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Zum 100. Geburtstag von Mickey Rooney: Teufelskerle – Kein Kind ist von Natur aus böse

23 Sept

Boys Town

Von Ansgar Skulme

Drama // Als Pater Flanagan (Spencer Tracy) Zeuge davon wird, wie ein Todgeweihter (Leslie Fenton) im Gefängnis wütend darüber klagt, der Staat habe ihn und andere Kriminelle als Kinder und Jugendliche im Stich gelassen, spiele sich nun aber als hohe moralische Instanz bei der Verurteilung der infolgedessen zu Verbrechern gewordenen Menschen auf, beschließt er, etwas dagegen zu unternehmen. Zunächst gelingt es dem Geistlichen, einige Kinder in Obhut zu nehmen, doch schon bald reift die Idee, ein ganzes Heim für vernachlässigte Jungen zu errichten – und warum nicht gleich ein großes, das bei Bedarf weiter vergrößert werden kann? Flanagans Freund Dave Morris (Henry Hull) kennt sich mit Finanzen aus, aber es fällt ihm schwer, dem gutmütigen Pater irgendeinen seiner Wünsche abzuschlagen oder gar jedwede Sicherheiten für geliehenes Geld von ihm anzunehmen. Auf eine besonders starke Probe gestellt wird das gesamte Unterfangen, als sich der Pater des widerspenstigen Whitey Marsh (Mickey Rooney) annimmt und ihn auf Wunsch dessen großen Bruders Joe (Edward Norris) in seine „Jungenstadt“ Boys Town holt. Joe wünscht sich sehnlich, dass sein ihm nacheifernder kleiner Bruder nicht genauso auf die schiefe Bahn gerät wie er, doch bei Whitey ist ein sehr, sehr dickes Brett zu bohren. Derweil droht der Jungenstadt aufgrund großer Finanzprobleme die Schließung und Pater Flanagan muss immer damit rechnen, mitsamt seiner Vision in der Luft zerrissen zu werden, sobald es nur einer seiner Schützlinge mit einer Negativschlagzeile in die Presse schafft.

Louis B. Mayers Name ist in „Metro-Goldwyn-Mayer”, kurz MGM, verewigt. „Teufelskerle“ hat er einmal als seinen Lieblingsfilm aus seiner gesamten MGM-Zeit hervorgehoben. Basierend auf den wahren Errungenschaften von Edward J. Flanagan ist hier ein absolut zeitloser Film entstanden, der möglicherweise nie etwas von seiner Aktualität einbüßen wird. Ein starkes Plädoyer gegen Armut und staatlich beförderte Ignoranz und für die vielen ungehörten Stimmen, die nicht von Natur aus böse sind und für ihr Schicksal wenig oder gar nichts können. Wobei die Thematik der vernachlässigten Jungen letztlich sogar nur ein Beispiel für eine Vielzahl ähnlicher Fälle ist, die in oder an der Gesellschaft zu scheitern drohen.

