RSS

Mein großer Freund Shane – Mein größerer Freund Clint

15 Dez

Shane

Von Tonio Klein

Western // Die Geschichte ist eigentlich ganz einfach: Ein Fremder namens Shane (Alan Ladd) kommt in ein Tal, in dem kleine Kuhbauern von Großgrundbesitzern drangsaliert werden, hilft den Unterlegenen und speziell den Eheleuten Starrett (Jean Arthur, Van Heflin), bei denen er wohnt, wird insbesondere von deren etwa zehnjährigem Sohn Joey (Brandon De Wilde) vergöttert, reitet wieder von dannen. Lässt sich daraus etwas machen? Ja. Hat George Stevens in „Mein großer Freund Shane“ was draus gemacht? Zu einem Großteil, aber trotz Klassikerstatus mit ein paar deutlichen Schwächen.

Zunächst die Stärken: Der Western ist von einer wohltuenden Ernsthaftigkeit und großenteils Authentizität sowie von bildgewaltiger und präziser optischer Gestaltung, schon zu Beginn. Der Fremde reitet von links ins Bild und füllt es plötzlich, dunkel, beinahe bedrohlich, dann aber sehen wir das weite Land, in welchem der Fremde als kleiner markanter Punkt zu erkennen ist. Er wird das Land und die Situation verändern, ist aber auch Teil des Landes, oder: des Mythos. Dieses Land, die Umgebung wird fast nie aus den Augen verloren, auch das Farmhaus der Familie ist sehr oft in der Umgebung der (filmmaterialbedingt etwas zu) blauen Berge zu sehen (die aufgrund der höchst eigenwilligen Verwendung verschiedener Kameralinsen ständig unterschiedlich hoch erscheinen).

Die Spuren der Gewalt

Diesen betont realistischen Bezügen entspricht auch eine liebevolle unglamouröse Kostümierung der Farmer, worauf die Audiokommentierung des Co-Produzenten Ivan Moffat und des Produktionsassistenten und Regisseurssohns George Stevens Jr. zu Recht hinweist. Und ihr entspricht die Darstellung von Gewalt. Sie kommt eher selten vor, aber wenn, dann tut sie weh. Eine für 1953 recht harte Prügelei hinterlässt deutliche Spuren, ein Pistolenschuss schleudert das Opfer mit Wucht zurück, statt es wie in so vielen anderen Filmen vornüber kippen zu lassen. Dies alles ist mit Sorgfalt, unbedingtem Gestaltungswillen und interessant erzählt.

Das idyllische Bild trügt

Indes, „Shane“ will auch ein Mythos sein, und da ist der Film gelegentlich von einer erschreckenden Simplizität. Obwohl immer wieder von Shanes dunkler Vergangenheit als Revolvermann geraunt wird, ist er auf eine etwas platte Weise ein Guter. Seine Wildlederjacke mit Fransen würde ihn besser für die Bad Segeberger Bühne prädestinieren statt für einen Adult Western wie diesen. Der Gunman (Jack Palance) der Bösen ist selbstverständlich in Schwarz gekleidet, hier fällt „Shane“ in „Western von gestern“-Platitüden zurück. Eine Anspielung, ob Shane es auf eine Affäre mit der (von Jean Arthur etwas zu bieder gespielten) Farmersfrau abgesehen hätte, kommentiert dieser mit einer dermaßenen Entrüstung, dass für Zwischentöne und Zweifel nicht der Hauch einer Chance besteht. Ein Filmbuchautor hatte Shane mal als Christus bezeichnet – na wenn es das wenigstens wäre, wäre die ganze Chose deutlich interessanter! Aber nein, Shane ist eher auf so eine platt amerikanische Art gut, dass er bei aller Kritik, die Regisseur Stevens an den Wirkungen von Gewalt äußert, gelegentlich eben doch mal zur Waffe greifen und tun muss, was halt getan werden muss, wie man so sagt.

Das Totschlagargument der Waffenlobby

Den starken Bildern stehen gelegentlich auch Dialogplatitüden im Weg, die genau diese simplen Charakterzeichnungen unterstreichen. Wenn Shane sagt, eine Waffe sei immer nur so schlimm wie der, der sie abfeuere, und die Frau des Farmers erwidert, die Welt wäre aber insgesamt besser ohne Waffen, haben wir alle Klischees vereint. Die Frau als Pazifistin (wie viel nuancenreicher und feministischer konnte das Elizabeth Taylor 1956 in Stevens’ „Giganten“ verkörpern), der Mann mit einer Allerweltsposition, die jedem Waffenfetischisten, -lobbyisten und NRA-Funktionär schon tausendmal als Totschlagargument gedient hat.

Shane (r.) kommt Familie Starrett zu Hilfe

Letztlich habe ich dies aber angesichts der genannten Vorteile nicht als allzu schlimm empfunden. Kleiner Tipp am Schluss, daher auch meine Titelzeile: Beim Sehen von „Shane“ kam mir wieder der gute alte Clint Eastwood in den Sinn, und der hatte 1985 einen Film hingelegt, der sich bis hin zu einzelnen Haupt- und Nebenfiguren, Grundelementen in Handlung und psychologischer Konstellation sowie markanten Einzelszenen an den Shane-Mythos anlehnt, ihn aber erweitert, hinterfragt, variiert: „Pale Rider – Der namenlose Reiter“. Gegenüber „Mein großer Freund Shane“ der deutlich bessere Film! Aber man sollte trotz der Abstriche bei „Shane“ beide sehen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von George Stevens haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Elisha Cook Jr., Van Heflin, Alan Ladd und Jack Palance unter Schauspieler.

Sein großer Freund Shane

Veröffentlichung: 7. November 2013 als Blu-ray, 1. November 2003 als DVD

Länge: 118 Min. (Blu-ray), 113 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 6
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch
Untertitel: Deutsch, Englisch u. a.
Originaltitel: Shane
USA 1953
Regie: George Stevens
Drehbuch: A. B. Guthrie Jr.
Besetzung: Alan Ladd, Jean Arthur, Van Heflin, Jack Palance, Brandon De Wilde, Ben Johnson, Elisha Cook Jr., John Dierkes, Edgar Buchanan, Emile Meyer, Douglas Spencer, Ellen Corby
Zusatzmaterial: Audiokommentar, Kinotrailer, Wendecover
Label/Vertrieb: Paramount Pictures / Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2022 by Tonio Klein

Szenenfotos & Blu-ray-Packshot: © 2013 Paramount Pictures / Universal Pictures Germany GmbH

 

Schlagwörter: , , , , , , , , , ,

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..