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Horror für Halloween (XXIX): Dracula – Tot, aber glücklich: Mel Brooks’ vampirischer Abgesang

24 Okt

Dracula – Dead and Loving It

Von Volker Schönenberger

Horrorkomödie // Produktionsbudget 30 Millionen Dollar, Einnahmen an den Kinokassen 10,77 Millionen Dollar – „Dracula – Tot, aber glücklich“ erwies sich nach der weltweiten Kinoauswertung ab Ende 1995 als veritabler Flop. Woran es gelegen hat – wer weiß das schon? Vielleicht an den zahlreichen Verrissen, die den Film seinerzeit ereilten. Die Zeit für derlei Parodien und Persiflagen war jedenfalls noch nicht vorüber, wie ab 2000 der Erfolg der „Scary Movie“-Reihe beweist. So oder so markierte „Dracula – Dead and Loving“, so der Originaltitel, die letzte Regiearbeit des 1926 geborenen Mel Brooks, der uns zwar derer nur elf beschert hat, darunter aber solche herrlichen Komödien wie „Frühling für Hitler“ (1967), „Frankenstein Junior“ (1974), „Silent Movie – Mel Brooks’ letzte Verrücktheit“ (1976) und „Spaceballs“ (1987).

Vampirjäger: Professor Van Helsing

„Dracula – Tot, aber glücklich“ ist in der Folge von „Bram Stoker’s Dracula“ (1992) von Francis Ford Coppola entstanden und orientiert sich in einigen visuellen Details an dieser Verfilmung des Romans von Bram Stoker, etwa der Frisur von Graf Dracula (Leslie Nielsen) in dessen erster Szene. Im Großen und Ganzen erinnert das Produktions- und Setdesign allerdings eher an die 60er-Jahre-Horrorfilme der Hammer Studios.

Ein Kreuz für 15 Kopeken

Graf Dracula begrüßt in seinem Schloss in Transsylvanien den englischen Anwalt Thomas Renfield (Peter MacNicol), der eigens angereist ist, um Dracula das Anwesen Carfax Abbey zu verkaufen. Renfield hat sich auch nicht von den Warnungen der Einwohnerinnen und Einwohner des nahegelegenen Dorfs beirren lassen, die von Vampiren berichteten. Die Wahrsagerin Madame Ouspenskaya (Cameo für Brooks’ Ehefrau Anne Bancroft) hat ihm immerhin noch ein Kreuz zum Schutz in die Hand gedrückt (Renfield dafür aber 15 Kopeken abgeknöpft).

Graf Dracula mag das schöne Geschlecht

Bald schon trifft Graf Dracula in London ein, mit Renfield als seinem Sklaven im Schlepptau. Der allerdings landet umgehend in der geschlossenen Einrichtung von Dr. Seward (Harvey Korman). Der Vampir macht sich alsbald über die junge Lucy (Lysette Anthony) her und wirft auch schnell ein Auge auf Dr. Sewards Tochter Mina (Amy Yasbeck). Doch Professor Abraham Van Helsing (Mel Brooks) und Jonathan Harker (Steven Weber) stellen sich Graf Dracula in den Weg. Van Helsing ist immerhin ein auf seltene Krankheiten spezialisierter Arzt, dazu Theologe und Philosoph. Und Gynäkologe, wie er beim ersten Treffen mit dem Vampir die Worte Dr. Sewards ergänzt, der ihn vorstellt. Eine schöne Szene, in der Dracula und Van Helsing darum wetteifern, wer das letzte Wort behält – in alter moldawischer Sprache.

Statt Harker reist Renfield

Eine Parodie muss sich zwangsläufig Freiheiten nehmen. Dennoch macht es stutzig, dass zu Beginn Renfield nach Transsylvanien reist und nicht Jonathan Harker wie in der Romanvorlage und den meisten Verfilmungen. Für den Verlauf der Handlung hat diese Personalie allerdings keine Bedeutung, also sei’s drum. Nun darf sich zwar Renfield im Schloss von zwei Vampirdamen betören lassen, dafür bekommt Harker seine Szene bei einer Pfählung, die recht blutig ausfällt (der mit Pfählungen erfahrenere Van Helsing hat sich rechtzeitig außerhalb der Reichweite der Blutfontäne begeben und bleibt sauber).

Obacht, wo man den Sarg platziert

Es geht auch herzlich albern zu (darf es auch), zum Beispiel in der Szene, in der Dracula von außen die schlafende Mina in seinen Bann nimmt, um sie nach draußen zu beordern, sie aber erst versehentlich die Schranktür nimmt. In der Folge gerät ohne Draculas Absicht auch das im Zimmer befindliche Hausmädchen Essie (Megan Cavanagh) in seinen Bann, sodass er seine Kommandos an Mina nicht ganz unter Kontrolle bekommt. Brüller! Auch die Spiegelszene beim Ball ist klasse. Schönster „kleiner“ Gag: Dracula richtet sich stocksteif aus seinem Sarg auf wie weiland Graf Orlok in „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1922) und stößt sich dabei den Kopf am Kronleuchter.

Mehr Biss!

Gespickt mit Zitaten, fällt das Geschehen überaus vergnüglich aus und verrät Kenntnis der Materie, etwas mehr Biss (hihi) hätte aber durchaus sein dürfen. Und etwas mehr Grusel ebenfalls, auch wenn das bei einer solchen Parodie schwerfallen mag. „Spaceballs“ beispielsweise hatte eine höhere Dichte großartiger Gags und bewies doch etwas mehr Gefühl fürs Science-Fiction-Genre. Auf dem Thron der Vampirkomödien bleibt Roman Polanskis „Tanz der Vampire“ (1967) unangefochten. „Dracula – Tot, aber glücklich“ kommt auch nicht an die Paraderolle des Lieutenant Frank Drebin von Leslie Nielsen (1926–2010) aus den drei „Die nackte Kanone“-Filmen (1988–1994) heran, für einen kurzweiligen Komödienabend reicht die Parodie aber allemal. Kenntnis von der Vampirmaterie hilft dabei ungemein.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Mel Brooks haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Anne Bancroft unter Schauspielerinnen, Filme mit Leslie Nielsen in der Rubrik Schauspieler.

Jonathan Harker tut, was ein Mann tun muss

Veröffentlichung: 6. Mai 2022 als Blu-ray und DVD, 12. März 2007 und 1. September 2000 als DVD

Länge: 92 Min. (Blu-ray), 87 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Dracula – Dead and Loving It
F/USA 1995
Regie: Mel Brooks
Drehbuch: Mel Brooks, Rudy De Luca, Steve Haberman, nach Motiven von Bram Stokers Roman „Dracula“
Besetzung: Leslie Nielsen, Mel Brooks, Peter MacNicol, Steven Weber, Amy Yasbeck, Lysette Anthony, Harvey Korman, Mark Blankfield, Megan Cavanagh, Clive Revill, Chuck McCann, Anne Bancroft
Zusatzmaterial (variiert je nach Edition): Audiokommentar von Mel Brooks, Steven Weber, Amy Yasbeck, Rudy de Luca und Steve Haberman, Interviews mit dem Vampir und dem Regisseur, Am Set, diverse Teaser & Trailer (Anmoderation von Mel Brooks), Trailershow, Wendecover
Label 2022: Pidax Film
Vertrieb 2022: Al!ve AG
Label 2007: Tobis Film
Vertrieb 2007: Universum Film
Label/Vertrieb 2000: Cine Plus

Copyright 2023 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & gruppierter Packshot: © 2022 Pidax Film

 

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