Mickey aus New York

Dass ich anlässlich eines 100. Geburtstages eines Schauspielers einen Film aus den 1930er-Jahren auf die Tagesordnung heben kann, wird voraussichtlich nicht mehr oft vorkommen. Mickey Rooney jedoch, der am 23. September das Jahrhundert vollgemacht hätte, ist zweifellos einer der populärsten Kinderstars, die Hollywood je gesehen hat. Selbst zum Zeitpunkt des Drehs von „Teufelskerle“ stand der 2014 verstorbene Rooney bereits über zehn Jahre vor der Kamera – der erste Film, in dem er zu sehen war, erschien 1926. Im Folgejahr begannen sich die ersten Produktionen aneinanderzureihen, die seinen Vornamen im Titel trugen. Der als letzter erschienene Film für den er noch Aufnahmen gemacht hatte, wurde posthum 2017 veröffentlicht, über 90 Jahre nach seinem Debüt. Mickey Rooney war einer der Vorreiter unter sämtlichen Hollywood-Stars in der Hinsicht, dass man ihm die Bezeichnungen Allround-Talent und Entertainer vollends abkauft. Rooney taugte zum Alleinunterhalter und legte, wenn es drauf ankam, auch mal eben eine kesse Sohle aufs Parkett, mochte der Tanzstil noch so herausfordernd sein. Seinen vielen lustigen Rollen stehen einige ziemlich starke Auftritte im Film noir, im Kriegsfilm und zum Beispiel auch dem Boxer-Drama „Killer McCoy“ (1947) gegenüber – er beherrschte ein breites darstellerisches Spektrum, das sich in einem Drama des Schlages von „Teufelskerle“ nochmals von einer anderen Seite zeigt. Rooney verstand es gekonnt, sowohl schauspielerisch absichtlich über die Stränge zu schlagen und damit spaßige Effekte zu erzielen als auch, wenn es an ernste Rollen ging, intuitiv und affektiv wirkend zu spielen. Man merkt ihm immer wieder an, dass sich sein Schauspiel aus Talent und einer Vermischung von Naturbelassenheit und daraus entwickelter Extrovertiertheit herleitet. Zu dem Zeitpunkt, wenn andere begannen, die Schauspielschule zu besuchen, hatte er schon derart lange regelmäßig vor der Kamera gestanden, dass gewissermaßen längst alle Weichen gestellt gewesen sein dürften. Mit zunehmendem Alter ordnete sich Rooney aber auch ohne Umschweife und humorvoll in kleinere Rollen ein, blieb immer für Film und Fernsehen aktiv. Dabei dürfte er auch seine Gehaltsansprüche recht flexibel gestaltet haben und offen für jede gut gemeinte Anfrage gewesen sein, was sich aus dem Gesamtbild seiner Filmografie recht eindeutig herleiten lässt. Eine wirkliche Pause legte Mickey Rooney nie ein, fast in jedem Jahr seit 1926 erschien bis zu seinem Tod und sogar noch darüber hinaus zumindest irgendeine Produktion, an der er mitgewirkt hatte, als Premiere auf der Leinwand oder den Bildschirmen. Man muss schon sehr genau hinschauen, um überhaupt eine Ausnahme von dieser Regel vorschlagen zu können.

Kein Zufall sicher, dass Mickey Rooney ausgerechnet kurz nach der Veröffentlichung von „Teufelskerle“ im Jahr 1939 mit einem Sonder-Oscar für besondere Verdienste um die Verkörperung von Jugendlichen beim Film ausgezeichnet wurde – Deanna Durbin wurde auf weiblicher Seite ebenfalls prämiert. 1983 erhielt Rooney zudem einen Ehren-Oscar für sein Lebenswerk – rund 34 Jahre, bevor sein letzter Film erschien. Zwischen beiden Auszeichnungen war er noch je zweimal als bester Haupt- und bester Nebendarsteller nominiert, ohne die Trophäe allerdings auch auf diesem Wege erobern zu können. „Teufelskerle“ gewann zwei Oscars – zum einen für die Story-Vorlage, die Dore Schary und Eleanore Griffin zum Drehbuch geliefert hatten, zum anderen für Spencer Tracys Leistung in der Hauptrolle. Bezüglich der Drehbuch-Vorlage ist jedoch zu erwähnen, dass auch an Pater Flanagan eine Summe gezahlt wurde, um die Rechte an seinen Niederschriften zur Entstehung der Jungenstadt zu erwerben. Das Drehbuch hatte demnach sozusagen zwei schriftliche Vorlagen, von denen die für das Kino aufbereitete Story also mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, die schon allein deswegen aber wiederum eindeutig vom letztendlichen Drehbuch zu trennen ist, weil dieses separat ebenfalls für den Oscar nominiert wurde. Außerdem gab es noch Nominierungen als bester Film und für den besten Regisseur. „Teufelskerle“ war nach „San Francisco“ (1936) und „Manuel“ (1937) der dritte Film im dritten Jahr in Folge, der sowohl als bester Film für den Oscar nominiert war als auch Spencer Tracy als Nominierten in der Hauptdarsteller-Kategorie vorweisen konnte – und bereits mit „Manuel“ war Tracy bei der Preisverleihung 1938 siegreich. Danach war Tracy erst in den 50ern und 60ern wieder für den Oscar nominiert – insgesamt stand er bei den Academy Awards neunmal in der finalen Auswahl bei der Preisverleihung, gewann die Trophäe nach „Teufelskerle“ aber nie wieder.

