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Zum 100. Geburtstag von Adolfo Celi: James Bond 007 – Feuerball: Spectre erpresst die NATO

Thunderball

Von Volker Schönenberger

Agenten-Abenteuer // Eine Trauerfeier in Frankreich. Den Sarg bedeckt eine Decke mit den Initialen JB. Doch es ist nicht James Bond (Sean Connery), der zu Grabe getragen wird, sondern Jacques Bouvar (Bob Simmons), Agent der Verbrecherorganisation Spectre (in der deutschen Synchronisation „Phantom“). Gestorben angeblich eines natürlichen Todes. 007 ist skeptisch und behält recht. Seine Lizenz zum Töten hilft ihm dabei, dass die Trauerfeier nicht vergebens war. Per Raketenrucksack entkommt er zu seinem Aston Martin, der ihn vollends in Sicherheit bringt.

Zu den Klängen des von Tom Jones dargebotenen Titelsongs „Thunderball“ setzt nun der Vorspann ein. Im Anschluss trifft Emilio Largo (Adolfo Celi) im Hauptquartier von Spectre in Paris ein. Er ist Nr. 2 des Gangstersyndikats. Nachdem Ernst Stavro Blofeld (Anthony Dawson), Nr. 1 und Oberboss, die Erfolge der anderen abgefragt und einen in die eigene Tasche wirtschaftenden Spießgesellen kurzerhand entsorgt hat, stellt Nr. 2 das nächste große Projekt vor.

Ab ins Sanatorium!

Zufälle gibt’s: Ausgerechnet in dem südenglischen Sanatorium, in das sich Bond zur Erholung begibt, hält sich auch Spectre-Agent Nr. 4 Graf Lippe (Guy Doleman) auf. Der will auf perfide Weise einen Helfershelfer in den nahegelegenen NATO-Stützpunkt einschleusen, um zwei Atombomben zu stibitzen. Der Plan geht auf! Spectre erpresst die NATO um 100 Millionen Pfund Sterling. Andernfalls werde die Verbrecherorganisation eine Großstadt in Großbritannien oder den USA zerstören. In der Folge reist Bond auf die Bahamas, wo Largo ein Anwesen und eine Luxusyacht besitzt.

Sexismus

James Bond und die Frauen: Hier ist es etwa Dominique „Domino“ Derval (Claudine Auger), Schwester eines ermordeten NATO-Piloten und Geliebte von Emilio Largo, über die er an den Verbrecher heranzukommen hofft. Dann haben wir Fiona Volpe (Luciana Paluzzi), ruchlose Helfershelferin von Largo – auch sie wird zwischenzeitlich in Bonds Armen landen. Zur Unterstützung auf den Bahamas steht Bond obendrein die Kollegin Paula Caplan (Martine Beswick) zur Seite. Um den Womanizer-Bond jener Zeit zu erfassen, bedarf es allerdings eines Blicks zurück auf seinen Sanatoriums-Aufenthalt. Er wird dort von der Krankenschwester Patricia (Molly Peters) umhegt, der er sich sogleich körperlich nähert und gegen ihren Willen einen Kuss aufzwängt. Sexuelle Belästigung in Reinkultur. Etwas später hat ein Angriff auf Bond die Gute in Erklärungsnot gebracht, sodass sie um ihren Job fürchtet. Generös deutet Bond an, sie nicht bei ihrem Chef zu verraten: Wenn ich schweige, kostet das aber ’ne Kleinigkeit. Spricht’s und drängt die Dame in die Sauna. Wenn das keine sexuelle Nötigung ist, gibt es keine sexuelle Nötigung. Cary Fukunaga, Regisseur des letzten Daniel-Craig-Bonds „Keine Zeit zu sterben“ (2021), hat das im Interview mit „The Hollywood Reporter“ sogar noch deutlicher zum Ausdruck gebracht: Ist es „Goldfinger“ oder „Thunderball“, in dem er im Grunde eine Frau vergewaltigt? Ein übler Beigeschmack, an dem wir uns über viele Jahre nicht gestört haben, der aber schon lange hätte benannt werden müssen – und heute glücklicherweise benannt wird.

