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Don Siegel (II), Clint Eastwood (XI): Ein Fressen für die Geier – Mit Dynamit und (gar nicht so) frommen Sprüchen

01 Jan

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Two Mules for Sister Sara

Von Dirk Ottelübbert

Western // Hogan (Clint Eastwood) reitet allein durch die Wüste Mexikos. Er stößt auf drei betrunkene Cowboys, die sich gerade über eine Frau (Shirley MacLaine) hermachen wollen. Hogan tötet die Rohlinge, nimmt Sara, zu seiner Verblüffung eine Nonne, mit sich. Nun hat der Söldner neben einer ordentlichen Ladung Dynamitstangen auch eine burschikose, zungenfertige Gottesbraut im Gepäck.

Ziel ihres Ritts ist die Stadt Chihuahua. Hogan will dort den mexikanischen Republik-Truppen bei der Zerstörung eines Forts der französischen Invasoren beistehen. Hehre Revolutionsideale interessieren ihn dabei weniger als der Goldschatz, welcher im Fort lagern soll. Sara, deren Kloster ebenfalls in Chihuahua liegt, bekundet ihren Hass auf die Franzosen. Sie träumt davon, den Mexikanern zur Freiheit zu verhelfen. Und nicht erst beim Showdown in der Stadt erweist sie sich als tapfere Helferin: Sie holt Hogan einen Indianerpfeil aus der Schulter und hilft ihm später, eine Eisenbahnbrücke zu sprengen. Ihr Retter fühlt sich mehr und mehr zu ihr hingezogen, geht in seinen Avancen aber nie zu weit. Umso wütender ist er, wenn Sara sich als, nun ja, ziemlich „scheinheilig“ erweist.

Clint Eastwood, die Plaudertasche

„Die Party ist vorbei. Verzieht euch, Freunde“, blafft Hogan die drei Wüstlinge an. Er rät Sara, sich etwas anzuziehen – „schon wegen der Sonne“! Als er sie dann in ihrer Ordenstracht erblickt, entfährt ihm ein „Das kann doch nicht wahr sein. Was zum Teufel hat eine Nonne hier verloren?“ Damit hat Eastwood nach etwa zehn Filmminuten schon mehr von sich gegeben als – gefühlt – in allen Filmen von Sergio Leones „Dollar“-Trilogie zusammen!

Anleihen beim Italowestern und Eastwoods früheren Westernfiguren sind gleichwohl unverkennbar: Hogan kämpft nicht für Ideale, sondern allein für den eigenen Vorteil. Eastwood posiert so cool, wie das eben nur er kann – etwa wenn er, an einem Felsen lehnend, mit der Zigarre eine Dynamitstange anzündet. Die verbalen Scharmützel, die er sich mit Sara liefert, Hogans hilfloser Zorn, wenn er hinter ihre wahre Identität kommt, überhaupt: seine Verletzlichkeit – all das bildet einen interessanten bis irritierenden Kontrast zu den oben genannten Stilisierungen.

Vom Westernheld zum Maultier

Nach „Coogans großer Bluff“ markiert „Two Mules for Sister Sara“ die zweite Zusammenarbeit von Don Siegel (1912–1991) und Clint Eastwood. „Einer der Filme, die mir sehr viel bedeuten“, befand der Regisseur. Die Lasttiere im Originatitel sind ein Wortspiel, da „mule“ neben „Maulesel“ eben auch „Dickkopf“ bedeutet. Sara hat ein Reittier – und ihren störrischen Begleiter auf zwei Beinen. „Shirley MacLaine ist eine starke Persönlichkeit und spielend in der Lage, Clint Eastwood zu einem Maultier zu machen. Er weiß es nicht, aber er ist es“, so Siegel. Der Hauptdarsteller indes hatte sich, als er für das „Fressen“ unterschrieb, eigentlich auf Elizabeth Taylor als Filmpartnerin gefreut. Da sie harte Bedingungen stellte und eine äußerst üppige Gage forderte, verfielen die Macher schließlich auf Shirley MacLaine.

„Ein Fressen für die Geier“ – ein Zwei-Personen-Stück, „in dem die Frau die bessere Rolle hat“, so Clint Eastwood, „und das blieb Shirley nicht verborgen“. Ein kleiner Seitenhieb? Tatsächlich scheint die Chemie zwischen dem Leinwandpaar nicht so recht zu stimmen. Echter Funkenflug fehlt, trotz wunderbar geschriebener sarkastischer Dialoge (Drehbuch: Albert Maltz) bleiben diese Szenen manchmal im luftleeren Raum hängen.

Streit zwischen Don Siegel und Shirley MacLaine

Verbürgt sind auch die Spannungen zwischen Siegel und seiner Hauptdarstellerin, die beiden fetzten sich und sprachen darüber hinaus kaum miteinander. Dies und die Tatsache, dass der Regisseur einen fremden Stoff adaptierte – Westernveteran Budd Boetticher („Der Siebente ist dran“, 1956) hatte die Story erdacht und später verkaufen müssen – schlagen sich in einer für Siegel-Verhältnisse spannungsarmen und länglichen Inszenierung nieder. Der Action-Meister inszeniert die Gewalt gewohnt intensiv – man denke an die standrechtliche Erschießung eines Aufrührers durch französische Soldaten. Andere Actionszenen geraten überhöht, eher erheiternd denn verstörend – auch dies ein Ausdruck von Siegels Könnerschaft. Schade aber, dass diese für sich genommen dichten Action-Sequenzen zu verstreut platziert werden. Wir müssen reichlich lange warten auf die Brückensprengung, die Attacke aufs französische Fort wirkt fast wie ein Nachklapp, ein Epilog.

Amüsant ist das „Fressen“ natürlich allemal. Aber wer einen Klassiker unter den gemeinsamen Filmen von Siegel und Eastwood sucht, sei an „Coogans großer Bluff“ und „Dirty Harry“ verwiesen. Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Clint Eastwood und Don Siegel sind in unserer Rubrik Regisseure zu finden – auch Eastwoods Schauspielarbeiten. Alle Filme mit Shirley MacLaine haben wir unter Schauspielerinnen aufgelistet.

Veröffentlichung: 8. Mai 2013 als Blu-ray, 30. August 2002 und 2. August 2007 als DVD

Länge: 114 Min. (Blu-ray), 109 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Französisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch
Originaltitel: Two Mules for Sister Sara
USA/MEX 1970
Regie: Don Siegel
Drehbuch: Budd Boetticher (Story), Albert Maltz
Besetzung: Clint Eastwood, Shirley MacLaine, Manolo Fábregas, Alberto Morin, David Povall
Zusatzmaterial: keine Angabe
Vertrieb: Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2016 by Dirk Ottelübbert

 

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