Kinder und andere junge Leute

Norman Taurog war als Regisseur von „Teufelskerle“ insofern prädestiniert, als er bereits im November 1931 für „Skippy“ seinen ersten und einzigen Oscar gewonnen hatte. In diesem Film spielte mit Jackie Cooper, der Taurogs Neffe war, einer der neben Mickey Rooney sicherlich populärsten Kinderstars der damaligen Zeit die Hauptrolle. Der im Februar 1899 geborene Taurog hielt nach diesem Erfolg für über 85 Jahre den Rekord, der jüngste Gewinner der Regie-Sparte bei den Oscars gewesen zu sein – gemessen am Alter zum Zeitpunkt der Preisverleihung. Erst bei der Oscar-Gala im Februar 2017 wurde Norman Taurog von Damien Chazelle und „La La Land“ um einige Monate unterboten, der den Regie-Oscar nur 38 Tage nach seinem 32. Geburtstag gewinnen konnte.

Jackie Cooper ist in „Teufelskerle“ zwar nicht mit von der Partie und auf einen weiteren der damals berühmtesten Kinderstars, Freddie Bartholomew, der zuvor bereits an der Seite von Spencer Tracy in „Manuel“ (1937) mitgewirkt hatte, wurde nach einigen Überlegungen verzichtet, da man befürchtete, dass das Publikum Bartholomew zu sehr mit „Der kleine Lord“ (1936) assoziieren würde; aber dafür treten neben Mickey Rooney in der Jungenstadt einige andere Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene auf, die dem Namen nach zwar weniger bekannt sind, aber durchaus starke Darbietungen abliefern. Erwähnt seien hier vor allem Bobs Watson, Gene Reynolds, Sidney Miller und Frankie Thomas. Bobs Watson als kleiner Pee Wee ist denkwürdig berührend, Gene Reynolds spielt den gehbehinderten Tony Ponessa sehr glaubhaft emotional, Sidney Miller hinterlässt seine Spuren unter anderem in einer Szene für die Ewigkeit, in der er Mickey Rooney vorgaukelt, ihm die Haare zu schneiden, ohne dass dieser den Schwindel bemerkt, und Frankie Thomas gibt den demokratisch gewählten Bürgermeister der Jungenstadt. Der beim Dreh erst siebenjährige Bobs Watson wurde durch „Teufelskerle“ obendrein inspiriert, später methodistischer Priester zu werden. Er übte diese Tätigkeit bis 1997 etwa 30 Jahre lang aus – ehe er 1999 starb, kurz nachdem die Watson-Familie ihren Stern auf dem „Walk of Fame“ erhalten hatte. Erfreulich ist zudem, dass keiner der Besagten ein tragisches frühes Ende nahm, denn es gab ja doch den einen oder anderen Kinderstar im klassischen Hollywood, der letztlich auf die schiefe Bahn geraten und/oder viel zu jung gestorben ist. Gene Reynolds starb sogar erst im Jahr 2020, ebenso wie Martin Spellman, der in „Teufelskerle“ schon früh im Film das erste Mal auftritt, noch bevor Flanagan seine Jungenstadt überhaupt errichtet hat, und ihn zu der Verhandlung bei Gericht holt, die letztlich zu den ersten gemeinschaftlichen Inobhutnahmen junger Rowdys durch Pater Flanagan führt.

In zwei kleineren Parts sind aber auch Mickey Rentschler und Jimmy Butler zu sehen, denen das Schicksal leider nicht gnädig war. Rentschler starb 1969 mit nur 45 Jahren, wohl in Folge einer Herzattacke, Jimmy Butler gehört tragischerweise zu den Hollywood-Schauspielern, die dem Krieg zum Opfer gefallen sind – ein Thema, das ich erst kürzlich in meiner Rezension zu „The Seventh Victim“ (1943) in Bezug auf Erford Gage angeschnitten habe. Butler ist in „Teufelskerle“ trotz kleiner Rolle recht einfach zu erkennen, weil er Spencer Tracy in einer sehr niedlichen Szene über die Schulter des kleinen Pee Wee hinweg zuzwinkert, als Tracy dem Süßigkeiten liebenden Zwerg gerade eine kleine Lektion erteilt. Der Film ist im Grunde eine regelrechte Aneinanderreihung von Szenen mit hohem Erinnerungswert, diese darunter aber sicher eine der wirkungsvollsten, woran auch Jimmy Butlers kurzer Moment seinen Anteil hat. Butler starb im Februar 1945 auf Kriegseinsatz in Frankreich – zwei Tage vor seinem 24. Geburtstag.

