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Freelance – Der Anwalt, der Soldat spielen wollte, und zum Personenschützer mutiert

11 Apr

Freelance

Von Volker Schönenberger

Action-Abenteuer // Bei der Oscarverleihung 2024 gehörte sein Auftritt zu den Hinguckern des Abends: Als Laudator der Vergabe fürs beste Kostümdesign betrat John Cena die Bühne nahezu nackt. Ein Hauch von hautfarbenem Stoff bedeckte Gemächt und Hintern, ansonsten trug der Wrestler und Schauspieler lediglich Sandalen. Eine Anspielung an einen echten Flitzer bei der 1974er-Oscarverleihung. Jenes exakt 50 Jahre zurückliegende Ereignis hatte Oscar-Moderator Jimmy Kimmel am 10. März 2024 erwähnt und das Publikum gefragt, ob es sich heute einen nackten Mann bei der Oscarverleihung vorstellen könne. In dem Moment erschien Cena im Adamskostüm auf der Bühne und hielt sich den Umschlag mit der Oscargewinnerin fürs beste Kostümdesign vor die Hüften. Als Siegerin durfte er Holly Waddington für die Kostüme von „Poor Things“ verkünden.

Mason Pettits kämpft im Dschungel ums Überleben

In „Freelance“ spielt John Cena meist vollständig bekleidet Mason Pettits, der einst eine lukrative Karriere als Anwalt aufgab, um Soldat zu werden. Er schaffte es sogar bis zu den Special Forces, doch als ein Einsatz im Fiasko endete, kehrte er der Army den Rücken und ging zurück ins öde Vorortleben als Rechtsanwalt zu Ehefrau Jenny (Alice Eve) und Tochter Casey (Molly McCann). Als sein Special-Forces-Kumpel Sebastian Earle (Christian Slater) auftaucht und 20.000 Dollar für einen vermeintlich leichten Personenschutzjob bietet, ziert sich Pettits nur kurz. Da passt es auch gut, dass ihm Jenny gerade den Laufpass gibt.

Interview mit dem Diktator

Der Auftrag: Pettits soll die Journalistin Claire Wellington (Alison Brie) ins südamerikanische Paldonia begleiten. Präsident Juan Arturo Venegas (Juan Pablo Raba) will ihr ein Exklusivinterview geben. Ausgerechnet der Diktator, auf den Pettits’ Special-Forces-Einheit seinerzeit angesetzt war, was bis auf Pettits und Earle alle Soldaten das Leben kostete. Und auch dieser Einsatz läuft nicht wie geplant: Auf dem Weg zu Venegas’ Landsitz wird ein Anschlag auf den Konvoi verübt, in dem sich Pettits, Wellington und der Präsident befinden. Ehe es sich der Personenschützer versieht, läuft er mit seinem Schützling und dem Diktator durch den Dschungel.

Auch Claire Wellington schwebt in akuter Gefahr

„Freelance“ wartet von Anfang an mit ein paar Problemen auf. Beginnend mit dem Protagonisten und der Protagonistin: Der vom Anwalt zum Elitesoldaten, zurück zum Anwalt und zum Personenschützer mutierende Mason Pettits ist einfach keine glaubwürdige Figur. Und John Cena („Fast & Furious 9“) ist nicht derjenige, der das rausreißen kann – er wirkt auch nicht so, als würde ihn das groß kümmern. Claire Wellington wiederum ist anfangs einfach nur arrogant und unsympathisch, dabei sollte sie etwas demütig sein, ist ihre Karriere an sich doch gescheitert. Das Interview mit dem Präsidenten sieht sie als große Chance. Vorhersehbar, dass Wellington eine Entwicklung durchmacht. Alison Brie („The Disaster Artist“) macht in ihrer Rolle nichts falsch, setzt aber auch keine Glanzlichter.

Wo liegt eigentlich dieses Paldonia?

Für das fiktive Paldonia hielt Kolumbien her – dort wurde gedreht. Das bringt einige pittoreske Landschaftsaufnahmen mit sich, insgesamt halten sich die Schauwerte von „Freelance“ aber im Rahmen, sicher auch dem niedrigen Budget geschuldet. Immerhin gibt es einen explosiven Showdown, auch der Anschlag auf den Konvoi ist knackig inszeniert.

