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Horror für Halloween (XXXV): Zombies unter Kannibalen – Wenn die Italo-Kreaturen ausschwärmen

18 Okt

Zombi Holocaust

Von Volker Schönenberger

Horror-Action // Des Nachts dringt ein Mann in ein Krankenhaus in New York City ein. Er betritt die Abteilung für Leichenschau und macht sich an einem Toten zu schaffen: Er sägt die Hand des Leichnams ab. Klinikleiter Professor Drydock (Walter Patriarca) entdeckt die Tat am nächsten Tag, als er den Leichnam während einer Anatomie-Stunde für Medizinstudenten autopsiert. Nicht der erste Vorfall in der Einrichtung, doch Drydock will die Ereignisse unter den Teppich kehren. Kurz darauf wird einem gerade erst eingelieferten Leichnam sogar ein Herz aus dem Leib gerissen.

Eine Hand wurde entwendet

Wenig später wird der von den Molukken stammende Pfleger Turan (Turam Quibo) dabei ertappt, wie er herzhaft in ein Herz beißt, dass er gerade dem Brustkorb eines Toten entrissen hat. Der Verhaftung entzieht er sich, indem er aus dem Fenster springt. Seine letzten Worte: „Kito! Kito hat es befohlen.“ Dr. Peter Chandler (Ian McCulloch) und George Hopper (Peter O’Neal) von der Gesundheitsbehörde befragen Drydock und dessen Assistentin, die Medizinerin und Anthropologin Lori Ridgeway (Alexandra Delli Colli). Lori zufolge weist das Wort auf einen Kult hin, der von einer sagenumwobenen Molukkeninsel stamme, die den Namen – genau! – Kito trägt.

Ab auf die Molukken!

Bald darauf brechen Chandler, Hopper und Ridgeway zu den Molukken auf. Auch Hoppers Freundin Susan Kelly (Sherry Buchanan) ist dabei. Ziel des Quartetts: eine Insel auf der der emigrierte Chirurg Dr. O’Brian (Donald O’Brian) als Arzt praktiziert. Von ihm erhoffen sie sich weitere Erkenntnisse. Er begrüßt sie dann auch zuvorkommend.

Im Molukken-Dschungel: Lori Ridgeway und Peter Chandler

Der Trip in die exotische Welt wird für den kleinen New Yorker Trupp zu einer Reise zu Kannibalen und Zombies. Da passt der deutsche Verleihtitel „Zombies unter Kannibalen“ prächtig. Diese beiden – nennen wir sie – Personengruppen des Exploitationsfilms miteinander zu kombinieren, verspricht Anhängern gepflegter oder ungepflegter Gewaltexzesse höchste Freuden. Der Film geizt dann auch nicht mit unappetitlichen Details, die Kamera hält immer wieder voll drauf. Auch auf nackte weibliche Tatsachen, so sinnlos sie auch eingefügt sind, aber das kennen wir aus dieser Art Film zur Genüge.

Auftritt des verrückten Wissenschaftlers

Im Original ebenso spektakulär „Zombi Holocaust“ betitelt, kommen die ersten Zombies wie Kai aus der Kiste zum Vorschein, während sich die Expedition gerade mehr schlecht als recht eines Überfalls der kannibalistischen Eingeborenen erwehrt. Bald darauf findet sich auch das Motiv des „Mad Scientist“. „Zombies unter Kannibalen“ enthält diverse berüchtigte Splattersequenzen, die den Streifen in der Bundesrepublik ins Visier der Jugendschützer und Zensoren brachten. So sehr ich Jugendschutz befürworte, so sehr lehne ich die Bevormundung Erwachsener doch ab (wobei künstlerische Freiheit selbstverständlich Grenzen hat), mithin auch die bundesdeutsche Praxis der Verstümmelung und Einziehung solcher Filme, selbst wenn sie die Bezeichnung Machwerk verdient haben – so wie dieser hier.

Kopfschmerzen sind heilbar

„Miss Ridgeway, wissen Sie, ob auf den Molukken noch Kannibalismus praktiziert wird?“ „Ach, der findet sich bei allen Primitiven, kann sein, dass da noch Rudimente vorhanden sind.“ Über anthropologische und ethnologische Aspekte decken wir lieber den Mantel des Schweigens. Für Belustigung sorgen kleine Details wie der beschwichtigende Hinweis, ein abgeschnittener, verwester und madenzerfressener Kopf im Bett sei kein Grund zur Beunruhigung. Noch ein Beispiel gefällig? Nachdem ein als Träger angeheuerter Helfer eines Morgens brutal niedergemetzelt aufgefunden wird, echauffiert sich Hopper darüber, dass seine Freundin Susan die Leiche fotografiert und eine Reportage über die Expedition schreiben will, obwohl er natürlich weiß, dass sie Journalistin ist.

