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Horror für Halloween (XXVIII): Outpost – Auf verlorenem Posten: Einsamkeit als Flucht vor der privaten Hölle

24 Okt

Outpost

Von Christoph Leo

Horrorthriller // Nachdem Kate (Beth Dover) Opfer häuslicher Gewalt wurde und die Polizei ihren gewalttätigen Freund Mike (Tim Neff) Polizei noch nicht gefasst hat, ergreift sie die Flucht. Ihre Freundin Nickie (Ta’Rea Campbell) vermittelt ihr einen Job auf einem Hochsitz bei Nickies Bruder Earl (Ato Essandoh). Ihre Aufgabe unter anderem: Sie soll nach Bränden Ausschau halten. Kate will dort auch Kraft und innere Ruhe finden. In der Einsamkeit kommt es bald zu verstörenden Vorfällen, die Kate an ihrem Verstand zweifeln lassen. Lauern in der Wildnis noch andere Gefahren außer Mike?

Auf dem Hochsitz ist es einsam

Es hilft, bei „Outpost – Auf verlorenem Posten“ (2023) nicht zu viel über den Inhalt zu wissen, da das Geschehen in der zweiten Filmhälfte durchaus einen überraschenden Verlauf nimmt. Dabei greifen kurze Rückblenden wiederholt Kates Trauma durch den Angriff von Mike auf. Vordergründig vertieft der Horrorthriller das Thema häusliche Gewalt aber nicht näher, sodass sich Zuschauerinnen und Zuschauer selbst Gedanken über die Hintergründe der Beziehung machen müssen. Kate erleidet von Anfang an immer wieder Halluzinationen über Angriffe ihres Freundes, den Kassierer eines Supermarktes und die Gäste eines Restaurants, die alle zu ihrem erhöhten Sitzplatz aufblicken und sie für mehrere Sekunden anstarren. Diese Szene gleich zu Beginn des Films ist sehr stimmungsvoll inszeniert – insbesondere der aussetzende Ton erzeugt eine unangenehme Atmosphäre.

Mehr als Horror

Trotz dieser Halluzinationen, die Elemente des Horror-, Terror- und Backwoods-Films einbringen, funktioniert „Outpost – Auf verlorenem Posten“ nicht nur als reiner Horrorfilm. Kate wird als stark verängstigte und nicht nur körperlich, sondern auch psychisch misshandelte Frau porträtiert, für die die Einsamkeit eines Hochsitzes in der Wildnis der USA vielleicht nicht die beste Entscheidung war.

Kate versucht sich am Holzhacken

Die unter anderem aus „Orange Is the New Black“ (2013–2019) bekannte Beth Dover spielt Kate glaubwürdig und kann besonders in den Szenen ihrer Halluzinationen die Angst und den Terror vor dem Gesehenen glaubhaft vermitteln. Immer wieder habe ich mich gefragt, ob das, was ich gerade sehe, Realität oder eingebildet ist. Der Film lässt dafür allerdings kaum Interpretationsspielraum und löst entsprechende Szenen meist schnell auf. Er verfehlt damit aber keineswegs die Wirkung, die diese auf Kate haben.

Tierkadaver wecken Ekel

Im letzten Drittel ändert „Outpost – Auf verlorenem Posten“ seine Erzählperspektive: Haben wir die Geschichte bis dahin aus Kates Sicht miterlebt, stehen nun Kates Freundin Nickie und deren Bruder Earl im Fokus. Für das Finale ergibt dieser Perspektivwechsel durchaus Sinn, um mehr Spannung zu erzeugen; will man aber die durch häusliche Gewalt und eventuell längere Misshandlung angegriffene Psyche einer Frau darstellen, hätte man im letzten Drittel den Fokus besser bei Kate belassen, zumal wir Nickie und Earl vorher nicht wirklich gut kennengelernt und somit keine Verbindung zu den Figuren aufgebaut haben. Hinzu kommt, dass Kate auf mich nicht sonderlich sympathisch wirkte, was aufgrund ihres Traumas aber auch nicht unbedingt sein muss. Earl hingegen fand ich durchgängig unsymphatisch weshalb mir der im letzten Drittel unter anderem auf ihm liegende Fokus weniger gut gefiel. Ato Essandoh spielt ihn dennoch gut.

