The Tournament
Actionthriller // Nun, da zartbesaitete Tierfreundinnen und -freunde dank des Spoilers in der Überschrift vorgewarnt sind, können wir uns frohen Mutes „The Tournament“ (2009) von Scott Mann widmen. Der Regisseur dreht nicht viel, hat mit „Die Entführung von Bus 657“ (2015) mit Robert De Niro und Jeffrey Dean Morgan einen überzeugenden Heist-Movie abgeliefert und zuletzt nicht nur Menschen mit Höhenangst schweißnasse Hände verpasst: „Fall – Fear Reaches New Heights“ (2022) zeigt lediglich zwei Frauen auf einem mehr als 600 Meter hohen Turm, beschert seinem Publikum damit aber ein äußerst intensives filmisches Erlebnis.
Zu „The Tournament“: Wer braucht wohl den plakativen deutschen Titelzusatz „Battle Royale unter Killern“? Fans vor Gewalt strotzender Actionfilme sicher nicht, denen dürfte das dystopische japanische Actiondrama „Battle Royale“ (2000) bekannt sein, und sie können mit einem Film wie „The Tournament“ umgehen, auch ohne direkt auf den Bezug hingewiesen zu werden, weshalb ich fortan mit dem reinen Originaltitel vorliebnehmen werde. Das Grundgerüst der Story ist simpel: Alle sieben Jahre findet in einer gewöhnlichen Stadt ein außergewöhnlicher Wettbewerb statt. 30 Profikillerinnen und -killer, die zur Elite ihres Berufsstandes gehören, treten gegeneinander an. Der oder die Überlebende erhält ein Preisgeld von zehn Millionen Dollar. Das tödliche Turnier dient der Zerstreuung gelangweilter reicher Schnösel, die hohe Wetten auf den Ausgang platzieren.
Nach Middlesbrough, des Tötens wegen
Sieben Jahre zuvor hatte in einem Schlachthof im brasilianischen (offenbar fiktiven) Shirao Joshua Harlow (Ving Rhames) den Sieg davongetragen, indem er den durchgeknallten Gene Walker (John Lynch) als letzten Kontrahenten mit einem Bolzenschussgerät um seinen Kopf erleichterte (ihr merkt schon: Es geht blutig zu). Nun wurde Middlesbrough im Nordosten Englands zum Schauplatz des „Tournaments“ auserkoren (für das Drehorte in Bulgarien herhielten). Nach und nach treffen die internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein, darunter die Chinesin Lai Lai Zhen (Kelly Hu), der Russe Yuri Petrov (Scott Adkins), der Franzose Anton Bogart (Sebastien Foucan) und der psychopathische junge Texaner Miles Slade (Ian Somerhalder), der seinen Opfern als Souvenir einen Finger abschneidet und nebenbei auch mal einem streunenden Hund eine Kugel in den Kopf verpasst. Weil er’s kann. Um die empörten Tierfreundinnen und Tierfreunde zu beruhigen: Es ist nur ein Film! Der den Streuner verkörpernde Hund hat die Dreharbeiten nach meinem Kenntnisstand überlebt.
Der Veranstalter Mr. Powers (Liam Cunningham) kündigt seinem erwartungsfrohen Publikum einen besonderen Teilnehmer als Überraschung an: Joshua Harlow! Der Sieger des vorherigen Turniers ist aus dem Ruhestand zurückgekehrt, in den er sich mit seinen zehn Millionen Dollar Preisgeld zurückgezogen hatte. Sein Motiv: Rache. Vier Monate zuvor war seine Frau ermordet worden, und Harlow wurde zugesteckt, ihr Mörder befinde sich unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des kommenden Wettbewerbs. Ein Zeitlimit verschärft diesmal die Spielregeln: Gibt es nach 24 Stunden mehr als eine/n Überlebende/n, detonieren die in ihren Körpern angebrachten Peilsender. Mögen die Spiele beginnen! Steve Tomko (Craig Conway) muss schnell feststellen, dass er Lai Lai Zhen unterschätzt hat, als er sie mit einer List in ihrem Hotelzimmer überraschen wollte. Somit gebührt ihr die Ehre des diesjährigen „First Blood“.
