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David Cronenberg (II): Spider – Zu Unrecht vergessen

22 Feb

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Spider

Von Simon Kyprianou

Drama // Schon die Ouvertüre von David Cronenbergs „Spider“ ist wunderbar: ein stimmungsvoller, düsterer Vorspann – eine leider aussterbende Kunstform, an der Cronenberg aber beständig festhält. In seiner kunstvollen Uneindeutigkeit ist der Vorspann gleichzeitig Vorausblick und Zusammenfassung auf das Werk.

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Spider blickt in seine Vergangenheit

Nach dieser wundervollen Eröffnung beginnt Cronenbergs langsame Erzählung über den schizophrenen Cleg (Ralph Fiennes), der nach einem Aufenthalt in einer Psychiatrie in eine mysteriöse Herberge in London einzieht. In dauernden Flashbacks versucht er zwanghaft, seine Kindheit und die Beziehung seiner Eltern zu rekonstruieren.

Cleg ist auf einer verzweifelten Suche, einer Suche, die in seinem Kopf stattfindet. In seinen vernebelten Erinnerungen sucht er nach einem ganz bestimmten Ereignis, dessen Erinnerung ihn befreien soll. Er sucht nach einem Sündenfall in seiner Kindheit – das ist es, was ihn antreibt. Cronenberg vermischt Vergangenheit und Gegenwart Clegs in seiner Erzählung zu einer Einheit, in der Cleg seinem eigenen Leben beiwohnen kann.

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Spiders Unterkunft: die mysteriöse Herberge

Dabei erzählt der Regisseur radikal unzuverlässig: Momente äußerster Klarheit stellen sich als falsch heraus, er bebildert hier das Scheitern der Erinnerung, den Verlust der Existenz. In der Londoner Dunkelheit, in verfallenen Industriewelten, in klaustrophobischen Räumen zieht Clegs Leben an ihm vorbei und wir sehen Verlustängste, Lebenslügen, die Infragestellung der eigenen Existenz und schließlich gar fatalen Selbstbetrug. Wo man normalerweise fade Psychologisierungen erwarten könnte, die in billiges Twist-Kino ausarten, versucht Cronenberg die Reise in die Erinnerungen sinnlich erfahrbar zu machen, versucht Verständnis für Cleg aufzubringen, lässt sich treiben vom intensiv-langsamen Strudel seines Unterbewusstseins, dem Howard Shore unheimliche Klänge beimischt.

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Dreh- und Angelpunkt der tragischen Geschehnisse: Spiders Mutter

Ralph Fiennes spielt den fragilen und labilen Cleg mit all seinen wunderlichen Manierismen und seiner Angst faszinierend. „Spider“ ist ein ruhiger zurückgenommener Cronenberg-Film, weniger offensiv als „Crash“, Videodrome“ und „Die Fliege“, aber faszinierend. Das Drama ist zu Unrecht untergegangen im Kanon seiner Werke.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von David Cronenberg haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Gabriel Byrne und Ralph Fiennes unter Schauspieler. Ein lesenswerter Text zu „Spider“ findet sich auch bei den Kollegen von Evil Ed.

Veröffentlichung: 23. November 2004 als DVD

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Spiders Vater ist unzufrieden mit seinem Leben

Länge: 94 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Türkisch
Originaltitel: Spider
KAN/GB 2002
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: Patrick McGrath, nach seinem eigenen Roman
Besetzung: Ralph Fiennes, Miranda Richardson, Gabriel Byrne, Lynn Redgrave, John Neville, Bradley Hall, Philip Craig
Zusatzmaterial: Kommentare der Filmemacher, Filmdokumentationen, Filmografien: Regisseur, Autor, Schauspieler, Trailer, Web-Link
Vertrieb: Sony Pictures Home Entertainment

Copyright 2015 by Simon Kyprianou
Fotos & Packshot: © 2004 Sony Pictures Home Entertainment

 

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