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Die Abenteuer des Robin Hood – König der Vagabunden: Eine Symphonie des Abenteuers

05 Jul

The Adventures of Robin Hood

Von Tonio Klein

Abenteuer // Dass der 1938er-„Robin Hood“ zu den besten Abenteuerfilmen seiner Zeit gehört, ist so überraschend wie die Tatsache, dass der Papst katholisch ist. Sieht man den Film nach längerer Zeit wieder, lässt sich feststellen, warum das so ist, was an dem Werk dran ist – und auch, was nicht dran ist. Warner Bros. wurde von Filmhistoriker Leonard Maltin einmal als „Film Factory“ bezeichnet, und das war als Kompliment gemeint. Ich kann ihm hier nur beipflichten. Das ist, ähnlich ein Jahr später „Vom Winde verweht“ (1939), alles andere als ein systemsprengender Film. Aber einer, bei dem wirklich das Allerbeste des Hollywood-Unterhaltungskinos zusammenkommt und einander ergänzt und verstärkt statt behindert. Wobei mir „Die Abenteuer des Robin Hood – König der Vagabunden“, so der etwas zu lang geratene deutsche Verleihtitel, aus zwei Gründen lieber ist: Er hat nicht diese extreme Gefallsucht eines „Vom Winde verweht“ und er erstickt darum nicht so sehr an seiner eigenen Brillanz. Auch „Robin Hood“ will freilich gefallen und ist ganz bewusst als Prestigeproduktion angelegt, mit opulenten Kostümen in hoher Zahl, dem damals populären Leinwandpaar Olivia de Havilland / Errol Flynn, Big Budget und Action satt. Vor allem für Letztere holte man sich mit dem in jeder Hinsicht versierten Michael Curtiz einen zweiten Regisseur, der Arbeitsteilung mit William Keighley betrieb. Und natürlich wurden die Nebenrollen mit einem Heer zumindest damals bekannter Schauspieler (Basil Rathbone, Alan Hale, Eugene Pallette und Claude Rains) besetzt.

Höhe- und Schlusspunkt des Eskapismus

Ich habe gewisse Zweifel, ob man den Film wirklich in die Reihe von Warners „Message Movies“ für Demokratie und Menschenrechte stellen kann, wo Michael Birdwell ihn zumindest am Rande sieht. Generell hat er in seinem Buch „Das andere Hollywood der dreißiger Jahre. Die Kampagne der Warner Bros. gegen die Nazis“ recht, dass es deren viele gab. Der 1938er-„Robin Hood“ mag da ganz gut in den Kram gepasst haben, scheint mir aber in erster Linie die Legende zu einem schmissigen Unterhaltungsfilm zu machen, was ich gar nicht kritisieren will. Der Film bietet keine großen Überraschungen, sondern das, was man erwartet. Düstere Zwischentöne stehen außen vor. Es ist sogar besonders auffällig, wie oft Errol Flynn in der Titelrolle ein triumphales Lachen geradezu zelebriert, mit dem er nicht nur den Unterdrückern frech die Stirn bietet, sondern auch den Zuschauer zum Verbündeten macht. Hey, habt Spaß! Ja, haben wir. Während Tyrone Powers Zorro wenig später („Im Zeichen des Zorro“, 1940) noch eine Initiations-Backstory im ersten Akt geschenkt bekommt, muss Robin von Locksley nicht erst zu Robin Hood werden. Er hat natürlich seine Motive und kämpft wider die Unterdrückung. Aber während andere Verfilmungen vom Schwanengesang des bestrumpfhosten Helden („Robin und Marian“, 1975) oder von seinen Anfängen („Robin Hood“, 2010) künden, ist Robin Hood hier einfach nur Robin Hood.

