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Billy Wilder (II): Das Privatleben des Sherlock Holmes – Ein Director’s Cut, das wäre was

14 Mär

The Private Life of Sherlock Holmes

Von Simon Kyprianou

Tragikomödie // Am Anfang des Films wird das Testament von Dr. Watson (Colin Blakely) verlesen. Fünfzig Jahre ist er nun tot, endlich darf sein Nachlass geöffnet werden. Wir sehen all die Gegenstände des Sherlock-Holmes-Mythos: die Pfeife, den Hut, die Lupe. Auch ein Manuskript findet sich an: die Geschichte über das Privatleben des Sherlock Holmes.

Nicht viel Federlesen mit dem Mythos Sherlock Holmes

Zwar erblicken die Filmgucker all diese mythisch angehauchten Memorabilien, doch Billy Wilder zerstört schnell jeden Mythos und erzählt uns stattdessen von einem gebrochenen Mann. Bei Holmes (Robert Stephens) wird eines Abends eine Frau abgeliefert, Gabrielle Valladon (Geneviève Page), die halb ertrunken in der Themse gefunden wurde und ihr Gedächtnis verloren hat. Die Dame vermisst ihren Mann, Holmes und Watson beschließen, ihr bei der Suche zu helfen. Die Spur führt ins schottische Hochland, wo sie ein Komplott aufdecken, an dem auch Holmes’ Bruder Mycroft (Christopher Lee) beteiligt ist.

Gabrielle liefert den Ermittlern gleich mehrere Rätsel

Wer denkt, es gehe Billy Wilder um die Geschichte, der irrt. Die Geschichte hört da auf, wo sie angefangen hat, sie führt nirgendwo hin. Den Twist am Ende entblößt Wilder als Farce, kaum steht Holmes vor der Lösung des Falls, fällt das Rätsel in sich zusammen.

Von großer Komödie zu großem Drama

Der Titel des Films ist radikal ehrlich: „Das Privatleben des Sherlock Holmes“, und nur darum geht es auch, um das Leben von Holmes. Es geht um seine Einsamkeit, um seine Bitterkeit und um seine Verlorenheit. Wilder lässt Holmes Liebe und Verlangen verspüren. Er lässt ihn hoffen, seiner körperlichen und intellektuellen Einsamkeit entgehen zu können. Oberflächlich sehen wir eine Komödie, Wilder kokettiert offensichtlicher als in allen anderen Holmes-Verfilmungen mit der Homoerotik zwischen Holmes und Watson, I. A. L. Diamonds Skript sorgt für wundervoll komische Dialoge. Unter der Oberfläche schwelt aber, wie so oft bei Wilder, großes Drama.

Leider kein Director’s Cut

Billy Wilders Karriere neigte sich zum Zeitpunkt des Drehs schon ihrem Ende zu, im Anschluss an „Das Privatleben des Sherlock Holmes“ kamen nur noch vier Filme. Also wurde der Holmes-Film oft als altersmüdes Spätwerk abgetan, aber das ist er nicht. Wenn sich Sherlock Holmes nach zehn Filmminuten zur Nutte einer Balletttänzerin machen soll, sollte jedem klar werden: Dies ist der radikalste Sherlock-Holmes-Film überhaupt.

Holmes ist fasziniert

Nicht auszudenken, dem Regisseur wäre es gelungen, die von ihm gewünschte Fassung in die Kinos zu bringen. Das Universal Studio kürzte den 200-minütigen Rohschnitt auf zwei Stunden, Wilder war entsetzt, als er sah, welche Sequenzen der Schere zum Opfer gefallen waren. Einige der entfernten Szenen sind über die Jahre zwar aufgetaucht, dennoch ist es äußerst unwahrscheinlich, dass es je eine Schnittfassung geben wird, die der Vision des Regisseurs entspricht. Schade drum.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Billy Wilder haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Colin Blakely und Christopher Lee unter Schauspieler. Welche Regiearbeiten Wilders und welche Filme mit Christopher Lee fehlen euch dort noch?

