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Billy Wilder (VII): Zeugin der Anklage – Gerichtskino in Perfektion

03 Jan

Witness for the Prosecution

Von Simon Kyprianou

Gerichtsdrama // Der Strafverteidiger Sir Wilfried Robarts (Charles Laughton) nimmt trotz seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung einen kniffligen Fall an: Leonard Vole (Tyrone Power) wird beschuldigt eine Frau umgebracht zu haben. Zuerst scheint der Fall nach Robarts’ Eingreifen gut zu laufen, aber dann taucht plötzlich Voles Frau Christine (Marlene Dietrich) als Zeugin der Anklage auf und belastet ihn schwer.

Sir Wilfried verteidigt den des Mordes angeklagten Leonard Vole

Jeder Moment, der Humor hergibt ist ein Scherz, ein Kalauer – da gibt es versteckten Alkohol, versteckte Zigarren und dann wieder Dialogmonster, die gegeneinander aufgefahren werden, um sich greifende Hysterie. Die Dialoge selbst sprühen vor klugem Witz. Als Glücksgriff erwies sich auch die Entscheidung, der Vorlage mit Sir Wilfrieds strenger Krankenschwester Miss Plimsoll eine neue Figur hinzuzufügen – verkörpert von Charles Laughtons Ehefrau Elsa Lanchester, die als Nebendarstellerin immerhin den einzigen Golden Globe des Films einfuhr.

Billy Wilder lässt es brodeln

Die Figuren ständig am emotionalen Siedepunkt, in Wilders immer kochend heißem Film. Fugendichte Spannung, ohne dass er sie für einen Moment entweichen lassen würde, die sich immer intensiver durch den Film frisst, ohne dass der seine Leichtfüßigkeit verlieren würde. Wilders Spiel mit den Wendungen nimmt den Zuschauer zeitlos ein, so fließend und aufregend ist der Film inszeniert. Am Ende führt Wilder immer mehr das Kunststück vor, Spaß und Ernst, bis es dann irgendwann unkenntlich geworden ist, ineinander verschwimmen zu lassen, wie wenig sie einander doch ausschließen, wie nah sie immer beieinander liegen.

Krankenschwester Miss Plimsoll wacht mit Argusaugen über den Strafverteidiger

„Zeugin der Anklage“ ist klassische Hollywood-Kinokunst auf dem Höhepunkt. Wilders Regie unaufdringlich, nicht daran interessiert, auf sich aufmerksam zu machen, gerade das lässt die Filmerzählung so elegant fließen und lässt sie den Zuschauer einhüllen, bis er ihr völlig verfallen ist. Den Rest besorgen Marlene Dietrich, die einem in jeder Hinsicht den Verstand raubt, Tyrone Power und Charles Laughton.

Nach einer Vorlage von Agatha Christie

Es ist ein makelloser Film, ein Film, den man sich nicht einmal besser denken könnte. Nicht einmal Agatha Christie, von der die Theatervorlage von 1953 stammt: „Alles, was ich an Verfilmungen meiner Werke gesehen habe, fand ich ausgesprochen scheußlich, bis auf ‚Zeugin der Anklage‘ von Billy Wilder.“ Verdientermaßen gab es sechs Oscar-Nominierungen und der Film gilt heute immer wieder als einer der besten aller Zeiten. Die weiteren Umsetzungen der Geschichte – unter anderem eine TV-Fassung von 1982 mit Deborah Kerr, Diana Rigg und Ralph Richardson – können da zwangsläufig nicht mithalten, und auch Ben Affleck wird sich zweifellos die Zähne daran ausbeißen, wenn seine seit 2016 angekündigte Neuverfilmung denn je realisiert werden wird.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Billy Wilder sind in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Marlene Dietrich und Elsa Lanchester unter Schauspielerinnen, Filme mit Charles Laughton und Tyrone Power in der Rubrik Schauspieler.

Welche Rolle spielt Voles Ehefrau Christine?

Veröffentlichung: 2. November 2018 und 7. Juli 2017 als Blu-ray, 24. November 2017 als Blu-ray im Digipack, 14. Februar 2014 als DVD

Länge: 116 Min. (Blu-ray), 112 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Englisch, Französisch
Originaltitel: Witness for the Prosecution
USA 1957
Regie: Billy Wilder
Drehbuch: Billy Wilder, Harry Kurnitz, nach einer Vorlage von Agatha Christie
Besetzung: Tyrone Power, Marlene Dietrich, Charles Laughton, Elsa Lanchester, John Williams, Henry Daniell, Ian Wolfe, Francis Compton, Torin Thatcher, Norma Varden, Una O’Connor, Philip Tonge, Ruta Lee
Zusatzmaterial: keine Angabe
Label/Vertrieb: FilmConfect Home Entertainment
Label/Vertrieb 2014: MGM

Copyright 2018 by Simon Kyprianou

Szenenfotos & Packshots: © 2018 FilmConfect Home Entertainment

 
 

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2 Antworten zu “Billy Wilder (VII): Zeugin der Anklage – Gerichtskino in Perfektion

  1. SmileySmile77

    2021/07/23 at 19:37

    Das Remake von „Zeugin der Anklage“ ist uns zum Glück (bisher) erspart geblieben. Mich erschauert es bei dem Gedanken, wer Charles Laughton ersetzt hätte. Vielleicht Jack Black in einem Fat Suit? Brrrrrr…..

    Nicht erspart blieb uns dafür „Mord im Orient Express“ von Kenneth Branagh. Geld allein schießt keine Tore und ein toller Cast ergibt nicht zwangsläufig einen guten Film.

     
  2. Frank Hillemamm

    2019/01/03 at 16:42

    Einer DER Klassiker, der für immer in meiner Top 30 zu finden sein wird.

     

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