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Ju-on – The Grudge: Geisterstunde in Japan

09 Jan

Ju-on

Von Lucas Knabe

Horror // „Ju-on“ bedeutet übersetzt so viel wie Groll oder Feindseligkeit und bildet das bedeutsame Motiv des Bösen im 2002 erschienen japanischen Horrorfilm „Ju-on – The Grudge“ von Takashi Shimizu. Der Regisseur selbst brachte nur zwei Jahre später unter amerikanischer Flagge das Remake „Der Fluch – The Grudge“ auf die Leinwände und Mattscheiben der Welt. Über diverse Fortsetzungen aus Japan und Hollywood rettete sich das Franchise bis ins Jahr 2020 zum Reboot „The Grudge“.

Ein kleiner Exkurs

Bevor das Original im Fokus steht, sei mir ein kurzer Ausblick erlaubt, der die japanische Geister-Mythologie als elementares Gerüst des implementierten Horrors in jenem Film ausrollt, um einen Blick über den Film hinaus zu tätigen: Menschen, die auf schlimme und qualvolle Weise durch Krankheit oder Mord sterben, versperren sich in der japanischen Mythologie als Rachegeister, sogenannte Onryō, die zur Gruppe der Yūrei-Geister zählen, den Weg ins Jenseits. Ihre Leitmotive ähneln denen der aus der christlichen Welt entsprungenen Dämonen – ihr diabolisches und ruheloses Werk besteht darin, Menschen, die den Ort eines solchen Unglücks betreten Qualen, Leid und den Tod zukommen zu lassen – ein klassisch-okkulter Ausblick auf die folgenden Szenarien.

Mord in der Vorstadt

Die junge Sozialarbeiterin Rika (Megumi Okina) wird damit beauftragt, eine schwer an Demenz erkrankte Frau namens Sachie (Chikako Isomura) in einem vermeintlich beschaulichen japanischen Vorstadthaus zu betreuen, da die wirre bis apathische Frau weder Kinder noch andere Angehörige besitzt, die diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen könnten. Beim ersten Eintreffen begegnet Rika ein vermülltes Chaos, sodass sie sich zwischen Hausrat und Abfall einen Weg zur bereits am Boden liegenden und winselnden Greisin bahnen muss, die dort wohl schon mehrere Tage hilflos lag. Nachdem Rika die stumme Frau gesäubert hat, beginnt sie, die Wohnung aufzuräumen. Dabei hört sie aus der oberen Etage ein Miauen. Es kommt hinter einer stark mit Klebeband zugeklebten Schiebetür hervor. Dahinter befindet sich neben einer schwarzen Katze ein zusammengekauerter, leicht blutender Junge (Yuya Ozeki), der sagt, er heiße Toshio. Zügig geht sie zu Sachie, um diese darüber zu informieren, doch vergeblich. Die ohnehin schon beeinträchtigte Frau flüstert zu fortgeschrittenerer Stunde sitzend und mit leerem Blick fiebertraumartig etwas ins Leere. Die völlig überforderte Rika spürt wenige Momente später, als sie Sachie zum Hinlegen bewegen will eine düstere Präsenz im Raum, die sich mit einem sonoren und bedrohlichen Rasseln über die bereits panische Sachie legt, bis jener Onryō Rika sichtbar und mit blutunterlaufenen Augen anstarrt, sodass sie verängstigt in Ohnmacht fällt.

Wenige Wochen später erreicht die erholte Rika ein Anruf, dass die Grundschullehrerin und Freundin Mariko (Kayoko Shibata) auf der Suche nach einem kleinen Jungen namens Toshio gerade im gleichen Haus sei. Panisch stürmt Rika zum Haus, um ihre Freundin vor dem gleichen Unheil zu bewahren, das ihr wiederfuhr. Als sie das Haus betritt, verschwindet Mariko gerade spurlos im Dachboden. Welche grauenvollen Geheimnisse verbergen sich hinter den Wänden des Hauses?