Synchro-Dialogregie des Grauens

„Ich glaube nicht, dass das Mädchen noch lebt.“ „Können wir nicht trotzdem versuchen, ihr zu helfen?“ Die recht frei gehaltene deutsche Synchronisation strotzt vor derlei Dialogen für die Ewigkeit. Auch inszenatorisch ist das Gezeigte alles andere als auf hohem Niveau, und von Schauspielkunst wollen wir gar nicht erst anfangen (hoppla, jetzt habe ich doch davon angefangen). Aber damit lässt sich in der Exploitation gut leben.

Die weiße Göttin der Kannibalen

„Zombies unter Kannibalen“ gehört zweifellos zur harten Speerspitze der Italo-Zombiewelle, muss sich aber auch – und völlig zu Recht – den Vorwurf des Rassismus gefallen lassen. Die vierköpfige weiße Expedition hat hehre Absichten, beim indigenen Volk auf den Molukken hingegen handelt es sich um Wilde – Kannibalen noch dazu, was man bei diesen Eingeborenen den Weißen zufolge eben immer erwarten muss. Wer hier den Rassismus bestreitet, mag den Film von mir aus gern als das brutale Exploitation-Spektakel genießen, das er ist, möge sich aber bitte von ernsthaften Debatten über ihn und sein Genre fernhalten. Ihn zu beschlagnahmen, führt aber auch am Ziel vorbei.

Aus Marino Girolami wird Frank Martin

Auf dem Regiestuhl saß laut Vorspann-Credits ein gewisser Frank Martin. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich der Italiener Marino Girolami – eine gängige Praxis im Segment der Italo-Exploitation, um diese Filme im englischsprachigen Raum besser vermarkten zu können. Girolami inszenierte seine Arbeit klar erkennbar als Schnellschuss im Fahrwasser von Lucio Fulcis „Woodoo – Die Schreckensinsel der Zombies“ (1979). Wenn einige Sets sogar identisch wirken, sind sie es wohl auch. Hauptdarsteller Ian McCulloch wirkte in beiden Produktionen mit. Interessant ist auch die Personalie der Nebenfigur Dr. Drydock: Darsteller Walter Patriarca hat sich nur nebenbei ein paar Mal als Schauspieler betätigt, hauptsächlich war er als Kostümdesigner und Produktionsdesigner tätig, so etwa bei Fulcis Film. Für „Zombies unter Kannibalen“ verantwortete er das Produktionsdesign.

Wenigstens muss sich diese junge Frau um ihre Frisur keine Gedanken mehr machen

Aufgrund seines anhaltenden Aufenthalts auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und der gerichtlichen Beschlagnahmung verschiedener Veröffentlichungen der ungeschnittenen Fassung findet sich „Zombies unter Kannibalen“ im deutschen Handel lediglich in grob geschnittener Zensurfassung. Auch eine Cut-Blu-ray und DVD unter dem Titel „Zombie Death Cult“ finden sich, weshalb auch immer jemand die Umbenennung für sinnvoll hielt. Von diesen Editionen kann jedenfalls nur abgeraten werden.

Ekliger Schrott?

Ekliger Schrottfilm aus der italienischen Billigproduktion, der die Zombie-Masche buchstäblich ausschlachtet. Mit Ausnahme des Worts „Schrott“, das ich als Urteil über einen Film per se ablehne, kann man diesem Fazit aus dem Lexikon des internationalen Films kaum widersprechen. Der Kulturwissenschaftler Danny Shipka schlug in seinem 2011 veröffentlichten Buch „Perverse Titillation – The Exploitation Cinema of Italy, Spain and France, 1960–1980“ eine ähnliche Kerbe: … Zombie Holocaust shows how quickly the subgenre degenerated into stupidity. The film fuses both the cannibal genre and the zombie film into an incoherent mess … Der Film belege, wie schnell das Subgenre zu Dummheit degenerierte. Er verschmelze das Kannibalen- und das Zombiegenre zu einer zusammenhanglosen Schlamperei. Solche harten Urteile haben die Fans selbstredend nicht daran gehindert, „Zombies unter Kannibalen“ in Ehren zu halten.

Im Labor von Dr. Frankenstein?

Veröffentlichung: 4. Oktober 2013 als Blu-ray, 11. Oktober 2013 als DVD, 9. März 2012 als Blu-ray und DVD unter dem Titel „Zombie Death Cult“

Länge: 86 Min. (Blu-ray, uncut), 84 Min. (DVD, uncut), 73 Min. (Blu-ray, FSK 18), 70 Min. (DVD, FSK 18)
Altersfreigabe: FSK 18
Sprachfassungen: Deutsch
Untertitel: keine
Originaltitel: Zombi Holocaust
Alternativtitel: Doctor Butcher M.D., Zombie Death Cult
IT 1980
Regie: Marino Girolami (als Frank Martin)
Drehbuch: Romano Scandariato
Besetzung: Ian McCulloch, Alexandra Delli Colli, Sherry Buchanan, Peter O’Neal, Donald O’Brien, Dakar, Walter Patriarca, Linda Fumis
Zusatzmaterial: keins
Label/Vertrieb: Intergroove

Copyright 2020 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & FSK-18-Packshots: © Intergroove

 

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