Auch ohne Lachen: Der Held hat jede Menge Pfeile im Köcher

Eine Entwicklung macht eher seine Maid Marian (die im Juli 2020 mit stolzen 104 Jahren verstorbene Olivia de Havilland) durch, auch kostümtechnisch anfangs eleganter und „verschlossener“ als später. Wobei de Havillands „Herzchengesicht“ auch so schon eine Augenweide ist, die Darstellerin es aber faustdicker hatte als die Figur. Eine Beziehung zu Dauerpartner Flynn litt zur Zeit des Drehs etwas unter Flynns Hinhaltetaktik. Da spielte de Havilland eine Kussszene absichtlich so intensiv und ließ sie so oft wiederholen, dass eintrat, was sie später wie folgt beschrieb: „(…) he had, if I may say so, a little trouble with his tights.“ Im Film wird aber eher eine unschuldige Abenteuerpracht statt des guten Stücks zwischen den Strumpfhosen zur Blüte gebracht.

Beim Handkuss wird es nicht bleiben

Die Warner-Brüder waren auf gutem Kurs, seit der australische Import Errol Flynn 1935 mit „Unter Piratenflagge“ Furore gemacht und dem Genre des Abenteuerfilms neuen Schub gegeben hatte, zumal nach der Wirtschaftsdepressions-Durststrecke wieder große Budgets machbar waren. „Robin Hood“ ist Höhe- und vielleicht auch schon Schlusspunkt. Obwohl das Kavallerie-Abenteuer „Der Verrat des Surat Khan“ (DVD-Titel: „Der Angriff der leichten Brigade“) bereits 1936 einen Schuss Tragik versucht hatte, waren Flynn-Filme meist reine Abenteuerfilme, und „The Adventures of Robin Hood“, so der Originaltitel, ist der reinste. Hier gibt es noch keine Vermischung mit dem Kammerspiel („Günstling einer Königin“, 1939) oder zwischen Piraten- und Mantel-und-Degen-Film („Der Herr der sieben Meere“, 1940) oder mit der Tragik eines angekündigten Todes, wie im Kavalleriewestern „Sein letztes Kommando“ (1941).

Ein Film wie seine Musik

Michael Curtiz hat es sich mal wieder nicht nehmen lassen, beeindruckende Schattenspiele im finalen Schwertkampf zu inszenieren. Im Übrigen ist dies ein Film des Lichts, und er ist im besten Sinne durchkomponiert. Komponieren heißt bekanntlich zusammensetzen, und auch die größten Musikgenies können nur zusammensetzen, was die Natur der Töne ihnen bietet. Dieser Film ist nicht nur einer mit herausragend schöner, vielseitiger, prachtvoller, aber auch nuancierter und leitmotivisch durchdachter Musik, er ist auch selbst wie Musik, eine Symphonie des eskapistischen Abenteuers. Man muss sich nicht groß für Filmkomponisten interessieren, um zu bemerken, wie auffällig präsent die orchestrale Musik ist. Wenn man einmal misst, wie hoch bei einem Film der Anteil mit Musik ist (Musicals und Musikerfilme ausgenommen), erreichen oft erst spätere Jahrgänge Spitzenwerte, beispielsweise die Zusammenarbeiten von Steven Spielberg und John Williams. Vielleicht kein Zufall, dass das gerade in den nostalgischen Abenteuern der „Indiana Jones“- und „Jurassic Park“-Reihe der Fall ist. Ausnahmen früher Max-Steiner-Scores wie für „Graf Zaroff – Genie des Bösen“ (1932) seien nicht verschwiegen, aber „Robin Hood“ ist wirklich auffällig und kann auch als Tondichtung mit Dialogen genossen werden, oder nennen wir es Oper, in der gesprochen statt gesungen wird.