Ihre Ermittlungen führen sie nach Schottland

Veröffentlichung: 9. November 2017 als Blu-ray und 2-Disc Special Edition DVD, 13. März 2009 als DVD

Länge: 125 Min. (Blu-ray), 120 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 6
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Englisch
Originaltitel: The Private Life of Sherlock Holmes
GB/USA 1970
Regie: Billy Wilder
Drehbuch: Billy Wilder, I. A. L. Diamond, nach Motiven von Arthury Conan Doyle
Besetzung: Robert Stephens, Christopher Lee, Colin Blakely, Geneviève Page, Tamara Toumanova, Clive Revill, Stanley Holloway, Peter Madden, Michael Balfour
Zusatzmaterial: Trailer, geschnittene Szenen, Interviews mit Christopher Lee und Cutter Ernest Walter, Bildergalerie
Zusatzmaterial alte DVD: keins
Vertrieb: Koch Films
Vertrieb alte DVD: Twentieth Century Fox Home Entertainment

Copyright 2016 by Simon Kyprianou

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Blu-ray-Packshot & Fotos: © 2017 Koch Films, DVD-Packshots: © Twentieth Century Fox Home Entertainment

 
 

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18 Antworten zu “Billy Wilder (II): Das Privatleben des Sherlock Holmes – Ein Director’s Cut, das wäre was

  1. Dr. Georg Ramsauer

    2018/05/30 at 13:19

    Der Film ist jedenfalls gut.

     
  2. Andreas Pigler

    2017/12/03 at 20:42

    Von Billy Wilder wäre zu nennen: „Avanti, Avanti!“ und „Küss mich, Dummkopf“. Von Christopher Lee die Fantasy-Miniserie „Gormenghast“.

     
  3. Heidi

    2017/11/28 at 18:28

    Zeugin der Anklage oder Sunset Boulevard

     
  4. Andreas Hilt

    2017/11/26 at 09:14

    Von Billy Wilder hätte ich noch gerne Frau ohne Gewissen, Lindbergh – Mein Flug über den Ozean, Zeugin der Anklage, Reporter des Satans rezensiert , von Christopher Lee im Prinzip sämtliche Hammer-Filme, Im Banne des Kalifen, Die Bäreninsel in der Hölle der Arktis, Das Haus der langen Schatten, Agent wider Willen, Verschollen im Bermuda-Dreieck.

     
  5. Michael Behr

    2017/11/25 at 22:37

    Bei Billy Wilder würde mich auch „Sunset Boulevard“ interessieren.

    Und bei Christopher Lee fehlen mir die Abstecher, die er in die deutsche Edgar Wallace-Serie unternommen hat, also „Das Geheimnis der gelben Narzissen“, „Das Rätsel der roten Orchidee“ und auch „Das Rätsel des silbernen Dreiecks“.

     
  6. Rolf

    2017/11/25 at 19:04

    Wilder: Eins, Zwei, Drei
    Lee: Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger

     
  7. Andi N

    2017/11/25 at 14:57

    kenne mich leider bei beiden ned so aus

     
  8. Ralf

    2017/11/25 at 13:06

    Billy Wilder: Etliche! Allen voran „Das Mädchen Irma la Douce“, „Frau ohne Gewissens“, „Reporter des Satans“ und „Eins, zwei, drei“.
    Christopher Lee: „Sleepy Hollow“.

     
  9. glueckspilz82

    2017/11/25 at 11:05

    Billy Wilder: Sunset Boulevard
    Ansonsten fehlt mir nix

     
  10. Dirk B.

    2017/11/24 at 22:00

    Lee ist bei Euch wirklich schon gut abgedeckt, was ich kenne hattet Ihr schon und alles Neue wird von mir begierig gelesen.
    Billy Wilder kenne ich nur die bekannten Titel im TV.

