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Rayons Light: Dallas Buyers Club

05 Feb

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Dallas Buyers Club

Kinostart: 6. Februar 2014

Von Solveig Westphalen

Drama // Ein schneller Dreier auf Koks in den Eingeweiden der Rodeo-Arena, den schnaufenden Bullen für den nächsten Ritt fest im Visier: Das ist die Welt von Cowboy Ron Woodroof (Matthew McConaughey). Klar hat der texanische Sturkopf und Bewohner eines White-Trash-Trailerparks schon bessere Tage gesehen. Aber was ihm der Arzt nach einer Schlägerei im Krankenhaus erzählt, zieht ihm den Boden unter den Füßen weg: Er ist HIV-positiv, laut den Ergebnissen seiner Bluttests dürfte er gar nicht mehr am Leben sein. Dass ausgerechnet er, der Macho par excellence, sich mit der „Schwulenkrankheit“ infiziert hat, erschüttert ihn bis ins Mark.

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Rayon (l.) ist Dr. Saks Patient und Freund

Doch Woodroof wäre nicht Woodroof, gäbe er sich geschlagen. Er versucht mit Hilfe der mitfühlenden Ärztin Dr. Eve Saks (Jennifer Garner), Patient in einer Studie mit dem Medikament AZT zu werden; das misslingt. Trotzdem findet er Mittel und Wege, sich das Medikament zu besorgen. Doch bald stockt der Nachschub und sein Gesundheitszustand verschlechtert sich zusehends. Mit letzter Kraft schafft er es zu einer Adresse in Mexiko. Der dortige Doktor hat in den USA wegen alternativer Behandlungsmethoden von AIDS-Patienten seine Zulassung verloren. Dr. Vass (Griffin Dunne) erklärt Ron, wie schädlich AZT für AIDS-Patienten ist, zumindest in der verordneten Dosis. Vass experimentiert mit einem Cocktail aus Vitaminen und Proteinpräparaten, der die Symptome der Krankheit lindert und vor allem das Immunsystem der Betroffenen stärkt.

Sofort wittert Woodroof ein lohnendes Geschäft. Um sich selbst die Behandlung leisten zu können, schmuggelt er die Präparate in großem Stil über die Grenze, um sie an andere Betroffene zu verkaufen. Doch sein kaum verborgener Schwulen-Hass verscheucht die potenziellen Kunden. Erst als er sich überwindet, mit dem transsexuellen AIDS-Kranken Rayon (Jared Leto) zusammenzuarbeiten, gelingt der Deal. Sie gründen nach dem Beispiel anderer Clubs den „Dallas Buyers Club“ dessen Mitglieder sich gegen einen Monatsbeitrag selbst behandeln. Doch ihr wachsender finanzieller und medizinischer Erfolg ruft die Hersteller von AZT und die mächtige FDA (Food und Drug Administration) auf den Plan. Die Pharmaindustrie verteidigt mit aller Härte ihre gigantischen Gewinne, die FDA ihr Monopol auf Zulassungen von Medikamenten und Lebensmitteln auf dem US-Markt.

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In Mexiko lernt Ron alternative Behandlungsmethoden kennen

Der echte Ron Woodruff überlebte seine Todes-Diagnose um volle sieben Jahre. So wie seine Lebensgeschichte ein Beispiel für die Stärke des menschlichen Willens ist, so ist es nur der Beharrlichkeit seiner Macher zu verdanken, dass der Film überhaupt das Licht der Leinwand erblickt hat: 1992 reiste Drehbuchautor Craig Borten nach Dallas und interviewte Ron Woodroof in den letzten Wochen seines Lebens. Mehr als 20 Jahre hat es gedauert, bis das Projekt realisiert worden ist. Die Zusage von Matthew McConaughey brachte schließlich die entscheidende Wende.

Der kanadische Regisseur Jean-Marc Vallée („The Young Victoria“) hatte nur 25 Drehtage. Um Zeit zu sparen, nutzten er und sein Kameramann Yves Bélanger nur Sonnenlicht oder bereits vorhandene Lichtquellen in den Räumen. Ohne Beleuchtungstechnik erhöhte sich die Bewegungfreiheit von Kamera und Darstellern. So erhielt der Film einen fast dokumentarischen Look. Gepaart mit dem intensiven Spiel und nicht zuletzt der körperlichen Transformation der Hauptdarsteller wirkt „Dallas Buyers Club“ vollkommen authentisch. In nur vier Monaten nahm Muskelmann McConaughey knapp 25 Kilo ab, Jared Leto hungerte sich in drei Wochen auf 58 Kilo herunter.

