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The Witness – Der einzige Zeuge?

08 Aug

Mok-gyeok-ja

Von Volker Schönenberger

Thriller // Des Nachts beobachtet Sang-hoon (Lee Sung-min) vom Fenster seiner Wohnung im vierten Stock aus, wie unten im Hof ein Mann (Kwak Si-yang) eine Frau mit dem Hammer niederschlägt. Weil in dem Moment seine Frau (Jin Kyung) das Licht einschaltet, um etwas zu trinken, bemerkt der Mörder, dass in dem großen Wohnblock noch jemand wach ist, und hält inne. Zwei Stunden später setzt er sein blutiges Tun fort und gibt der Frau den Rest, während Sang-hoon in Schockstarre verharrt.

Hat noch jemand etwas gesehen?

Am Morgen wird die Leiche entdeckt, und Detective Jae-yeop (Kim Sang-ho) nimmt die Ermittlungen auf. Weil alle Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses offenbar geschlafen haben, kann er niemanden auftreiben, der etwas gesehen hat. Nicht einmal Sang-hoon gibt sich als Zeuge zu erkennen. Er kann jedoch nicht verhindern, dass der Detective bald auf ihn stößt. Der Mörder allerdings auch …

Der Tankwart hört etwas

„The Witness“ (2018) beginnt ungemein fesselnd mit einer Szene, in welcher der Mörder an einer Tankstelle hält und der Tankwart (Yang Hee-Myoung) von einem Klopfgeräusch stutzig wird – das Opfer befindet sich noch lebendig im Kofferraum. Auch die auf die Bluttat folgende Ermittlungsarbeit des Detectives hält das Niveau, ebenso bringt es Spannung, wenn sich der Mörder mehr und mehr seinem Zeugen nähert. Sehr schön obendrein, wie Jae-yeop nach und nach Sang-hoons Angst bemerkt.

Sang-hoon bekommt es mit der Angst zu tun

Regisseur Cho Kyu-Jang kleidet das Geschehen in kühle, saubere Bilder, die gut zur Stimmung von „The Witness“ passen, zumal diese auch eine Aussage über die Anonymität der Großstadt transportiert. Entsetzt sind die Bewohnerinnen und Bewohner weniger von der Bluttat selbst als von der Tatsache, dass sie vor ihrem Haus geschah. Sie fürchten, der gute Ruf der Gegend werde in Mitleidenschaft gezogen, was den Wert ihrer Wohnungen mindern würde. Die Hausgemeinschaft verhindert sogar, dass ein Mann Plakate aufhängt, mit denen er um Hinweise auf seine vermisste Frau bittet. Wollte der Regisseur damit etwas über die Oberflächlichkeit der südkoreanischen Gesellschaft aussagen? Mangels Kenntnis darüber kann ich diese Frage nicht beantworten.

Vierter oder sechster Stock?

Kleine Ungereimtheiten zumindest in der deutschen Synchronisation fallen auf: Zweimal erwähnen Personen, Sang-hoon sei der neue Mieter im sechsten Stock, was dieser beim zweiten Mal auch bejaht. Als der Detective jedoch die Wohnung aufsucht, befindet sich diese im vierten Stock – und sie trägt die Nummer 405. Von ein paar Ansichten der Wohnung von außen lässt sich ihre Etage nicht zweifelsfrei bestimmen, aber der vierte Stock erscheint plausibel. Zudem ist mehrfach von Mietern die Rede, obwohl es sich bei den Appartements in dem Hochhaus anscheinend in erster Linie um von den Besitzern bewohnte Eigentumswohnungen handelt (da sie den Wertverlust fürchten).

Der Mörder geht äußerst brutal zu Werke

Diese Kleinigkeiten fallen allerdings weniger ins Gewicht als einige Logiklöcher, die sich nach und nach auftun. Dass Sang-hoon nach einiger Zeit zum zweiten Mal in ungeschickter Manier sein Smartphone fallen lässt, mit welchem er offenbar gerade die Polizei anrufen wollte, kann man noch als immerhin möglich durchgehen lassen. Aber es ergibt gerade zu Beginn überhaupt keinen Sinn, dass er die Polizei nicht benachrichtigt. Und auch über weite Strecken des Geschehens wäre das die bessere Entscheidung, was er auch wissen kann, da er nicht dumm ist. Derlei Verhaltensweisen nicht nur bei ihm prägen leider das Bild, auch der Mörder bleibt davon nicht verschont.