Mein Film, dein Film, unser Film

Davor, dass es Spencer Tracy gelungen ist, inmitten der vielen spielfreudigen Kinder, die das notwendige Potenzial dafür mitbringen, den Erwachsenen komplett die Show zu stehlen, sogar den Oscar als bester Hauptdarsteller zu erobern, kann man durchaus den Hut ziehen. Mit Mickey Rooney hatte er anfangs seine Schwierigkeiten, weil dieser durch allerlei aufmerksamkeitserregende Aktionen versuchte, auch in Szenen mit Tracy immer wieder das Augenmerk auf sich zu lenken. Dies passt zwar zur Rolle und ist schließlich auch im fertigen Film in vielen Passagen ebenso sichtbar wie grundlegend für das Funktionieren der Geschichte, jedoch war Tracy der Ansicht, dass Rooney mit seinen Mätzchen des Öfteren den Bogen überspannte, und drohte damit, für Rooneys Rausschmiss zu sorgen. Der damals 17-jährige Rooney war zwar in seiner Altersklasse der seinerzeit vielleicht gar berühmteste aller Hollywood-Stars und hatte sicherlich trotz Minderjährigkeit den Status, sich einiges leisten zu können, aber Tracy war mit einem taufrischen Oscar für „Manuel“, der auch bei MGM produziert worden war, und weiteren Kassenerfolgen neueren Datums im Gepäck in einer dennoch denkbar günstigen Verhandlungsposition. Beide rauften sich schließlich zusammen – und es sollte auch nicht ihr letzter gemeinsamer Film bleiben.

Durch Spencer Tracys Oscar-Gewinn für „Teufelskerle“ wurde Pater Flanagan der erste Mensch, dessen Verkörperung in einem Film durch einen Schauspieler zu Lebzeiten der porträtierten Person mit einem Academy Award für den Darsteller ausgezeichnet worden ist. Tracy kannte Flanagan auch bereits im Vorfeld des Films persönlich und hatte Bedenken, ob er die Rolle annehmen könne, da er sich nicht sicher war, ob irgendjemand Flanagan in der Gesamtheit seiner warmherzigen, menschenfreundlichen Person, dabei die den Pater umtreibende Inspiration auch im Film versprühend, würde spielen können. Es heißt, dass ein übereifriger Mitarbeiter aus der Öffentlichkeitsarbeit von MGM schon kurz nach Spencer Tracys Dankesworten verkündet haben soll, dass der soeben erhaltene Oscar der Jungenstadt und Pater Flanagan gestiftet werde, ohne sich zuvor mit Tracy abzusprechen. Da Tracy seine Statuette aber doch ganz gern behalten wollte, wurde letztlich noch ein Duplikat erzeugt und Pater Flanagan erhielt einen der beiden Goldjungs, mit einer Widmung von Spencer Tracy.

Nicht unerwähnt möchte ich außerdem die hervorragende Darbietung von Henry Hull lassen, der in diesem Film auf dem Papier zwar völlig im Schatten des Oscar-Gewinners Tracy und aller Kinder steht, als Flanagans herzensguter Mitstreiter Dave Morris aber ebenfalls völlig in seiner Rolle aufgeht. Er wirkt in dem Film ganz anders als in weiteren Rollen, die ich von ihm kenne, was unschwer auf eine gelungene schauspielerische Wandlung schließen lässt. Das soll nicht heißen, dass Hull in sonstigen Filmen kaum wandlungsfähig oder immer ähnlich wirkt – im Gegenteil sogar –, aber es kann heißen, dass er hier eine ganz besondere, aus meiner Sicht für ihn besonders ungewöhnliche Ausstrahlung hat. Vielleicht mag dieser Eindruck, wie vieles in der Filmwissenschaft und beim Verfassen von Texten über Filme, auch nur eine Momentaufnahme sein, die Produkt meines jetzigen Kenntnisstandes und meiner jetzigen Sicht der Dinge ist – und in der Zukunft werde ich, was den vorliegenden Fall betrifft, eventuell schlichtweg noch mehr Filme mit Henry Hull sehen, die ich bisher nicht kenne und dann unter Umständen zu anderen Schlussfolgerungen gelangen. Das kommt gelegentlich schon mal vor.