Mit dem Diktator auf der Flucht

Als Szenendieb erweist sich der Kolumbianer Juan Pablo Raba („Shot Caller“) als großspuriger Diktator. Anfangs fast schon als Karikatur gezeichnet, entwickelt sich Venegas nach und nach sogar zum Sympathieträger. Ob es in der Geschichte macht- und geldgieriger Diktatoren je eine solche Wandlung vom Saulus zum Paulus gegeben hat, lassen wir mal gnädig außen vor. Venegas benimmt sich lange Zeit, wie sich ein korrupter Machthaber mit goldener Magnumwumme nun mal benimmt. Hier verpasst „Freelance“ allerdings die Chance, der Geschichte um ein rohstoffreiches kleines Entwicklungsland als Spielball ausländischer Mächte und Investoren eine satirische Komponente beizumengen. Ohnehin weiß der Film nicht recht, ob er sich eher zur launigen Actionkomödie oder zum handfesten Actionthriller entwickeln will, weshalb ich mich mit der Schublade Action-Abenteuer aus der Affäre ziehe – das passt auch gut. Erwähnt sei noch Christian Slater („True Romance“) als Buddy und Auftraggeber der Hauptfigur, der aber weitgehend im Hintergrund bleibt.

Vom Regisseur von „96 Hours“

Regisseur Pierre Morel hat sich im Actionsegment einen Namen gemacht und mit bekannten Stars gedreht, siehe etwa „96 Hours“ (2008) mit Liam Neeson und Famke Janssen, „From Paris with Love“ (2010) mit John Travolta und Jonathan Rhys Myers und „The Gunman“ (2015) mit Sean Penn, Idris Elba und Javier Bardem. Vor „Freelance“ hat er mit „Ambush – Kein Entkommen“ (2021) für die Vereinigten Arabischen Emirate sehenswerte Militär-Action inszeniert. Diese Erfahrung merkt man ihm in der Sequenz mit dem Anschlag auf den Konvoi und beim bleihaltigen Showdown an. Insgesamt bleibt „Freelance“ aber blass und weit hinter Morels erwähnten früheren Arbeiten zurück. Bei der Kritik fiel das Action-Abenteuer weitgehend durch. Auch eine zum Schmunzeln animierende Nacktszene mit den drei Hauptfiguren vermochte da nicht viel zu retten. Immerhin konnte John Cena damit für seinen Oscar-Auftritt üben. Ein Blick auf Rotten Tomatoes beweist immerhin eine große Diskrepanz zwischen Filmkritik und Publikumsmeinung, da der Kritikerstimmen kumulierende „Tomatometer“ bei schlappen 6 Prozent liegt, während der „Audience Score“ beachtliche 76 Prozent aufweist. Meine Einordnung liegt irgendwo in der Mitte – mit heruntergeschraubten Ansprüchen lässt sich „Freelance“ einmal gut wegschauen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Pierre Morel haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Alison Brie unter Schauspielerinnen, Filme mit John Cena und Christian Slater in der Rubrik Schauspieler.

Präsident Venegas hat Pläne

Veröffentlichung: 26. Januar 2024 als UHD Blu-ray, Blu-ray und DVD

Länge: 109 Min. (Blu-ray), 105 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Freelance
USA/GB 2023
Regie: Pierre Morel
Drehbuch: Jacob Lentz
Besetzung: John Cena, Alison Brie, Juan Pablo Raba, Christian Slater, Alice Eve, Marton Csokas, Sebastian Eslava, Molly McCann, Mauricio Cujar, Diego Vàsquez, Nelson Camayo, Matt Moody, Daniel Toro Moreno, Roberto Cano, Fiona Horsey, Julianne Arrieta
Zusatzmaterial: Wendecover
Label: splendid film GmbH
Vertrieb: WVG Medien GmbH

Copyright 2024 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & gruppierter Packshot: © 2023 splendid film GmbH

 

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