Showdown im Schlamm

Die Motive des Mörders bleiben lange Zeit unklar und offenbaren sich endgültig erst im Anschluss an den spektakulären Showdown im Regenguss samt Erdrutsch, der etwas versöhnt. Die Irren leben mitten unter uns. Dieser von Detective Jae-yeop geäußerte Satz kurz vor Ende hätte ein gutes Schlusswort abgegeben. Es folgen aber noch ein paar die Handlung ausklingen lassende Szenen inklusive eines Helfen Sie mir doch!-Tests von Sang-hoon vor dem Haus, der uns die sozialkritische Botschaft noch einmal mit dem Holzhammer präsentiert. Das hätte nun wirklich nicht Not getan.

Detective Jae-yeop stößt auf eine Mauer des Schweigens

„The Witness“ feierte seine Deutschlandpremiere im September 2019 beim in einigen Metropolen ausgetragenen Fantasy Filmfest. Die Busch Media Group hat den Thriller nicht nur als Blu-ray und DVD in herkömmlichen Softcases veröffentlicht, sondern auch im Mediabook, das beide Disc-Formate enthält. Im Booklet lässt sich der Autor Christian Zechner in interessanter und sprachlich fein ausformulierter Weise über den Film aus, er spinnt bei seinen analytischen Ansätzen den Faden bis zu Alfred Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“ (1954) und anderen Filmen. „The Witness“ hätte das Zeug zu einem Thriller-Klassiker gehabt, verschenkt aber mit einigen Absurditäten viel Potenzial. Immerhin mangelt es nicht an Spannung und einige Sequenzen bis hin zum Showdown sind überaus mitreißend geraten. Welche südkoreanischen Thriller könnt Ihr empfehlen?

Auch Sang-hoons Frau Soo-jin und Tochter Eun-ji geraten in Gefahr

Veröffentlichung: 13. Mai 2022 als 2-Disc Limited Edition Mediabook (Blu-ray & DVD), Blu-ray und DVD

Länge: 111 Min. (Blu-ray), 106 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Koreanisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Mok-gyeok-ja
KOR 2018
Regie: Cho Kyu-Jang
Drehbuch: Jo Kyu-Jang, Lee Young-jong
Besetzung: Lee Sung-min, Kim Sang-ho, Jin Kyung, Bae Junghwa, Park Bom, Choi Jung-in, Kim Hak-sun, Kim Ja-yeong, Jeong Jaekwang, Park Ji-hu, Son Jong-hak, Yang Hee-Myoung
Zusatzmaterial: Originaltrailer, Trailershow, nur Blu-ray und DVD: Wendecover, nur Mediabook: Deckblatt, 16-seitiges Booklet mit einem Text von Christian Zechner
Label: Busch Media Group
Vertrieb: Al!ve AG

Copyright 2023 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & gruppierter Packshot: © 2022 Busch Media Group

 
 

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14 Antworten zu “The Witness – Der einzige Zeuge?

  1. Thomas Oeller

    2023/11/26 at 16:12

    Neben „Oldboy“ würde ich noch „Lady Vengeance“ nennen

     
  2. Fabi

    2023/11/24 at 09:46

    Die üblichen Verdächtigen wurden ja schon genannt. Ich möchte noch „Memoir of a Murderer“ in die Runde werfen, den ich sehr spannend fand.

     
  3. Johannes C. Lenz

    2023/11/21 at 20:09

    Emergency Declaration (2021)

     
  4. Sascha K.

    2023/11/20 at 09:19

    The Chaser war richtig gut.

     
  5. Thomas

    2023/11/19 at 05:39

    Believer von 2018

     
  6. Frank Hillemann

    2023/11/18 at 14:57

    Oldboy und I saw the devil

     
  7. Frank Warnking

    2023/11/18 at 07:51

    Oldboy

     
  8. Thomas P.

    2023/11/17 at 20:57

    Also definitiv The Witch (Subversion & The Other One) als auch Bedevilled.

     
  9. Erik

    2023/11/17 at 20:19

    Oldboy.

     
  10. Björn Kramer

    2023/11/17 at 18:19

    Joint Security area

     
  11. phantastischewelt

    2023/11/17 at 17:41

    Slow Burn Thriller: THE BURNING

     
  12. Mario Matika

    2023/11/17 at 12:26

    Oldboy (Original) ist auch nach vielen Jahren, mein Favorit aus Südkorea und eine klare Empfehlung, sowie dem Remake um vieles vorzuziehen.

    BluRay wäre toll.

     
  13. Martin

    2023/11/17 at 12:23

    Ich glaube ich kenne aus Südkorea nur The Killer: A Girl Who Deserves To Die
    Darsteller

     
  14. Klaus

    2023/11/17 at 12:19

    Mein Tipp: „I Saw the Devil“ aus dem Jahr 2010. Ungemein packende und spannend erzählte Geschichte um einen mordenden Psychopathen.

     

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