke kommt im Schlendergang: Lässig durchmisst Max Cady (Robert Mitchum) die Straßen einer kleinen Stadt in Georgia, im weißen Anzug, eine Zigarre zwischen den Lippen, auf dem Kopf einen Panamahut. Es ist die Lässigkeit eines Raubtiers, sein Spazierschritt scheint wie eine Verhöhnung der geschäftig trabenden Kleinstadtbürger, und bereits die unheilschwangere Musik Bernard Herrmanns, die über dieser Eingangsszene liegt, lässt uns wissen, dass dieser Mann nicht Gutes im Schilde führt.

Abschätzig sieht Cady zwei jungen Frauen nach, während er ein Gerichtsgebäude betritt. Drinnen fällt einer schwer bepackten Sekretärin ein Buch herunter, doch er macht nicht die geringsten Anstalten, ihr behilflich zu sein. In einem der Verhandlungssäle findet Cady sein Ziel – sprich, den Mann, der seine Beute werden soll: Anwalt Sam Bowden (Gregory Peck). Mit grimmigem Blick fixiert er den Juristen, der wortreich einen Fall referiert. Kurz darauf, am Straßenrand: Bowden will eben losfahren, da schnappt sich Cady die Wagenschlüssel und nötigt ihn so zur verbalen Konfrontation. Ob Bowden sich erinnere? In Baltimore, vor acht Jahren, vier Monaten und dreizehn Tagen habe man sich zuletzt gesehen. Bowden erkennt Cady nun wieder. Seine Zeugenaussage hatte den Gewalttäter damals wegen der brutalen Attacke auf eine junge Frau hinter Gitter gebracht. Als Bowden „klarstellen“ will, ob Cady ihm die Schuld für seine Haft gebe, lacht der nur höhnisch. „Sie werden noch irgendwann zur Einsicht kommen, verlassen Sie sich drauf.“ Bowden fährt los, Cady ruft ihm noch nach, er solle seine „sehr schöne Frau“ und seine „vielversprechende Tochter“ grüßen. „Wir sehen uns noch!“

Rache für acht Jahre Knast

Keine sechs Minuten dauert diese in gekonnter Knappheit erzählte Exposition. Sonnenklar, dass Max Cady Rache will, Rache für den Knast, für die Jahre der Pein. Wie sieht nun diese Rache aus? Der Bösewicht „röstet“ seine Opfer zunächst auf kleiner Flamme: Er überzieht das Leben von Sam, Ehefrau Peggy (Polly Bergen) und Tochter Nancy (Lori Martin) mit einem Netz aus Psychoterror, belauert die Familie auf der Bowlingbahn, später am Bootshafen. Er vergiftet den Hund der Familie, ohne dass es dafür Beweise gibt. Überhaupt zeigt sich Cady äußerst gerissen, er kennt seine Rechte, weiß genau, wie weit er mit seinen Andeutungen und Drohungen gehen kann, ohne sich strafbar zu machen. Als Sams Freund, Polizeichef Dutton (Martin Balsam), den Tunichtgut aus der Stadt zu schikanieren versucht, schaltet Cady erfolgreich einen Anwalt ein.

Robert Mitchum als Dämon in Menschengestalt

Es ist eine Schau, wie Robert Mitchum das Kino-Scheusal Max Cady ohne jegliche Manierismen auf die Leinwand wuchtet, einen Dämon in Menschengestalt, animalisch und arrogant, gewieft und gnadenlos. Seine physische Präsenz ist fast erdrückend, in seinen bohrenden Blicken wechseln sich Hohn, Verachtung und Hass manchmal mit jedem Wimpernschlag ab. Besser als Schurke war Mitchum nur in „Die Nacht des Jägers“ (1955). In der deutschen Synchronfassung von „Ein Köder für die Bestie“ wurde übrigens aus unerfindlichen Gründen aus dem „Max“ ein „Mac“.