Sag niemals nie!

„Feuerball“ hätte der erste James-Bond-Kinofilm werden können – auch eine Fernsehserie war eine Weile eine Alternative –, doch als Ian Fleming das von ihm und anderen erarbeitete Drehbuch zu einem Roman umschrieb und diesen veröffentlichte, verklagten ihn die anderen Autoren, darunter Kevin McClory. Dem wurden zusätzlich zur Zuerkennung der Mitautorenschaft die Verfilmungsrechte zugesprochen, weshalb sich die Bond-Produzenten Albert R. Broccoli und Harry Saltzman genötigt sahen, ihn für die Produktion des mittlerweile nicht mehr ersten, sondern vierten Bond-Films „Feuerball“ als Produzenten ins Boot zu holen. Seine Rechte nutzte McClory viele Jahre später zur Produktion der Neuverfilmung „Sag niemals nie“ (1983), die auf einige typische Elemente verzichten musste, etwa das charakteristische Intro und das James Bond Theme im Soundtrack. Aber das ist eine andere Geschichte.

Adolfo Celi

Zurück zu „Feuerball“: Die James-Bond-Reihe hat einige ikonische Gegenspieler des MI6-Agenten hervorgebracht, und der von Adolfo Celi herrlich sinister mit schwarzer Augenklappe gespielte Emilio Largo gehört zweifellos recht weit vorn eingereiht. Die Rolle gilt als seine bekannteste, aber der am 27. Juli 1922 im sizilianischen Messina Geborene hat in seiner vier Jahrzehnte währenden Filmkarriere in gut 100 Produktionen mitgewirkt. Gern wurde er als Schurke gebucht, war aber keineswegs darauf beschränkt. Er starb am 19. Februar 1986 im Alter von 63 Jahren an einem Herzinfarkt. Am 27. Juli 2022 wäre er 100 Jahre alt geworden. Einen etwas größeren Abriss seiner Karriere hat „Die Nacht der lebenden Texte“-Autor Tonio Klein in seiner Rezension der Komödie „Venedig sehen – und erben …“ (1967) niedergeschrieben.

Zu viele Unterwasserszenen?

Die drei Vorgänger „007 jagt Dr. No“ (1962), „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) und „Goldfinger“ (1964) hatten die Bond-Messlatte enorm hochgelegt, weshalb „Feuerball“ seinerzeit zwar erneut positiv aufgenommen wurde, sich aber auch kritische Stimmen gefallen lassen musste. So bemängelte das Lexikon des internationalen Films die vielen Unterwasserkämpfe als in die Länge ziehend. Das Geschehen sei viel unrealistischer als in den geschickter gestalteten Vorgängern. Auch Bosley Crowther erwähnte in seiner Rezension in der New York Times die Fülle an maritimer Action, störte sich aber offenbar nicht daran: Sie sei angetan, Captain Jacques-Yves Cousteau zu erfreuen. In meinen Augen sind die Unterwasserszenen ansprechend gefilmt, allerdings geraten die Kämpfe etwas unübersichtlich, da aufgrund der Tauchanzüge und -masken nicht immer gleich erkennbar ist, wer sich dahinter verbirgt.

Die Story gestaltet sich zu Beginn durchaus raffiniert, auch wenn Spectres Plan, sich der Atombomben zu bemächtigen, etwas Überkandideltes hat. Sobald die Handlung auf die Bahamas wechselt, wo sie bis zum Ende verharren wird, wird das Geschenen eher durch das Interagieren von Bond mit Domino, Largo und Fiona vorangetrieben als durch das Bedrohungsszenario. Sean Connery war längst mit seiner Rolle verwachsen und geht entsprechend routiniert zur Sache, sei es im Dialog mit seinem Antagonisten Largo, sei es beim Ordern von Beluga-Kaviar und Champagner aus dem Hause Dom Pérignon – Jahrgang 1955, versteht sich.