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Die Kranken stehen Schlange vor dem „Buyers Club“

Und wie es scheint, lieben Publikum und Kritiker es, wenn sich Schauspieler bis zum Äußersten treiben. Der Mut zur inneren und äußerlichen Hässlichkeit wie Charlize Theron in „Monster“ (Oscar) und zur Selbstkasteiung wie Christian Bale in „The Machinist“ und zur Verschmelzung mit dem Film-Charakter (Oscar-prämiert: Heath Ledgers diabolischer Joker), bringt unvergänglichen Leinwandruhm.

Wenn der bislang als Womanizer und Traumbody bekannte McConaughey nur noch als Schatten seiner selbst über die Leinwand taumelt, bereitet das Betrachten fast körperliche Schmerzen – aber es fasziniert. Leto, der hier jedem Magermodel traurige Konkurrenz macht, hat sich in den vergangenen Jahren auf seine Band „Thirty Seconds to Mars“ konzentriert. Nun ist er auf die Leinwand zurückgekehrt und spielt hier vermutlich die Rolle seines schauspielerischen Lebens. Rayon, der alles Schöne und das ihm schwindende Leben liebt, wirkt stets wie von einem Leuchten umgeben. Zunehmend durchscheinender werdend, löst er sich buchstäblich vor den Augen der Zuschauer auf. Intensiver geht’s nicht mehr.

Für ihre fesselnde Darstellung gab es bereits den Golden Globe für McConaughey als Haupt- und Leto als Nebendarsteller. Nun werden sie verdientermaßen als heiße Oscar-Anwärter gehandelt. Zwei weitere Academy-Award-Nominierungen gibt es für den „Dallas Buyers Club“: als bester Film und für das beste Original-Drehbuch. Gut möglich, dass McConaughhey und Leto die Oscar-nominierte Konkurrenz von „12 Years a Slave“ Chiwetel Ejiofor und Michael Fassbender ausstechen. Da schließe ich mich der Meinung des geschätzten Blog-Betreibers an.

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Ron ist mit seinem Geschäftsmodell zufrieden

Was soll ich sagen – verdient hätten die beiden die Trophäe, das Drehbuch ebenso. Die Transformation des homophoben Arschlochs zum Kämpfer für Menschlichkeit und Gerechtigkeit ist absolut glaubwürdig entwickelt. Woodroof wird kein geläuterter Gutmensch, sondern ein Verfechter für Toleranz und für ein selbstbestimmtes Leben. Keine Überdosis Sentimentalität verklebt den Blick auf die Geschichte. Sein verzweifelter Kampf David gegen Goliath gegen die übermächtige Pharmalobby und die US-Behörden zieht den Zuschauer im Verlauf des Films erwartungsgemäß auf seine Seite. All dem zum Trotz bleibt mit etwas Abstand ein weiterer zentraler Aspekt des Films in Erinnerung: Der Wert von Freundschaften jenseits der eigenen Komfortzone bildet das berührende Zentrum des Films. Das unwahrscheinliche Freundespaar Ron und Rayon – beide wachsen aneinander und finden gegen jede Wahrscheinlichkeit das größte Vertrauen zueinander – gehört zu den feinsinnigsten Darstellungen einer Freundschaft seit langer Zeit.

„Dallas Buyers Club“ entlässt seine Zuschauer ohne Happy End, vermutlich aufgewühlt aber gleichzeitig mit einem versöhnlichen Gefühl und hoffentlich ein wenig nachdenklich aus dem Kinosaal.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Griffin Dunne, Jared Leto und Matthew McConaughey haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Länge: 117 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
USA 2013
Regie: Jean-Marc Vallée
Drehbuch: Craig Borten, Melisa Wallack
Besetzung: Matthew McConaughey, Jared Leto, Jennifer Garner, Denis O’Hare, Steve Zahn, Dallas Roberts, Kevin Rankin, Griffin Dunne
Verleih: Ascot Elite Filmverleih GmbH

Copyright 2014 by Solveig Westphalen

Fotos & Trailer: © 2013 Ascot Elite Filmverleih GmbH

 

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