Wie viel angestrengter wirkt dagegen etwa Robert De Niros Version des Max Cady in Martin Scorseses Remake „Kap der Angst“ von 1991! Scorsese legt den sadistischen Schurken zwar auch als einen großen Einsamen an und gibt der Figur eine fast tragische Note. Sein Herzensdarsteller De Niro allerdings agiert karikaturhaft verzerrt und lässt eher an einen Springteufel denken.

Paraderolle für Gregory Peck

Im „Köder“ kongenial als Cadys Opfer und Widerpart besetzt ist Gregory Peck, wie Mitchum einer der Hollywood-Heroen jener Jahre. Der gesetzestreue, liberal gesinnte, dabei vielleicht eine Spur selbstgerechte Anwalt und Familienvater Sam Bowden – eine Paraderolle. Sam setzt Frau und Tochter über Cady und dessen Rachemotive ins Bild und versucht das Unheil von ihnen fernzuhalten. In seiner wachsenden Angst überschreitet Bowden dabei die Grenzen des Legalen: Er schaltet den Privatdetektiv Sievers (Telly Savalas) ein, bietet Cady Geld, engagiert sogar eine Schlägerbande. Am Ende geht Sam zum Äußersten und stellt ihm am Cape Fear River in North Carolina, wo die Familie eine Ausflugshütte besitzt, eine Falle – mit dem Ziel, seinen Todfeind endgültig loszuwerden.

Die Bedrohung lässt den Film erbeben wie eine heimtückische elektrische Ladung“, urteilte seinerzeit Bosley Crowther von der „New York Times“. Das lässt sich bedenkenlos unterschreiben. Als Thriller drückt „Cape Fear“ (Originaltitel) stets die richtigen Knöpfe, die Darsteller sind exzellent, der Score von Alfred Hitchcocks Hauskomponist Bernard Herrmann ist aufwühlend und düster. All das überdeckt glänzend den durchaus kolportagehaften Beigeschmack der Story – letztlich ist J. Lee Thompsons Film ja nichts weiter als ein schwüler Rache-Thriller. Der Nervenkitzel bleibt davon ungetrübt.

Vom Regisseur von „Die Kanonen von Navarone“

Der britische Regisseur J. Lee Thompson (1914 – 2002) löste mit dem opulenten Kriegsabenteuer „Die Kanonen von Navarone“ (1961) sowie dem „Köder für die Bestie“ die Fahrkarte nach Hollywood. In den Folgejahren inszenierte er dort handwerklich ansehnliche Genre-Konfektion wie „Taras Bulba“ oder „Könige der Sonne“, jeweils mit Yul Brynner. Gregory Peck stand für den Routinier noch im Western „Mackenna’s Gold“ und im Kalter-Kriegs-Reißer „Der gefährlichste Mann der Welt“ (beide 1969) vor der Kamera.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von J. Lee Thompson haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgeführt, Filme mit Martin Balsam, Robert Mitchum, Gregory Peck und Telly Savalas unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 21. Oktober 2011 als 2-Blu-ray Boxset (in Kombination mit dem Remake „Kap der Angst“), 6. Mai 2010 als Doppel-DVD, 19. August 2014 als DVD-Doppelpack (ebenfalls mit dem Remake), 18. Dezember 2001 als DVD

Länge: 105 Min. (Blu-ray), 101 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch u. a.
Untertitel: Deutsch, Englisch u. a.
Originaltitel: Cape Fear
USA 1962
Regie: J. Lee Thompson
Drehbuch: James R. Webb, nach dem Roman „The Executioners“ von John D. MacDonald
Besetzung: Gregory Peck, Robert Mitchum, Polly Bergen, Lori Martin, Martin Balsam, Jack Kruschen, Telly Savalas, Barrie Chase, Edward Platt, Will Wright, Joan Stanley
Zusatzmaterial: keine Angabe
Vertrieb: Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2016 by Dirk Ottelübbert

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Packshots: © Universal Pictures Germany GmbH (Blu-ray), Columbia (DVD)

 

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