Robert Carlyle als versoffener Priester
So unvermittelt wie unfreiwillig findet sich der versoffene und mit seinem Glauben hadernde Geistliche Father MacAvoy (Robert Carlyle) unter den Teilnehmern wieder. Powers vergibt für ihn sogar eine Wettquote: 500:1 sind für einen Amateur und Priester vielleicht sogar ein ganz guter Wert. Wir werden sehen, wen er alles überleben wird …
Ist das zynisch? Sicher doch! Müssen wir uns daran stören? Sicher nicht! 30 Menschen mit mörderischen Fähigkeiten im Kampf gegeneinander – das verspricht ein blutiges Vergnügen, das bietet „The Tournament“ auch. Blut spritzt gewaltig, wenn Köpfe und Körper platzen, ein Arm abgeschossen wird und Killer von Kugeln durchsiebt werden (zum damit einhergehenden Freigabeproblem weiter unten mehr). Eine Freude für all jene, die knackige Action erst dann so richtig goutieren, wenn sie blutig abgehangen daherkommt. Die Splattereffekte entstammen teils dem Computer, sehen aber dennoch gar nicht schlecht aus.
Natürlich und richtigerweise konzentriert sich das Geschehen auf einige wenige der 30 ums große Geld Wetteifernden. Die Hauptfiguren werden nicht gerade tiefgründig charakterisiert, aber bei einem Plot wie dem von „The Tournament“ kommt es darauf auch nicht an. Wichtiger ist die Abwechslung, die sie bieten, und die überzeugt: So ist Anton Bogart ein durchtrainierter Parcours-Athlet, der über Dächer springt und sich von kaum einem Hindernis aufhalten lässt. Yuri Petrov wiederum setzt allerlei unterschiedliche Schusswaffen und gern auch Handgranaten ein, ebenso seinen Körper. Dabei kommen ihm die Martial-Arts-Fähigkeiten seines Darstellers Scott Adkins („Avengement – Blutiger Freigang“) zugute. Von Adkins hätte ich gern mehr gesehen als „The Tournament“ bietet, aber das liegt eher daran, dass ich ihn mag. Fürs Geschehen des Films geht die Dauer seines Einsatzes schon in Ordnung. Wichtiger sind ohnehin Kelly Hu („Strange Days“) als Lai Lai Zhen und Robert Carlyle („The 51st State“) als gestrauchelter Geistlicher – die zwei bilden eine Zweckgemeinschaft, die speziell für Father MacAvoy auf eine Art Heldenreise führt, während Lai Lai Zhen eher nach Läuterung sucht.
Das Land der Überwachungskameras
Da in England Videoüberwachung (Closed-Circuit Television – CCTV) besonders im urbanen Raum weit verbreitet ist, lag es nahe, ein „Tournament“ dieser Art in einer englischen Stadt zu veranstalten, damit die Techniker im Hintergrund all die Kameras anzapfen können, um das zahlungskräftige Publikum jederzeit mit blutigen Bildern zu versorgen. Und seien es Aufnahmen aus einem Stripclub, in welchem sich rein zufällig neun der Killer gleichzeitig aufhalten. Ob das Überwachungsszenario inklusive der Peilsender den Gesetzen der Logik gehorcht, könnte man etwas genauer untersuchen, aber die Frage ist sekundär. An dem einen oder anderen Logikloch mag sich stören, wer will – ich tu es nicht.
Zahlreiche Killer auf einem Haufen, die einander über eben diesen Haufen schießen, das ist ein Motiv, das zuletzt die vierteilige „John Wick“-Reihe (2014–2023) auf die Spitze und vielleicht zur Perfektion getrieben hat. Sie ist jedenfalls stylischer als „The Tournament“, der dafür räudiger daherkommt. Jüngst konnten wir in „King of Killers“ (2023) mit Frank Grillo ebenfalls einen Wettkampf gedungener Mörder betrachten, der kann „The Tournament“ aber bei Weitem nicht das Wasser reichen.
