U-neun nam-ja
Actionthriller // Ein Nachtclub irgendwo in den USA. Die Sängerin gibt den chilligen Hit „Smooth Operator“ zum Besten, doch Gon (Jang Dong-gun) hört kaum hin. In Origami-Manier faltet er aus einem Stück Papier eine kunstvolle Figur, erweckt damit an einem Nebentisch die Aufmerksamkeit der kleinen Yoo-mi (Kang Ji-woo). Dann erhebt sich der Auftragskiller und schreitet in einem Hinterzimmer zur blutigen Tat. Gon ermordet diverse Gangster, wird dabei selbst angeschossen. Ein Geräusch hinter einer Tür lässt ihn durch diese feuern. Doch dort steht das kleine Mädchen, dem er kurz zuvor noch zugelächelt hatte. Ein Treffer ins Herz setzt ihrem kurzen Leben ein Ende.
Gon will daraufhin seinen Job als gedungener Mörder einer Triaden-Bande an den Nagel hängen, doch sein Boss verweigert seinem besten Killer den Ruhestand. Er schickt ihn nach Seoul, um dort ausgerechnet Mo-kyeong (Kim Min-hee) zu töten, die Mutter des Mädchens, das er in den USA versehentlich erschoss. Die Kleine war dort mit ihrem von Mo-kyeong getrennt lebenden Vater, einem korrupten Geschäftsmann, der ebenfalls Gon zum Opfer fiel. Die in tiefer Trauer steckende Mo-kyeong, in Südkorea eine erfolgreiche Unternehmensberaterin, soll dort als Zeugin gegen ihren Chef John Lee (Kim Jun-seong) aussagen, der in Geldwäschegeschäfte verstrickt ist. Als zynische Begründung für den Mordauftrag an Mo-kyeong muss sich Gon anhören. Du machtest ihr Leben zur Hölle, also solltest du sie auch von dieser Qual befreien.
Ein paar fein choreografierte Martial-Arts-Einlagen mischen sich unter eine Reihe heftiger Schießereien, die sich sehen lassen können, auch Messer kommen zum Einsatz. Die Action zieht bis zum knackigen Showdown mehr und mehr an, die FSK-18-Freigabe der unzensierten Fassung erscheint berechtigt. Körper werden von Kugeln durchsiebt, das Blut spritzt, der Body Count steigt, und eine tiefe Melancholie durchzieht all diese Gewalt. Der Protagonist hat an sich keine Ehre, doch ein einschneidendes Erlebnis lässt sie ihn tief in seinem Inneren entdecken. Hauptdarsteller Jang Dong-gun („Prisoners of War“, „Brotherhood“) verkörpert die innerlich zerrissene Hauptfigur mit gebotener Zurückhaltung ohne jedes Overacting, unterlässt den beliebten Dackelblick – Gons Traurigkeit wird auch so spürbar.
Hier haben wir einen perfekten Heroic-Bloodshed-Protagonisten. Dieses mit „heldenhaftes Blutvergießen“ ins Deutsche zu übersetzende Subgenre des Actionthrillers etablierte sich ab den 1980er-Jahren ausgehend von Hongkong. John Woos „A Better Tomorrow“ (1986) und Ringo Lams „City on Fire“ (1987) gelten als wegweisende Klassiker dieses Segments. Der Auftragsmörder ist dabei eine gern genommene Figur, sei es, dass er die Seiten wechselt oder ganz von seinem Tun ablässt, weil sein Ehrenkodex ihn an der Ermordung einer bestimmten Zielperson hindert. „The Killer“ (1989) von John Woo und „Fulltime Killer“ (2001) von Johnnie To sind prägende Filme mit einem solchen Protagonisten.
Etwa ab der Jahrtausendwende lief das südkoreanische Kino Hongkong in puncto Action und Thriller den Rang ab. Kim Jee-won („I Saw the Devil“) inszenierte 2005 mit „Bittersweet Life“ (2005) Heroic Bloodshed in Reinkultur mit einem Auftragskiller als Hauptfigur. „No Tears for the Dead“ (2014) steht somit in bester Tradition. Für Drehbuch und Regie verantwortlich zeichnet Lee Jeong-beom, der 2010 mit seinem zweiten Film „The Man from Nowhere“ nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht hatte. Bis zum Nachfolger „No Tears for the Dead“ vergingen vier Jahre, weitere acht Jahre, bis der Actionthriller es nach Deutschland schaffte.