Oscar für die visuellen Spezialeffekte

Nachdem „Goldfinger“ 1965 mit dem Academy Award für die Toneffekte den ersten Bond-Oscar eingefahren hatte, zog „Feuerball“ nach und gewann 1966 den Oscar für die visuellen Spezialeffekte. Hier ein Kampfjet, der im Wasser landet und auf den Meeresgrund sinkt, da eine zünftige Explosion – das geht schon in Ordnung.

Regisseur Terence Young hatte zuvor den ersten und zweiten Bond inszeniert, für „Goldfinger“ den Regiestuhl aber an Guy Hamilton abgegeben. „Feuerball“ wurde somit sein dritter und letzter Bond, er blieb aber bis ins Alter als Regisseur aktiv. Mit „Feuerball“ konnte er „007 jagt Dr. No“ und „Liebesgrüße aus Moskau“ zwar nicht übertreffen, ein würdiger Bond ist ihm aber allemal gelungen. Dass das Agenten-Abenteuer aus Produktionskosten von umgerechnet neun Millionen Dollar weltweite Kinoeinnahmen in Höhe von 141 Millionen Dollar generierte, kommt nicht von ungefähr.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Terence Young haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Adolfo Celi und Sean Connery unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 1. März 2013 und 24. Oktober 2008 als Blu-ray, 12. Oktober 2012 als DVD, 1. Oktober 2007 als Ultimate Edition DVD, 13. November 2006 als 2-Disc Ultimate Edition DVD (Erstauflage im Digipack, Neuauflage im Amaray-Case), 8. Dezember 2004 und 24. August 2000 als DVD, diverse Veröffentlichungen als Blu-ray und DVD in James-Bond-Kollektionen

Länge: 130 Min. (Blu-ray), 125 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch (z. T. weitere)
Untertitel: Deutsch, Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch (z. T. weitere)
Originaltitel: Thunderball
GB 1965
Regie: Terence Young
Drehbuch: Richard Maibaum, John Hopkins
Besetzung: Sean Connery, Claudine Auger, Adolfo Celi, Bernard Lee, Desmond Llewelyn, Lois Maxwell, Luciana Paluzzi, Rik Van Nutter, Guy Doleman, Molly Peters, Martine Beswick, Roland Culver, Earl Cameron, Paul Stassino, Bob Simmons
Zusatzmaterial (nicht in jeder Edition): Audiokommentar von Regisseur Terence Young und anderen, Audiokommentar von Peter Hunt, John Hopkins und anderen, Aus den Geheimarchiven des MI6 (Die unglaubliche Welt des James Bond – Original NBC TV-Bericht von 1965, Wie man ein Auto sprengt: Eine Anleitung für Kinder – Ford Promotion-Film von 1965, Am Drehort mit Ken Adam, Bild Suitor: Der Raketenmann, Feuerball-Bootschau, Wie man Bond verkauft – 3 original TV-Werbespots von 1965, Vorspann/Abspann), 007 Missionkontrolle (007, Die Frauen, Die Verbündeten, Die Bösewichter, Kampfverzeichnis, Das Labor von Q, Exotische Drehorte), Missions-Dossier (Making-of, Das Phänomen „Feuerball“, Die geheime Geschichte von „Feuerball“), Propagandaministerium (Er hat es spitzgekriegt, Und was für ein Einsatz, Die zwei besten Bondfilme, „Strikes Like Thunderball“, „Sehen Sie nach oben, sehen Sie nach unten, sehen Sie sich vor“, Zwei Bondfilme für den Preis von einem, Bond-Ausverkauf, „Feuerball“ und „Liebesgrüße aus Moskau“ Doppelprogramm, Bond im Radio), Bilder-Datenbank (Porträts, Der Aston Martin, Chateau D’Anet, Pinders Laden, Die Suche nach dem Vulcan-Bomber, Romanze unter den Wellen, Unterwassergefecht, Der Schlusskampf, Das Pinewood-Wasserbecken, Feuerball geht um die Welt, Merchandising)
Label/Vertrieb: MGM / Twentieth Century Fox Home Entertainment

Copyright 2022 by Volker Schönenberger

Packshots: © MGM / Twentieth Century Fox Home Entertainment

 

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