Auch Nachbar Reggie ist schockiert

Etwas interessanter ist der unweit vom Hochsitz wohnende Reggie (Dylan Baker). Nicht immer zugänglich, aber bedingt durch seine Hintergrundgeschichte mit einer an Krebs verstorbenen Eherfrau nachvollziebar und ambivalent gespielt. Dylan Baker, unter anderem bekannt aus „Trick ’r Treat – Die Nacht der Schrecken“ (2007), den ich zu einem meiner Lieblings-Horrorfilme zähle, gibt seiner Figur emotionale Tiefe und man nimmt ihm seine innere Zerissenheit jederzeit ab. Interessant ist auch ein Aufritt von Dylan Bakers Ehefrau Becky Ann Baker als Wanderin Bertha, die einige eindringliche Szenen mit Beth Dover hat.

Blutiges Finale

Im letzten Drittel entwickelt sich „Outpost – Auf verlorenem Posten“ zum Horrorthriller, wobei ich auf diesen Handlungsverlauf lieber verzichtet und Kate noch eine längere Zeit allein im Hochsitz beim Kaffeetrinken und Beobachten der Natur zugesehen hätte, aber irgendwie muss der Film ja enden. Das relativ blutige Finale fordert einige Menschenleben. Übrigens habe ich bei „Die Nacht der lebenden Texte“ mit „The Goldsmith“ (2023) kürzlich einen Film rezensiert, der ebenfalls, ziemlich überraschend im letzten Drittel unnötig brutal wird und der mir weniger gut gefiel. „Outpost“ bietet meiner Meinung nach interessantere Charaktere und einen unerwarteteren Verlauf, und das vergleichsweise spannend und gut gefilmt.

Bertha (l.) zeigt Kate, wie man schießt

Bei „Outpost – Auf verlorenem Posten“ handelt es sich um das Regiedebüt des aus der Comedy-Serie „Brooklyn Nine-Nine“ (2013–2021) bekannten Schauspielers Joe Lo Truglio. Als Kate besetzt er mit Beth Dover seine Ehefrau. Diese Nähe zu und unter den Darstellerinnen und Darstellern – siehe die Eheleute Baker – sorgt für atmosphärisches, jederzeit glaubhaftes Schauspiel. Inszenatorisch habe ich nichts auszusetzen, mir sind jedenfalls keine unnatürlichen Schnitte oder Einstellungen aufgefallen. Zum Teil arbeitet Joe Lo Truglio mit harten Schnitten, die den Wechsel zwischen Tag und Nacht oder in den nächsten Monat darstellen. Erinnert hat mich diese Art der Inszenierung ein wenig an Ari Asters „Hereditary – Das Vermächtnis“ (2018) den ich für einen der besten Horrorfilme der vergangenen Jahre halte. Auch die Kamera fängt schöne Landschaftsaufnahmen ein. Der Soundtrack begleitet das Geschehen effktiv, wobei ich mich im Nachgang an kein eindringliches Stück erinnern kann.

Auch Earl und Nickie geraten ins Geschehen

„Outpost – Auf verlorenem Posten“ ist ein kleiner und zum Teil überraschend gut gemachter Horrorthriller, da er trotz ungewohnlichem Handlungsverlauf im letzten Drittel sehr spannend ausfällt und gute Darstellerinnen und Darsteller vorweisen kann. Als Traumabewältigung zum Thema häusliche Gewalt bietet das Werk aber keine interessanten Ansätze und verpasst es im letzten Drittel, das Thema ordentlich abzuschließen. Vielleicht diente es Joe Lo Truglio aber auch nur als Aufhänger für sein Setting, um einen fesselnden Horrorthriller zu inszenieren. Über weite Strecken gelingt ihm das auch.

Veröffentlichung: 18. November 2023 als Video on Demand

Länge: 89 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Outpost
USA 2023
Regie: Joe Lo Truglio
Drehbuch: Joe Lo Truglio
Besetzung: Ato Essandoh, Dallas Roberts, Dylan Baker, Becky Ann Baker, Beth Dover, Dana Millican, Doug Dawson, Tim Neff, Stephen Morton, D. R. Anderson, Ta’Rea Campbell, Faith Clark Doebler, Kevin Kahl Lease, Patrick Censoplano
Zusatzmaterial: –
Label/Vertrieb: Meteor Film

Copyright 2023 by Christoph Leo

Filmplakat & Szenenfotos: © 2023 Meteor Film

 

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