Bitte mehr hiervon und mehr davon!

An den Kinokassen war „Teufelskerle“ ausgesprochen erfolgreich. Dies löste allerdings ein Paradox aus, da die Jungenstadt berechtigterweise auf steigende Aufmerksamkeit durch den Film und somit wachsende finanzielle Unterstützung hoffte, stattdessen aber sogar Spender kürzertraten, weil etliche davon ausgingen, dass Pater Flanagans Projekt im Zuge des Erfolgs des Films nun sowieso quasi von allein laufen werde. Nachhaltig geschadet hat auch das dem heute offiziell als Dorf geltenden Boys Town – als Vorort von Omaha in Nebraska gelegen – aber nicht.

MGM produzierte noch eine Fortsetzung unter dem Titel „Men of Boys Town“ (1941), die in Deutschland „Das sind Kerle“ genannt wurde, wobei einige Darsteller – sowohl auf Seiten der Erwachsenen als auch auf Seiten der Jungs – ihre Rollen wiederholten, während Norman Taurog erneut Regie führte. Spencer Tracy mochte das Ergebnis aber – trotz seiner Mitwirkung – nicht und erachtete die Handlung als zu unglaubwürdig. Das Einspielergebnis war allerdings auch diesmal ausgesprochen gut.

Sowohl „Teufelskerle“ als auch die Fortsetzung sind glücklicherweise bereits wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg deutsch synchronisiert worden und im Kino gelaufen. Meines Wissens sind die klassischen Nachkriegssynchronfassungen zu beiden Filmen erhalten, wenngleich mir die Synchronfassung zur Fortsetzung, soweit ich meine Sammlung derzeit überblicke, nicht vorliegt. Klar ist aber, dass auch „Das sind Kerle“ noch nach dem Jahr 2000 im deutschen Fernsehen gezeigt worden ist, und meinen Recherchen zufolge gibt es nur diese eine Synchronfassung des Films. Demgegenüber stehen leider viele gute Hollywood-Filme aus den 30er-Jahren und der ersten Hälfte der 40er-Jahre, die entweder gar nicht oder erst deutlich später deutsch synchronisiert worden sind (was zwangsläufig zu Schwierigkeiten hinsichtlich einer atmosphärisch-klanglich überzeugenden Gestaltung führt); und dann sind da noch die Filme, deren Nachkriegssynchronfassungen mittlerweile als verschollen gelten und die daraufhin nochmals synchronisiert worden sind oder auch nicht.

Schade, dass man auf eine DVD-Veröffentlichung von „Teufelskerle“ – trotz bester Voraussetzungen, auch was die Qualität und Wirkungskraft der deutschen Fassung anbelangt – hierzulande immer noch warten muss. Eine Blu-ray gibt es meines Wissens auch in den USA noch nicht. Zumindest bei Filmen aus den 30er-Jahren oder noch älteren sollte das Vorhandensein einer Blu-ray für echte Film-Nostalgiker und Film-Freunde, meiner Meinung nach, aber auch kein zwingendes Kriterium sein, das darüber entscheidet, ob man für eine Veröffentlichung Geld auszugeben bereit ist oder nicht.

