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Um Kopf und Kragen – Der Alltagsheld und die „Hateful Three“

25 Okt

The Tall T

Von Dirk Ottelübbert

Western // Zwei ritten zusammen: Regisseur Budd Boetticher und sein Star Randolph Scott drehten zwischen 1956 und 1960 sieben Western – Höhepunkte und Essenz ihrer beider Karrieren, ähnlich wie bei John Ford und John Wayne, Anthony Mann und James Stewart. Kränze wand Hollywood diesen beiden nicht. Keiner von Boettichers Filmen arbeitet mit grandiosen Landschaftstableaus, überlebensgroßen Helden oder mythischen Überhöhungen, es sind kurze, konzentrierte und gradlinige Psychodramen.

Brennan (l.) macht sich auf den Weg in die Stadt

Nach „Der Siebente ist dran“ (1956) markiert „Um Kopf und Kragen“ die zweite – und mindestens zweitbeste – Zusammenarbeit des Gespanns. Der Einstieg zitiert gleichermaßen „Mein großer Freund Shane“ und „Man nennt mich Hondo“ (beide 1953): Aus der Weite heraus reitet ein Fremder zu einem einsamen Gebäude. Anders als Alan Ladd oder John Wayne schleppt Randolph Scott als Pat Brennan keine dubiose Vergangenheit mit sich herum. Der Neu-Farmer, ein hoch aufgeschossener Schlaks mit väterlich breitem Lächeln, plant den Kauf eines Zuchtbullen, tränkt nun sein Pferd bei der Poststation, plauscht mit dem Betreiber und dessen kleinem Sohn.

Statt mit Zuchtbulle nun sogar ohne Pferd

Der Bullenkauf bei seinem ehemaligen Boss Tenvoorde (Robert Burton) geht schief: Der Rancher, immer noch knurrig wegen Brennans Weggang, bietet ihm an, das Tier kostenlos mitzunehmen – wenn er es zureitet. Der wackere Brennan verliert die Wette, somit den Bullen und auch sein Pferd. Zu Fuß unterwegs, den Sattel geschultert, findet er wilkommene Mitfahrgelegenheit beim alten Kutscher Rintoon (Arthur Hunnicutt), der ein Ehepaar in die Flitterwochen bringt: Die etwas verblühte Doretta (Maureen O’Sullivan), Tochter eines Minenbesitzers, hat in der Stadt den großtuerischen Willard Mims (John Hubbard) geheiratet. Die Kutsche erreicht die – seltsam verwaist wirkende – Poststation.

Plötzlich dringen Stimmen aus dem Holzgebäude, befehlen, die Waffen abzulegen und auszusteigen – Auftritt des Banditenführers Usher (Richard Boone) und seiner Spießgesellen Billy Jack (Skip Homeier) und Chink (Henry Silva). Auf Raub aus, verwechselten sie das Gefährt mit der regulären Postkutsche. Chink erschießt Rintoon, als der zur Waffe greift. Wo der Stationsbetreiber sei, fragt Brennan. „Der liegt hinter dem Brunnen“. Sein Sohn? „Der liegt daneben“, so die ungerührte Antwort. Um die eigene Haut zu retten, ermuntert der rückgratlose Mims die offenbar völllig skrupellosen Tunichtgute, von Dorettas Vater ein Lösegeld zu erpessen, er selbst will den Deal klarmachen. Usher, geldgierig, aber auch sichtlich angewidert von Mims’ Feigheit, schickt ihn unter Billy Jacks Bewachung auf den Weg, bringt Brennan und Doretta zu seinem Unterschlupf in einer Bergschlucht.

Mims (r.) beschwert sich über den neuen Fahrgast

Mims und Billy Jack kehren zurück, der Deal ist in die Wege geleitet. Mims’ Leben rettet das nicht. Wie viel Zeit bleibt den beiden anderen Gefangenen noch? Nachdem Usher allein losgaloppiert, das Lösegeld einzusacken, und die anderen zum Ausharren verdonnert, versucht Brennan mithilfe Dorettas, Misstrauen unter den beiden Jungbanditen zu säen …

Ökonomische Kamera, schlankes Skript

Was im Nacherzählen weitschweifig klingen mag, erweist sich als schlanker, pointierter Plot, eher wie eine Serienepisode denn ein Kinowestern. Keine Einstellung von Kameramann Charles Lawton Jr. („Auf eigene Faust“, 1959) überflüssig, kein Wort zu viel in Burt Kennedys Drehbuch. Letztgenannter, wie Lawton ein Boetticher-Buddy, tüftelte bereits für „Der Siebente ist dran“ ein intelligentes Skript aus.

Erstaunlich, welchen Thrill er und der Regisseur aus der Story herausholen, wie sie den Zuschauern das Gefühl verschaffen, in nicht einmal 80 Minuten einen dichten, reichen, wenn auch alles andere als behaglichen Film gesehen zu haben. Und was für ein Wechsel im Erzählton! Die Kutschenfahrt endet in grausamer Geiselnahme, eine verschmitzte Komödie mündet in einen Albtraum. Von den zehn relevanten Filmfiguren werden sieben am Ende tot sein. Ob Kino-Tausendsassa Quentin Tarantino („The Hateful Eight“, 2015) gelegentlich von derartiger, wahrer B-Movie-Ökonomie träumt?

Nach einer Kurzgeschichte von Elmore Leonard

Wer hier von Burt Kennedy schwärmt, darf von Elmore Leonard (1925–2013) nicht schweigen. Ohne dessen coole, toughe Romane und Storys wäre das Hollwood-Kino deutlich ärmer – es gäbe weder „Schnappt Shorty“ (1995) noch „Out of Sight“ oder Tarantinos „Jackie Brown“ (beide 1998). „Um Kopf und Kragen“ basiert auf „The Captives“, einer seiner Kurzgeschichten.