„No Tears of the Dead“ zeigt in sorgfältig gearbeiteten Szenen auch die Polizeiarbeit – das wirkt glaubwürdig und gut durchdacht. Nicht nur die Trauer von Mo-kyeong um ihre Tochter nimmt Raum ein, auch Gons Herkunft kommt zu ihrem Recht. Wie er geworden ist, was er geworden ist, entfaltet sich in Rückblenden bis in seine Kindheit, die sparsam genug gehalten sind, das Tempo der Haupthandlung nicht zu unterbrechen. Gons Kindheit ist auch insofern bedeutsam, als sie verständlich macht, weshalb er Zuneigung zu der trauernden Mutter entwickelt. Diese aus Mitgefühl geborenen Gefühle muss man als Rezensent gar nicht zu Liebe überhöhen – das Handeln des Killers gegenüber Mo-kyeong wird auch so nachvollziehbar. Diese Schwermut steht „No Tears for the Dead“ gut zu Gesicht und macht die dritte Regiearbeit von Lee Jeong-beom zu einem Actionthriller, der die Heroic-Bloodshed-Tradition mit Wucht und Stil in würdiger Weise fortführt. Welche in diesem Text nicht genannten Heroic-Bloodshed-Filme aus Fernost könnt ihr empfehlen?
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Jang Dong-gun haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.
Veröffentlichung: 18. August 2022 als Blu-ray und DVD, 4. August 2022 als Video on Demand, 2. März 2022 als 2-Disc Edition Mediabook (Blu-ray & DVD, 4 Covermotive à 2 x 333, 444 und 555 Exemplare)
Länge: 118 Min. (Blu-ray), 111 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 18
Sprachfassungen: Deutsch, Koreanisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: U-neun nam-ja
KOR 2014
Regie: Lee Jeong-beom
Drehbuch: Lee Jeong-beom
Besetzung: Jang Dong-gun, Kim Min-hee, Brian Tee, Kim Hee-won, Kim Jun-sung, Jeon Bae-soo, Kim Min-jae, Lee Young-Ian, Anthony Dilio, Alexander Wraith, Rich Ting, Angela Bullock, Kang Ji-woo, Kim So-jin
Zusatzmaterial: Character Video, Behind the Scenes, Director’s Statement, Trailer, Teaser, Wendecover, nur Mediabooks: 28-seitiges Booklet mit einem Text von Nando Rohner
Label: Nameless Media
Vertrieb: EuroVideo Medien GmbH
Copyright 2022 by Volker Schönenberger
Szenenfotos & Packshots: © 2022 Nameless Media
Katja
2022/09/25 at 20:51
Hallo und vielen Dank für die tolle Aktion! Ich kann „Bullet in the head“, „Hard boiled“, „Return Engagement“ und „Crying Freeman – Der Sohn des Drachen“ empfehlen.
Viele Grüße
Katja
Thomas Oeller
2022/09/24 at 11:07
Musste erstmal den Begriff googlen, würde dann „Bullet in the Head“ oder „Exiled“ empfehlen
Markus Tump
2022/09/23 at 09:37
City War
Fabi
2022/09/20 at 14:19
Da Ringo Lam und John Woo ja schon genannt wurden, kann ich deren „Full Contact“ und „Hard Boiled“ noch sehr empfehlen.
Dirk Busch
2022/09/20 at 09:44
Bis grade war mir der Begriff Heroic Bloodshed gar nicht bekannt & bis auf Hard Boiled fällt mir dazu auch nicht mehr ein.Hab bestimmt noch den ein oder anderen Heroic Bloodshed Streifen gesehen,aber wohl einfach als Asiatischen Actioner abgetan. 🙂
Sascha Mrowka
2022/09/19 at 18:15
Dazu fallen mir „A better tomorrow“, „Hard Boiled“ und „Bullet in the Head“ ein.
Jürgen Winterstein
2022/09/19 at 15:04
Es sind dann wohl die Besten schon genannt.
Vor einigen Monaten habe ich den südkoreanischen Film „Bittersweet Life“ ohne große Erwartungen günstig ergattert und war mehr als positiv überrascht.
Sven Böttger
2022/09/19 at 13:01
Hard Boiled
Deliver us from Evil
Karsten S.
2022/09/19 at 11:41
Hard Boiled. Die Krankenhausszene ist unglaublich.
Gantzu
2022/09/18 at 23:30
Bin ebenfalls für Hard Boiled.
Hasret Alaz
2022/09/18 at 21:09
Bittersweet Life von Kim Jee-woon mit Lee Byung-hun
Südkoreanischer Spielfilm
Imke
2022/09/18 at 15:24
Hard Boiler nicht zuletzt wegen der legendären Krankenhausszene!