Ungewöhnlicher Horror

Auch wenn der J-Horrorfilm-Klassiker „Ju-on – The Grudge“ als erster Kinofilm des Franchises den Weg zu internationaler Bekanntheit vor fast 20 Jahren einläutete und nachfolgende Sequels, Reboots etc. die Reihe ausstaffieren, machte sich nach der ersten Sichtung des Films ein eher ernüchterndes Gefühl breit. Beginnen wir mit dem Positiven: Die Stärken des Films liegen eindeutig in den bizarren und angsteinflößenden Gestaltungen schauriger Klimaxe, bei dem Grauen, Angst und Eigenwilligkeit tonal und gleichfalls visuell ihre gekonnten Siedepunkte erreichen. Jene können von Enthusiasten der westlich geprägten Filmindustrie als durchaus erfrischend und positiv-andersartig aufgenommen werden, da Shimizu sowohl auf den inflationären Einsatz von Kunstblut als auch auf Jump-Scares nahezu verzichtet. Der Gruselfaktor steigert sich in den verschiedenen Episoden langsam, aber stetig und gipfelt letztlich darin, dass Personen auf unkonventionelle Weise verschwinden oder sterben. Shimizus Methode zum Erzeugen des Horrors stellt dabei schlussendlich die Glanzlichter des Films dar; wenn sich etwa eine in Plastikfolie eingewickelte, blutüberströmte und bleiche Frau in William Friedkin-Manier auf allen Vieren eine Treppe hinunterwindet, dabei sonor stöhnt und hinter den endlos langen Haaren zwei schwarze Augen hervorstarren, kann man einen gebührenden Schauder auf dem Rücken nicht in Abrede stellen.

Der Einäugige unter den Blinden

Negativ kann man dem Film die anachrone Anordnung verschiedener Erzählabschnitte ankreiden, unter der vorrangig die globale Dramaturgie des Films leidet. Was bei Christopher Nolans Werken jedes Mal aufs Neue wie ein Geniestreich wirkt, man denke nur an „Memento“ (2000) oder „Dunkirk“ (2017), äußert sich in „Ju-on – The Grudge“ als spannungsraubender Modus. Am Ende mündet das zwar in einer Synthese, bis dahin jedoch ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass der Zuschauer den Thrill längst verloren hat, wozu das über manche Strecken hölzern wirkende Ensemble beiträgt. Trotz dieses Kritikpunktes zählt „Ju-on – The Grudge“ immerhin zu den besseren Filmen des ausgewalzten, aber kultigen Franchises, obwohl er mit einem geschätzten Budget von 3,5 Millionen Dollar (IMDb) sogar zu den günstigeren Vertretern der Filmreihe gehört. Gruseln kann der Film, erzählen hingegen nicht.

Veröffentlichung: 5. Februar 2004 als DVD

Länge: 89 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Japanisch
Untertitel: keine
Originaltitel: Ju-on
JAP 2002
Regie: Takashi Shimizu
Drehbuch: Takashi Shimizu
Besetzung: Megumi Okina, Misaki Itô, Misa Uehara, Yui Ichikawa, Kanji Tsuda, Kayoko Shibata, Yukako Kukuri, Shuri Matsuda, Yôji Tanaka, Yoshiyuki Morishita, Hideo Sakaki, Takashi Matsuyama, Yuya Ozeki, Takako Fuji, Chikara Ishikura, Chikako Isomura, Chiona Ôkuni, Miho Fujima, Daisuke Honda, Hirokazu Inoue, Mao Kobayashi, Aki Fujî, Risa Odagiri, Kaori Nakajô, Kana Kobayashi, Akira Saito, Hiroyuki Yokoo, Isao Yatsu, Haruka Yamano, Jessica Gee-George, Wendee Lee, Michelle Ruff, Michael Sorich, Kirk Thornton
Zusatzmaterial: Der besondere Filmtipp, Trailershow, Highlight im Internet
Label/Vertrieb: Highlight

Copyright 2020 by Lucas Knabe

 

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