     
  11. Rico Lemberger

    2017/11/24 at 20:07

    Von Billy Wilder mag ich am ehesten noch „Reporter des Satans“. Bei Christopher Lee fallen mir noch ein paar mehr ein: „Sherlock Holmes und das Halsband des Todes“, „Der Hund von Baskerville“, „Dracula braucht frisches Blut“ und „Die Folterkammer des Dr. Fu Man Chu“.

     
  12. Melanie Wehrmann

    2017/11/24 at 13:44

    Ich würde mich sehr freuen wenn man mal etwas zu folgenden Wilders Filmen lesen würde:
    Frau ohne Gewissen und Reporter des Satans

    Von Christopher Lee habt ihr ja schon absolut tolle Filme aufgeführt. Über welche ich noch gern lesen würde, wären:
    Dracula von 1958 , Der Hund von Baskerville und die Folterkammer des Dr. Fu Man Chu

     
  13. Christoph

    2017/11/24 at 11:42

    Von Billy Wilder fehlt Sunset Boulevard (einer meiner liebsten Filme), von Christopher Lee nenne ich mal The men with the golden gun. Der Film ist zwar wie jeder Bond sexistisch, Lee ist aber trotzdem gut.

     
  14. Filmschrott

    2017/11/24 at 11:27

    Von Wilder mochte ich „The Fortune Cookie“ immer ganz gerne. Mit dem großartigen Gespann Matthau/Lemmon. Den könntet ihr mal besprechen.

    Bei Lee ist die Wahl eindeutig. „The Return Of Captain Invincible“ sollte einfach auf jedem Blog, in jedem Buch, in jeder Masterarbeit auftauchen. Leider wird es hierzulande wohl nie eine erschwingliche Heimversion geben.

     
  15. TomHorn

    2017/11/24 at 10:30

    Wie wäre es mal mit ein paar Hammer-Filmen von Lee, wie „Frankensteins Fluch“, „Dracula“, „Die Rache der Pharaonen“, „Der Hund von Baskerville“ oder „Die brennenden Augen von Schloss Bartimore“, um nur die Arbeiten des Dream-Teams zu nennen? „Das Dunkel der Nacht“, der von Lees eigener Firma produziert wurde? „Ich, Dr. Fu Manchu“, „Der Schädel des Marquis de Sade“ oder „Horror-Express“? „Gremlins 2“, „Das zweite Gesicht“? Schmeißt alle Lee-Titel in einen großen Topf und greift rein, da sieht’s hier ja sehr mager aus, der Mann hat alleine 262 Einträge in der OFDb…
    Von Wilder fehlen auf jeden Fall „Frau ohne Gewissen“, „Boulevard der Dämmerung“, „Reporter des Satans“, „Zeugin der Anklage“ und vor allem „Das Mädchen Irma la Douce“.

     
  16. Thomas

    2017/11/24 at 10:12

    Von Wilder fallen mir „Frau ohne Gewissen (1944)“ und „Zeugin der Anklage (1957)“ ein. Christopher Lee hat ja „einige“ Filme gedreht, rezensieren könnte man noch „Horror-Express (1973)“ und seine Auftritte als Saruman.

     
  17. Sebastian Graf

    2017/11/24 at 09:19

    Ich bin jetzt weder ein Billy Wilder noch ein Christopher Lee Experte und kann deswegen nicht behaupten, das mir bestimmte Filme von ihnen dort fehlen würden. Allerdings finde ich als Holmes Fan den besprochenen Film natürlich äußerst interessant, auf den sich, hier und da auch die SHERLOCK Macher, beziehen. Deswegen ist er natürlich schon Pflicht.

     
  18. fluxchris

    2017/11/24 at 08:45

    Hallo,

    Ich mag die Filme von Billy Wilder sehr. Persönlich finde ich seine Filme besser als die von Hitchcock, liegt vielleicht am Genre. „Das Apartment“ ist anscheinend geplant und definitiv mit sein bester Film! Ich hatte vor 4 Jahren „Sabrina“ einmal im Kino sehen dürfen. Ach, Audrey… Bei Christopher Lee kenne ich mich leider gar nicht aus. Gruß Christoph

     

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