Ving Rhames
Kommen wir zu Ving Rhames, der als aus Rachegelüsten aus dem Ruhestand zurückgekehrter Titelverteidiger eine gewohnt coole Figur macht, auch wenn er diesmal voll Trauer und mit großer Wut im Bauch reichlich Gefühl zeigt. Afroamerikaner Irving Rameses Rhames wird am 12. Mai 1959 im New Yorker Schwarzenviertel Harlem geboren, dort wächst er auch auf. Als Teenager und junger Mann besucht er diverse New Yorker Schauspielschulen, die renommierte Juilliard schließt er 1983 mit einem Bachelor of Fine Arts ab. In der Folge nimmt er Engagements sowohl am Broadway als auch fürs US-Fernsehen wahr, ist 1985 und 1987 etwa in zwei Episoden von „Miami Vice“ und 1987 in einer Folge von „Nam – Dienst in Vietnam“ zu sehen. Eine erste kleine Spielfilmrolle nimmt er in „Go Tell It on the Mountain“ (1985) an, wo er im ersten Abschnitt des Familiendramas als junge Verkörperung der Hauptfigur zu sehen ist. Bald folgen Rollen in Arbeiten renommierter Regisseure, beispielsweise 1988 in Paul Schraders „Patty“. Ein Jahr später spielt Rhames in Brian De Palmas „Die Verdammten des Krieges“ (1989) einen Offizier im Vietnamkrieg. Interessante Rollen in bemerkenswerten Filmen folgen nun Schlag auf Schlag. Der schwarzhumorige Horrorfilm „Das Haus der Vergessenen“ (1991) von Wes Craven zeigt ihn als Zuhälter, der sich für einen Einbruch das falsche Gebäude aussucht, im Bürgerrechtsdrama „Der lange Weg“ (1990) spielt er an der Seite von Sissy Spacek und Whoopi Goldberg. Unter Regisseur John Milius hat er 1991 eine Nebenrolle im Kriegs-Actioner „Flug durch die Hölle mit Danny Glover, Willem Dafoe, Rosanna Arquette und Tom Sizemore. Als wortkarger, grimmig dreinschauender, aber loyaler Präsidentenleibwächter ist er 1993 in Ivan Reitmans Komödie „Dave“ mit Kevin Kline und Sigourney Weaver zu sehen. Solchermaßen charakterisierte Figuren liegen ihm – gern etwas grummelig wirkend, aber im Innern gutmütig und mit dem Herzen auf dem rechten Fleck.
Anders allerdings in Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“ (1994), der Ving Rhames den Part des Gangsterbosses Marsellus Wallace einbringt. Der schickt Auftragskiller los, manipuliert mit Bestechungsgeld Boxkämpfe und hat generell einen ganz miesen Ruf. Doch in der Episode „Die goldene Uhr“ gerät er als Gefangener in einen Folterkeller, wird vergewaltigt und nur vom Boxer Butch Coolidge (Bruce Willis) gerettet, mit dem er eigentlich Beef hat. Eine vergleichsweise kleine Rolle in einem Ensemblefilm, aber ikonisch.
Golden Globe an Jack Lemmon weitergereicht
Rhames ist nun fest etabliert, erst recht ab 1996 dank seines Mitwirkens als Tom Cruises Sidekick Luther in Brian De Palmas „Mission: Impossible“. Er und Cruise sind die einzigen Darsteller, die bis heute in jedem Film der Reihe auftauchen. Für seine Verkörperung des berühmten Box-Promoters in der TV-Miniserie „Don King – Das gibt’s nur in Amerika“ (1997) gewinnt er 1998 den Golden Globe. Bemerkenswert: Bei der Verleihung bittet er den für „Die 12 Geschworenen“ ebenfalls nominierten Jack Lemmon auf die Bühne und gibt die Trophäe an ihn weiter. Eine schöne Geste der Ehrerbietung, auch wenn der damals bereits vielfach und auch mehrfach mit dem Globe ausgezeichnete Lemmon sie sicher nicht nötig hatte.
Rhames dreht mit weiteren namhaften Regisseuren wie Steven Soderbergh („Out of Sight“, 1998), Martin Scorsese („Bringing out the Dead – Nächte der Erinnerung“, 1999), John Woo („Mission: Impossible II“, 2000), Walter Hill („Undisputed – Sieg ohne Ruhm“, 2002), Zack Snyder („Dawn of the Dead“, 2004). Selbst für Niederungen des B- und C-Sektors ist er sich nicht zu schade,auch wenn das zur Folge hat, dass in seiner Filmografie ein paar Stinker wie „Zombie Apocalypse“ (2011) und der Steven-Seagal-Abgesang „Force of Execution“ (2013) landen. Am 12. Mai 2024 feiert Ving Rhames seinen 65. Geburtstag.