Birgit
2022/09/18 at 11:48
„Deliver Us From Evil“ – ein grandioser, mächtig blutiger Action-Rachefilm aus Südkorea von 2020, unbedingt empfehlenswert!
ngffgn
2022/09/18 at 07:29
„My Heart is that eternal Rose“. Leider wurde der Film nie in Deutschland veröffentlicht.
Frank Warnking
2022/09/17 at 09:12
Hard Boiled
Johannes C. Lenz
2022/09/17 at 09:06
Cover Hard (1992) aka Full Contact
Markus Eigner
2022/09/17 at 02:32
Unmöglich in dem Fall nicht „Hard Boiled“ zu nennen.
Marco Winnig
2022/09/16 at 15:04
Hard Boiled
Björn Kramer
2022/09/16 at 13:52
Hard boiled
Klaus
2022/09/16 at 09:46
Meine Favoriten sind „The City of Violence“ und der hier schon mehrfach genannte „Hard Boiled“
Christoph Marek
2022/09/16 at 09:45
The Big Heat! Frühwerk von Johnnie To, sehr empfehlenswert!
Matthias
2022/09/16 at 09:33
Hard Boiled
Thomas
2022/09/16 at 08:57
Hard Boiled
PTU
Oliver Maey
2022/09/16 at 08:41
Hard Boiled, City War, Full Contact, Tiger on the beat, Rich & Famous, Tragic Hero, Casino Raider 1 & 2, The odd one dies, Flaming Brothers, God of Gamblers 1 & 2, Prison on Fire 1 & 2, City on Fire, School on Fire, Wild Search, All about Ah Long, A moment of romance, Nobody’s Hero uvm.
Rico Lemberger
2022/09/16 at 08:20
Exiled dürfte hier noch passen.
Jens
2022/09/16 at 08:15
Da waren schon alle dabei die mir eingefallen wären 😦
Volker Schönenberger
2022/09/16 at 08:17
Macht ja nichts.
Sebastian
2022/09/16 at 08:13
Sowohl Johnnie To als auch Ringo Lam sind als Namen ja gefallen. Etwas weniger bekannt, und in Sachen „Bloodshed“ etwas erwachsener, ist der ausgezeichnete WILD SEARCH von Lam. Interessant von To ist FULL ALERT. Beide zu wenig beachtet, beide exzellent. Und wer Wong Kar-Wai mag, in FALLEN ANGELS taucht er seine Zehenspitzen auch ins Bloodshed genre und lässt einen namenlosen Killer in bester John Woo Manier Gangster abknallen….
Volker Schönenberger
2022/09/16 at 08:18
Sehr schön. Gute Anregungen für mich.
Sven
2022/09/16 at 08:13
Bis heute ist Hard Boiled für mich einer der besten;)
Volker Schönenberger
2022/09/16 at 08:18
Der gnadenlose Shoot-out im Krankenhaus ist grandios.
Sven
2022/09/16 at 08:29
Das stimmt. In Intensität bis heute nicht erreicht…
Jens Albers
2022/09/16 at 07:06
Verdammt, es wurden ja fast alle genannt, die ich kenne. Aber einer war dann doch nicht dabei. Bullet in the head werfe ich somit noch in den Topf ^^
Volker Schönenberger
2022/09/16 at 07:10
Den habe ich nicht erwähnt, weil er bei mir fast schon als Kriegsdrama durchgeht. Aber die Nennung ist natürlich legitim. Ist mir vielleicht der liebste John Woo.
Thomas Hortian
2022/08/21 at 22:48
Weitere Heroic Bloodshed Filme möchtest Du empfohlen kriegen? Ich mag vor allem John Woos BULLET IN THE HEAD und HARD BOILED, Ringo Lams FULL CONTACT, Johnnie Tos A HERO NEVER DIES und EXILED, aber auch neuere wie der koreanische CITY OF VIOLENCE und INVISIBLE TARGET von Benny Chan.
Thomas Hortian
2022/08/21 at 22:36
Den fand ich eher unterwältigend. Die Charaktere wirken trotz des Backgrounds eindimensional, da viel zu viel über Dialog transportiert wird. Und dadurch zieht sich der zu lange Film bis zum Finale, zumindest die Actionszenen wecken einen zwischendurch. Mit etwas guten Willen knapp überdurchschnittlich, da optisch mal wieder mehr geklotzt als gekleckert wird, auch wenn der Score teils recht unpassend rüberkommt.