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Seefeuer – Wo Ausnahmezustand Normalität ist

26 Jul

Seefeuer-Plakat

Fuocoammare

Kinostart: 28. Juli 2016

Von Volker Schönenberger

Flüchtlings-Doku // Filmpreise dienen oft der Selbstbeweihräucherung einer glitzernden Showbusiness-Welt, bisweilen sind sie jedoch auch eindeutige – und wichtige – politische Statements. Das gilt ganz sicher für den Goldenen Bären der 66. Berlinale: Die Jury unter dem Vorsitz von Meryl Streep vergab die bedeutende Trophäe 2016 an den Dokumentarfilm „Seefeuer“, der das Leben auf Lampedusa zeigt. Die italienische Insel dient seit Jahren Flüchtlingen als erste Anlaufstation, die sich von Nordafrika aus auf die lebensgefährliche Fahrt durchs Mittelmeer mit Ziel Westeuropa begeben haben.

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Samuele wird leicht seekrank

Der italienische Filmemacher Gianfranco Rosi nahm für „Seefeuer“ drei weitere Preise aus Berlin mit nach Hause: den Amnesty International Filmpreis, den Preis der ökumenischen Jury und den Leserpreis der „Berliner Morgenpost“. Obendrein erhielt er mit dem Spezialpreis einen „Friedenspreis des Deutschen Films – Die Brücke“. Verdiente Auszeichnungen für einen wichtigen Beitrag zur Flüchtlingsdebatte.

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Auf Lampedusa vertreibt er sich die Zeit

Die etwa 20 Quadratkilometer große Insel Lampedusa, zwischen Sizilien und Tunesien gelegen, gelangte seit März 2013 in den Fokus der deutschen Öffentlichkeit, als 300 von dort kommende afrikanische Flüchtlinge in Hamburg eintrafen und sich unter massiver Unterstützung der Bevölkerung zu „Lampedusa in Hamburg“ gruppierten und in verschiedenen Unterkünften eine vorläufige Bleibe fanden, darunter der St. Pauli Kirche.

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Derweil spielt sich im Mittelmeer …

Regisseur Gianfranco Rosi bleibt mit seinen Bildern auf Lampedusa und in den umliegenden Gewässern. Wir lernen Samuele kennen, einen zwölfjährigen Insulaner, der sich die Zeit damit vertreibt, mit seiner Steinschleuder auf Kakteen zu schießen. Der etwas ungelenke Junge lockert den Film bei aller gebotenen Ernsthaftigkeit ein wenig auf. Auf dem Boot wird er seekrank, also weist ihn sein Vater an, sich auf Schwimmstegen im Hafen abzuhärten. Der Arzt Pietro Bartolo berichtet von Albträumen, die er nach Erlebnissen beim Retten von Flüchtlingen bekommt. Die Sprachbarriere erweist sich bei der Behandlung seiner Patienten als Hindernis.

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… ein permanentes Drama ab

Ohne belehrenden Kommentar wirken die Bilder für sich, auch auf dramatisierende Musik verzichtet der Regisseur. Die Gegenüberstellung an sich harmloser Alltagsverrichtungen der Inselbewohner mit dem Alltagsdrama der Flüchtlinge auf See wirkt nachhaltig und braucht keine künstliche Verstärkung der Dramaturgie. Wer die humanistischen und humanitären Grundlagen in seinem Inneren mit sich trägt, versteht auch so. Filmguckern ohne menschenfreundliche Gesinnung hilft auch keine plakative Inszenierung.

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Unterkühlt und dehydriert

Immer wieder Rettungsaktionen auf See. Auch beklemmende Bilder bleiben uns nicht erspart. Wir bekommen von Seelenverkäufern gerettete Menschen zu sehen, apathisch, starr, völlig dehydriert, dem Tod näher als dem Leben. Wer überlebt, wer stirbt – es bleibt offen. Am Ende Leichen.

Recht so, Berlinale!

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Hoffnung Europa?

Länge: 108 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: Fuocoammare
IT/F 2016
Regie: Gianfranco Rosi
Drehbuch: Gianfranco Rosi
Mitwirkende: Samuele Pucillo, Pietro Bartolo, Maria Costa, Francesco Mannino, Samuele Caruana, Giuseppe Fragapane, Francesco Paterna, Mattias Cucina, Maria Signorello
Verleih: Weltkino Filmverleih GmbH

Copyright 2016 by Volker Schönenberger

Filmplakat & Trailer: © 2016 Weltkino Filmverleih GmbH, Fotos: © 2016 21 Uno Film

 

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