Nicht nur die Filmmusik trifft ins Schwarze

Verantwortlich für die Mischung aus Prächtigem und Filigranem, in dem nie alles zu einem Orchesterbrei wie in einigen schwächeren Max-Steiner- oder Miklós-Rózsa-Partituren verrührt wird, war Erich Wolfgang Korngold. Dieser war in seiner Heimat Österreich ein hochangesehener Komponist in allen Sparten der modernen Klassik, unter anderem gingen mehrere Opern auf sein Konto. Als er Mitte der 1930er-Jahre nach Hollywood ging, hatte dies zunächst nur indirekt mit dem aufkommenden Austrofaschismus zu tun (er war Jude), sondern ihn hatte die Wiener Theaterlegende Max Reinhardt eingeladen, die Musik für sein Filmprojekt „Ein Sommernachtstraum“ (1935) zu schreiben. Korngold nahm an, wurde ein gefragter Komponist für Warner Bros. und entschloss sich 1938 aus naheliegenden Gründen, mit seiner Familie dauerhaft in den USA zu bleiben. Dies zu schildern, ist aus einem Grund wichtig: Hier war nicht einer am Start, der nur vor den Nazis floh und aus ökonomischer Notwendigkeit widerstrebend „was für Hollywood“ machte, während er seine nicht filmmusikalische Kunst für größer hielt. Hier bekam einer gleich zu Beginn ein Prestige-Angebot, und er hatte seine Filmkomponistentätigkeit auch danach nie verachtet. Er gab immer sein Bestes, kannte keine Barriere zwischen „ernster“ und „Unterhaltungs“musik und veredelte seine Filme stets enorm. Auf Filmkonzerten und Plattensammlungen darf er nicht fehlen; häufig ist seine Suite für „Der Herr der sieben Meere“ (1940) zu hören. Und wer sein Titelthema von „Kings Row“ (1942) hört und nicht an „Krieg der Sterne“ (zuerst unter diesem Titel 1977) denkt, ist selbst schuld. Dies lässt sich bei YouTube leicht überprüfen. Star-Wars-Komponist John Williams hat die freundliche Übernahme zugegeben. Ein schöneres Kompliment kann man Korngold kaum machen.

Einflüsse

Die hohe Bedeutung von „The Adventures of Robin Hood“ lässt sich auch daran sehen, dass dessen Einflüsse in etlichen Werken sichtbar sind. Natürlich ist die Legende schon allgemein ungeheuer populär und war 1938 nicht das Jahr der Erstverfilmung. Auch emanzipieren sich ein paar spätere Verfilmungen bewusst vom Errol-Flynn-Klassiker. Tun sie dies nicht, wie die brauchbare, aber kaum etwas Neues erzählende Kevin-Costner-Version („Robin Hood – König der Diebe“, 1991), kommen sie um den Film von 1938 kaum herum – sei es, weil sie ihn erkennbar zum Vorbild haben oder weil sie sich mit ihm messen müssen und dann oft nicht so gut aussehen. Errol Flynn war damals eben der Archetyp des Swashbucklers (wörtlich „Säbelrasslers“), das freche Grinsen und den Schlag bei Frauen à la Clark Gable eingeschlossen. Warner Bros. selbst, in der Cartoon-Abteilung nie um Anspielungen auf Werke und Stars aus der Realfilm-Abteilung verlegen, verwies mehrere Male auf den grünen Bogenschützen, unter anderem in einer Parodie mit Daffy Duck („Robin Hood Daffy“, 1958), dem natürlich im Gegensatz zu Errol Flynn alles misslingt. Schade, dass auf der neuen DVD-Veröffentlichung nicht dieser, sondern ein Cartoon zu sehen ist, der mit dem Hauptfilm lediglich das Entstehungsjahr statt der Thematik gemein hat. Wer diesen Cartoon sowie mannigfaltige andere Extras genießen möchte, muss zu einem der 2-Disc-Sets greifen, auch wenn die Neuerscheinung ebenfalls reich ausgestattet ist (siehe unten).

