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Victoria – Atemlos durch Berlin

10 Jun

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Victoria

Kinostart: 11. Juni 2015

Von Andreas Eckenfels

Thriller // 1998 sorgte „Lola rennt“ mit einer rasend schnellen Inszenierung und der rothaarigen Heldin Franka Potente für internationales Aufsehen. Regisseur Tom Tykwer bewies damit, dass deutsches Kino jung, kreativ und dynamisch sein kann. Dem damaligen Nebendarsteller Sebastian Schipper („Absolute Giganten“) gelingt knapp 17 Jahre später ein ähnlich temperamentvoller Geniestreich, der auf der diesjährigen Berlinale schon von Publikum und Kritik gleichermaßen gefeiert wurde. Die Besonderheit: Schippers „Victoria“ kommt ohne einen einzigen Schnitt aus!

140 Minuten Adrenalin

Ja, ihr habt richtig gehört. Von der ersten Szene an in der Undergrounddisco bis zum Finale am Morgengrauen in der Berliner Friedrichstraße ist der Film komplett in einem Stück durchgedreht! Es gab weder technische Tricks (wie bei Iñárritus „Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)“) noch irgendwelche versteckten Überblendungen (wie etwa bei Hitchcocks „Cocktail für eine Leiche“). Cast und Crew waren 140 Minuten im Dauereinsatz, um das atemberaubende Abenteuer der jungen Spanierin Victoria (Laia Costa) zu erzählen. Als sie am frühen Morgen auf die vier Freunde Sonne (Frederick Lau), Boxer (Franz Rogowski), Blinker (Burak Yigit) und Fuß (Max Mauff) trifft, lässt sie sich von ihnen überreden, über den Dächern Berlins noch ein Bier zu trinken. So beginnt eine fröhliche Reise durch die Nacht, die allerdings bald in einen Albtraum umschlägt. Denn die Jungs müssen noch eine alte Schuld begleichen und benötigen dazu Victorias Hilfe.

Dreimal durchgedreht

„Ich habe mich gefragt, warum es so viele Filme über Banküberfälle gibt, denen es aber nur selten gelingt, dem Zuschauer zu vermitteln, was es bedeutet, wirklich bei einem Banküberfall dabei zu sein“, so Schipper zur Grundidee seines Films. „Victoria“ sollte eine Art Kriegsberichterstattung werden, bei der es weniger um die Bilder, sondern um das Erlebnis geht. So erwuchs seine Idee den ganzen Film in Realzeit zu drehen, wobei der eigentliche Überfall nur wenige Minuten einnimmt. Was geschieht davor und danach mit den Figuren? Wie fühlt man sich, wenn man einmal in seinem Leben ohne großes Nachdenken etwas Verbotenes tut?

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Nach der Disco trifft Victoria auf die Clique von Sonne (M.) und Boxer

Wie Schipper bei der Berlinale-Pressekonferenz verriet, ließ er drei Mal die 140 Minuten in einem Stück drehen. Die dritte Aufnahme ist der fertige Film!

Hautnah dabei

Die Stimmung in „Victoria“ schlägt häufig schnell um – und der Zuschauer ist mittendrin! Dies ist vor allem der famosen Arbeit von Kameramann Sturla Brandth Grøvlen zu verdanken. Er verfolgt die Protagonisten auf all ihren Wegen zu den verschiedenen Schauplätzen: Mal ist er direkt hinter ihnen, mal neben ihnen, mal hetzt er hinterher, mal quetscht er sich mit ihnen in einen engen Fahrstuhl. Doch immer ist er ganz nah dran an den Emotionen der Figuren. Sein Lohn: der Silberne Bär für eine herausragende künstlerische Leistung!

Echte Freunde

Was Sebastian Schipper wie schon in „Absolute Giganten“ und „Ein Freund von mir“ bestens versteht, ist auch ein weiteres großes Plus von „Victoria“: Er weiß, wie Kumpels ticken, wie sie miteinander umgehen und sprechen. Die vier Freunde werden mit ihrer Berliner Schnauze als sympathischer Haufen dargestellt, die gern rumalbern, Spaß haben und – wenn es ernst wird – zusammenhalten. Auch Victoria wird schnell wie eine Schwester in die Gruppe aufgenommen. So entsteht eine wunderbare Dynamik zwischen den fünf Figuren.

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Victoria und Sonne kommen sich näher

Dazu kommt, dass Victoria – übrigens genau wie Neuentdeckung Laia Costa – kaum ein Wort Deutsch spricht. So kommunizieren die Figuren in einem Mix aus Deutsch und krummem Englisch miteinander, was für zusätzliche Authentizität sorgt. Im Übrigen gelingt es so auch den Darstellern, einige Textversprecher leichter zu überspielen.

Experiment geglückt

Schippers One-Take-Experiment ist ein weiteres Plädoyer für den deutschen Film. Nach „Victoria“ werdet Ihr ausgepumpt am Boden liegen. Besorgt euch ein Ticket für diese atemlose Reise durch Berlin!

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Sebastian Schipper sind in unserer Rubrik Regisseure aufgeführt, Filme mit Frederick Lau und Franz Rogowski unter Schauspieler.

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Als eine alte Schuld eingelöst werden muss, schlägt die Stimmung um

Länge: 140 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: Victoria
D 2015
Regie: Sebastian Schipper
Drehbuch: Sebastian Schipper, Olivia Neergrard-Holm, Eike Frederick Schulz
Besetzung: Laia Costa, Frederick Lau, Franz Rogowski, Burak Yigit, Max Mauff, André M. Hennicke, Anna Lena Klenke
Verleih: Senator Film Verleih GmbH

Copyright 2015 by Andreas Eckenfels

Filmplakat, Fotos & Trailer: © 2015 Senator Film Verleih GmbH

 

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