Gemacht für alle Ewigkeit

Gelegentlich werden Filmschaffende und Filmhistoriker ja danach gefragt, welche Filme man ihrer Meinung nach denn unbedingt, auf jeden Fall einmal gesehen haben müsse. Das Erstellen solcher Listen ist ziemlich schwer und ein konstruktives Gelingen hängt manchmal stark davon ab, wie umfangreich sie denn sein dürfen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass „Teufelskerle“ auch noch am Ende meines Lebens zu meiner persönlichen „Top 10“-Liste mit dementsprechenden Empfehlungen gehören wird, für die man dann schon eine wirklich eng gefasste Auswahl vorweisen muss, denn „Top 10“ ist immer leicht gesagt, aber zehn Filme sind wirklich wenig. Wobei ich sogar ergänze, dass es nicht wirklich reicht, diesen Film nur einmal zu sehen und die Formulierung „Filme, die man einmal gesehen haben muss“ insofern irreführend ist. Ich hatte einmal einen Professor, der – soweit ich mich erinnere – zu sagen pflegte, dass man einen Film dreimal gesehen haben sollte, wenn nicht muss, bevor man überhaupt ein Wort darüber verliert oder etwas dazu schreibt. Das nehme ich mir zwar tatsächlich als Ansporn, aber gebe zu, dass ich es auch nicht immer beherzigen kann. Im Falle von „Teufelskerle“ tut man sich und denen, mit denen man das Filmerlebnis vielleicht teilen wird, allerdings, aus meiner Sicht, schlichtweg einen persönlichen Gefallen damit, den Film im Laufe der Zeit mehr als nur einmal zu schauen und herumzuzeigen – völlig abseits aller filmanalytischen, filmhistorischen oder filmtheoretischen Interessen und jenseits der etwaigen Absicht, auch einen Text darüber zu schreiben.

Ein Film mit so vielen starken Botschaften, aufrichtig wirkenden schauspielerischen Leistungen, einer mitreißenden Vielzahl an eingängigen Szenen, der zudem noch stark bebildert und, wann immer gefragt, fesselnd musikalisch unterlegt ist, der einerseits sehr sanft ist, aber dann doch wieder ungemein temporeich erscheint, weil einfach jede Szene das Gefühl hoher Wichtigkeit vermittelt, ist nur schwer zu toppen. Man wird von der emotionalen und inszenatorischen Wucht und dem spürbaren redlichen Bemühen der Macher vor und hinter der Kamera während dieses Films geradezu überrollt. Nach rund eineinhalb Stunden hat man das Gefühl, ein Biopic von etwa zweieinhalb Stunden gesehen zu haben. „Teufelskerle“ ist ein Film, den man sich jährlich oder auch mehrmals im Jahr ansehen kann und bei dem sogar viele, die sich sonst nicht so kennen, trotzdem zumindest an irgendeiner Stelle dann doch wieder Tränen in den Augen haben werden. Spätestens an Weihnachten müsste ich ihn mir eigentlich immer aus dem Regal hervorholen – denn er ist aus genau demselben Holz geschnitzt, das jeden guten klassischen Weihnachtsfilm zu einem guten Weihnachtsfilm macht. Lediglich spielt Weihnachten hier in der Handlung eben nur in einer Episode eine Rolle, dafür jedoch basiert das gute Herz dieses Films ja aber unmittelbar auf wahren Begebenheiten und konkreten, realen Personen – und gerade dann möchte man doch eigentlich, angesichts aller Widrigkeiten, die in „Teufelskerle“ durch Zusammenhalt überwunden werden und angesichts der vielen gemeinsamen Erlebnisse, an denen die Protagonisten wachsen, fragen: „Ist das Leben nicht schön?“; schön, trotz allem irgendwie? Den legendären Weihnachtsfilm desselben Titels brachte 1946 dann bekanntlich Frank Capra auf die Leinwand.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Mickey Rooney und Spencer Tracy haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Veröffentlichung (USA): 10. Mai 2011 als DVD, 8. November 2005 als DVD

Länge: 93 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: Boys Town
USA 1938
Regie: Norman Taurog
Drehbuch: Dore Schary, Eleanore Griffin, John Meehan, Jack Mintz, nach einer Vorlage von Edward J. Flanagan
Besetzung: Spencer Tracy, Mickey Rooney, Henry Hull, Bobs Watson, Frankie Thomas, Gene Reynolds, Sidney Miller, Edward Norris, Leslie Fenton, Addison Richards
Verleih: Metro-Goldwyn-Mayer

Copyright 2020 by Ansgar Skulme
Filmplakat: Fair Use

 

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