Zu allem entschlossener Bandenchef: Usher

Wie detailliert Leonards Story ihre Figuren charakterisiert, entzieht sich meiner Kenntnis. Der Film jedenfalls vollführt das großartig, gewinnt vermeintlich eindimensionalen Typen wie Richard Boones Oberschuft Usher ungeahnte Facetten ab. Fast zärtlich die Szene, in der er einen Teller mit Essen neben die schlafende Doretta stellt und sie zudeckt. Zudem gesteht er Brennan, wie dieser träume er vom Farmerleben. Im gleichen Zuge lästert Usher über seine Handlanger: Immer schwafelten sie nur über Frauen oder die eigenen Schurkereien, aber sie könnten eben nicht aus ihrer Haut und seien nun mal seine Familie. „In den meisten Randolph-Scott-Filmen von Boetticher ist der Hauptschurke eine dem Helden verwandte Seele, wie dieser ein tragischer Einzelgänger, den Boetticher dem Verständnis des Zuschauers empfiehlt“ (zitiert nach: „Das Western-Lexikon“ von Joe Hembus).

Henry Silva vs. Randolph Scott

Auch die jungen Outlaws, gefangen in der eigenen Bösartigkeit, prägen sich ein – dank dem präzisen Spiel Skip Homeiers und vor allem Henry Silvas. Der Vielfilmer („Die Rache des Johnny Cool“, 1963) feierte übrigens in diesem Jahr 90. Geburtstag. Gegen dieses Trio wirkt Randolph Scotts Darstellung durchaus limitiert, was die psychologische Spannung aber eher noch befeuert. Mit „The Tall T“ (Originaltitel) fügt Koch Media seiner „Edition Western Legenden“ eine weitere Perle hinzu – eine unbedingt lohnende Entdeckung in erstklassiger Bild- und Tonqualität.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Budd Boetticher haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Arthur Hunnicutt, Randolph Scott und Henry Silva unter Schauspieler. Die „Edition Western Legenden“ haben wir in der Rubrik Filmreihen aufgeführt. Welche Budd-Boetticher-Filme sind unverzichtbar?

Äußerlich ruhig, plant Brennan die Flucht

Veröffentlichung: 25. Oktober 2018 als Blu-ray und DVD

Länge: 77 Min. (Blu-ray), 74 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: The Tall T
USA 1957
Regie: Budd Boetticher
Drehbuch: Burt Kennedy, nach einer Vorlage von Elmore Leonard
Besetzung: Randolph Scott, Richard Boone, Maureen O’Sullivan, Arthur Hunnicutt, Skip Homeier, Henry Silva, John Hubbard, Robert Burton
Zusatzmaterial: Martin Scorsese über „Um Kopf und Kragen“, Kommentar von Elmore Leonard, Bildergalerie, Trailer, Booklet
Vertrieb: Koch Films

Copyright 2018 by Dirk Ottelübbert
Szenenfotos & Packshot: © 2018 Koch Films

 
 

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15 Antworten zu “Um Kopf und Kragen – Der Alltagsheld und die „Hateful Three“

  1. Timo Kapprell

    2018/12/16 at 17:16

    Comanche Station und der Siebente ist dran.

     
  2. Martin

    2018/12/10 at 20:57

    Comanche Station auf jeden Fall!

     
  3. Edgar Müller

    2018/12/09 at 10:58

    Habe wissentlich noch keinen Boetticher Film gesehen

     
  4. Dominik Starck

    2018/12/09 at 08:20

    Bei Budd Boetticher kommt mir immer zuerst der erste Film in den Sinn, den ich von ihm gesehen habe und den ich heute noch klasse finde. Vor allem das Intro ist exzellent auf den Punkt gebracht. Gemeint ist DER SIEBENTE IST DRAN („Seven Men from Now“).

     
  5. Andreas H.

    2018/12/08 at 16:11

    „Seven Men from Now“ würde ich favorisieren. „City Beneath the Sea“ würde ich gerne mal sehen.

     
  6. Katharina

    2018/12/08 at 15:59

    Seven Men From Now!

     
  7. Lacy_Leech

    2018/12/07 at 18:17

    A Time For Dying

     
  8. Markus Tump

    2018/12/07 at 10:36

    „Comanche station“ natürlich!

     
    • V. Beautifulmountain

      2019/01/06 at 12:24

      Da du leider meine beiden Benachrichtigungen nicht beantwortet hast, verfällt dein Gewinn.

       
  9. Dirk Busch

    2018/12/07 at 09:42

    Da ich den Namen Budd Boetticher grad das erste mal gelesen hab,kann ich auch nicht auf die Frage antworten,welcher Film von ihm unverzichtbar ist. 🙂

     
  10. Michael Behr

    2018/12/07 at 09:03

    Ich mochte „Die Stadt unter dem Meer“, weil ich generell ein Faible für diese Art Film habe.

     
  11. Michael Werner

    2018/12/07 at 07:24

    Seminola. Wobei das aber auch der einzige Boetticher Film ist, den ich bisher wissentlich gesehen habe 😉

     
    • V. Beautifulmountain

      2019/01/06 at 12:25

      Moin, du bist als Ersatzgewinner ausgelost worden, weil sich einer der drei zuvor ausgelosten Gewinner nicht gemeldet hat.

       
  12. Robert Schade

    2018/12/07 at 07:10

    Übernehme gern das Porto…. Der siebente ist dran… Ist zb. Ein toller Film von B. B.

     
  13. Frank Warnking

    2018/12/07 at 06:39

    Auf eigene Faust 🙂

     

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