Selbst die erste SPIO-Fassung gekürzt
Zum Thema Freigabe von „The Tournament“: Von Anfang an war klar, dass der beinharte Actionthriller Probleme mit Jugendschutz und Erwachsenenbevormundung bekommen würde, und so kam es dann auch: Eine vermeintlich ungeschnittene Verleihversion des Actionthrillers bekam 2009 das SPIO/JK-Siegel und den Vermerk „keine schwere Jugendgefährdung“ verpasst, erwies sich sogar noch als geschnitten und wurde ein Jahr später indiziert. 2010 veröffentlichte Rechteinhaber Ascot Elite Home Entertainment das Werk in einer noch stärker verstümmelten FSK-18-Version (drei Vergleiche einiger Schnittfassungen sind bei „Schnittberichte“ zu finden). Immerhin folgten ein paar Jahre später ungeschnittene Fassungen, darunter ein Steelbook und ein Mediabook. 2017 veröffentlichte Ascot Elite Home Entertainment „The Tournament“ auf Blu-ray und DVD in der Reihe „Cinema Extreme“, und das völlig ungeschnitten mit SPIO/JK-Siegel samt Vermerk „strafrechtlich unbedenklich“. Logisch, dass alsbald die Indizierung folgte. Sie besteht bis heute fort, ändert aber nichts daran, dass „The Tournament – Battle Royale unter Killern“ dem geneigten Actionfan in der ungeschnittenen Fassung große Freude bereitet. Dieser Clash of the Killers hat es in sich.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Scott Mann haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Kelly Hu unter Schauspielerinnen, Filme mit Robert Carlyle, Craig Conway, Liam Cunningham und Ving Rhames in der Rubrik Schauspieler.
Veröffentlichung: 17. März 2017 als Blu-ray im Mediabook (auf 555 Exemplare limitiert), 16. Februar 2017 als Blu-ray in großer Hartbox (auf 111 Exemplare limitiert), 8. August 2016 als Blu-ray im Steelbook (auf 1.000 Exemplare limitiert), 23. Juli 2013 als Blu-ray und DVD (Cinema Extreme), 7. Januar 2010 als Blu-ray und DVD, 3. Dezember 2009 als Blu-ray und DVD
Länge: 96 Min. (Cinema-Extreme-Blu-ray), 91 Min. (Cinema-Extreme-DVD), 95 Min. (2009er-Blu-ray), 90 Min. (2009er-DVD), 92 Min. (FSK-18-Blu-ray), 88 Min. (FSK-18-DVD)
Altersfreigabe: FSK 18, Cinema-Extreme-Version: SPIO/JK – strafrechtlich unbedenklich, 2009er-DVD: SPIO/JK – keine schwere Jugendgefährdung
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch (abhängig von der Edition auch Englisch)
Originaltitel: The Tournament
GB/USA/BAHR 2009
Regie: Scott Mann
Drehbuch: Gary Young, Jonathan Frank, Nick Rowntree
Besetzung: Robert Carlyle, Kelly Hu, Ian Somerhalder, Liam Cunningham, Ving Rhames, Scott Adkins, Sebastian Foucan, Craig Conway, John Lynch, Nick Rowntree, Rachel Grant, Bashar Rahal, Andy Nyman, Iddo Goldberg, Camilla Power, Tamika Cameran, Bill Fellows, J. J. Perry, Mark Stobbart, Tom Wu
Zusatzmaterial (variiert je nach Edition): Interviews mit Robert Carlyle (4:15 Min), Kelly Hu (1:59 Min.), Liam Cunningham (1:56 Min.) und Scott Mann (3:28 Min.), Beim Dreh (9:19 Min.), Gag Reel (3:41 Min.), Bildergalerie (4:52 Min., 79 Bilder), Originaltrailer, Trailershow, 16-seitiges Booklet mit einem Text von Nando Rohner, Wendecover, Vertikalschuber
Label/Vertrieb: Ascot Elite Home Entertainment (Steelbook & Mediabook auch: Nameless Media)
Copyright 2024 by Volker Schönenberger
Szenenfotos, Steelbook- & gruppierter Packshot: © Ascot Elite Home Entertainment