Gruppenbild ohne Dame

Auch in ganz anderen Stoffen vermeint man Reverenzen zu erkennen. So huldigt Blake Edwards in „Das große Rennen rund um die Welt“ (1965) nicht nur erkennbar, wie so oft, dem Stummfilm, sondern allgemein den Abenteurerklischees in älteren Filmen. Tony Curtis spielt dort einen blütenweißen Strahlemann nicht nur herrlich selbstparodistisch, sondern zeigt sich auch im Umgang mit Florett und Säbel versiert. Ein Kampf in einer Burg erinnert inklusive des Einsatzes von Schatten stark an die Parallelszene in „Robin Hood“. Mel Brooks brachte 1993 „Robin Hood – Helden in Strumpfhosen“ heraus, zeitlich dicht am Costner-Werk, aber wenn man genau hinschaut, viel stärker die 1938er- als die 1991er-Version parodierend – und damit ihr huldigend. So tauchen dort berühmte Szenen des Errol-Flynn-Filmes abgewandelt wieder auf. Wieder ein Kampf in den hohen Räumen einer Burg, ein (freundlicher) Stockkampf mit Little John auf einem Baumstamm über einem Fluss, der forsche Auftritt des Helden bei Hofe mit demonstrativ geschultertem totem Tier, das Robin den Offiziellen so anklagend wie überheblich grinsend auf den Tisch knallt. Mel Brooks war damals schon etwas über seinem Zenit und seine Gags sind nicht immer geschmackssicher, aber er war immer ein Fan der Klassiker und lässt eben auch hier genau erkennen, welcher Robin Hood ihm der liebste ist. Da wage ich nicht zu widersprechen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Michael Curtiz haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Olivia de Havilland unter Schauspielerinnen, Filme mit Errol Flynn, Claude Rains und Basil Rathbone in der Rubrik Schauspieler.

Veröffentlichung: 30. April 2021 als Blu-ray und DVD, 3. September 2010 als 2-Disc Set Special Edition DVD und DVD, 13. Juni 2008 als 2-Disc Set Premium Edition (2 DVDs)

Länge: 98 Min.
Altersfreigabe: FSK 6
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Spanisch
Untertitel: Deutsch, Englisch u. a.
Originaltitel: The Adventures of Robin Hood
USA 1938
Regie: Michael Curtiz, William Keighley
Drehbuch: Norman Reilly Raine, Seton I. Miller
Besetzung: Errol Flynn, Olivia de Havilland, Basil Rathbone, Claude Rains, Patric Knowles, Eugene Pallette, Alan Hale, Melville Cooper, Ian Hunter, Una O’Connor
Zusatzmaterial 2021: Audiokommentar des Filmhistorikers Rudy Behlmer, Tonspur mit isoliertem Score, Featurette „Warner Night at the Movies“: Einleitung von Leonard Maltin (3 Min.), Trailer „Angels with Dirty Faces“ (3 Min.), Wochenschaubericht (1 Min.), „Freddie Rich und sein Orchester“ (11 Min.), Cartoon „Katnip Kollege“ (7 Min.), Original Kinotrailer, Wiederaufführungstrailer, Booklet, Wendecover
Zusatzmaterial 2-Disc-Sets: Featurette „Warner Night at the Movies“: Einleitung von Leonard Maltin (3 Min.), Trailer „Angels with Dirty Faces“ (3 Min.), Wochenschaubericht (1 Min.), „Freddie Rich und sein Orchester“ (11 Min.), Cartoon „Katnip Kollege“ (7 Min.), 3 Trailer, 4 Original-Dokumentationen: „Glorious Technicolor“ (60 Min.), „Welcome to Sherwood! The Story of The Adventures of Robin Hood“ (46 Min.), „Robin Hood im Laufe der Jahre“ (7 Min.) & „Eine Reise in den Sherwood Forest“ (13 Min.), 2 „Looney Tunes“-Cartoons: „Rabbit Hood“ (8 Min.) & „Robin Hood Daffy“ (7 Min.), 2 Kurzfilme: „Cavalcade of Archery“ (9 Min.) & „The Cruise of the Zaca“ (18 Min.), nicht verwendete Szenen, Pannen, Fotogalerien (Kunsthistorie, Kostümdesign, Szenen- und Konzeptskizzen, Stab und Besetzung, Pressematerial und Filmplakate)
Label 2021: Pidax Film
Vertrieb 2021: Al!ve AG
Label/Vertrieb 2010 & 2008: Warner Home Video

Copyright 2021 by Tonio Klein

Szenenfotos & Doppel-Packshot: © 2021 Pidax Film

 

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