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Die Nacht der offenen Särge – Graf Dracula mit Pseudonym

03 Aug

Drácula contra Frankenstein

Von Volker Schönenberger

Horror // Jess Franco hatte eine Hommage an die Universal-Monster im Sinn, als er sich ab November 1971 an den Dreh von „Drácula contra Frankenstein“ machte – das deutet schon der Originaltitel an. Daher verkörpert in der Originalfassung auch Dennis Price Doktor Frankenstein, Howard Vernon gibt den Vampirfürsten Drácula. Für die deutsche Synchronisation wurden die beiden Figuren in Dr. Exorcio und Graf Sartana umgetauft – weshalb auch immer.

Angst? Schreien soll ja helfen

Der machthungrige Dr. Exorcio hat Pläne, für die er Graf Sartana benötigt. Der Vampir jedoch wurde gerade von seinem Gegner Dr. Jonathan Seward (Alberto Dalbés) getötet und als gepfählte Fledermaus in seinem eigenen Schloss zurückgelassen. Exorcio schickt die von ihm erschaffene Kreatur (Fernando Bilbao) los, ein Opfer zu besorgen. Mit dessen Blut will er Sartana zurück ins untote Leben befördern und ihn zu seinem willigen Diener machen.

Das Monster schafft ein Opfer für …

Auch an Frauenfiguren mangelt es nicht. Ihre Bedeutung beschränkt sich aber weitgehend auf das Dasein als schreiendes Opfer – mit Ausnahme der Zigeunerin Amira (Geneviève Robert), die sich als Helferin von Dr. Seward in dessen Kampf gegen Dr. Exorcio erweist.

… seinen Schöpfer Dr. Exorcio heran

Interessant, dass „Die Nacht der offenen Särge“ sehr dialogarm gerät. So muss man sich die krude Handlung zusammenreimen, was aber nicht allzu schwer fällt. Für uns Deutsche wurde immerhin noch ein Bericht von Dr. Exorcio als Stimme aus dem Off über die Bilder gelegt, die ab und zu Erläuterndes von sich gibt.

Die Gesichtsfarbe verrät: Dem Mann fehlt Blut

Fürs Heimkino mussten deutsche Jess-Franco-Fans bislang auf VHS zurückgreifen. Nun gibt es die anständig restaurierte Fassung gleich auf Blu-ray und DVD von Colosseo Film, und das in schöner Edition mit farbigem Booklet und Schuber. Für den Text des achtseitigen Booklets zeichnet Gerald Kuklinski verantwortlich, der sein Faible für Jess Franco offen zugibt, aber immerhin ehrlich genug ist, was die Bewertung von „Die Nacht der offenen Särge“ angeht: Nicht-Fans von Franco könne man den Film wohl nur als trashiges Kuriosum empfehlen. Für Fans jedoch sei er eine kleine Offenbarung. Mir hat sich die Verehrung nie erschlossen, die Fans des spanischen Vielfilmers motiviert, Franco und sein Schaffen erbittert zu verteidigen. Aber immerhin war der Gute sympathisch und mit Leidenschaft bei der Sache.

Und was sagt uns dieser Teint?

Den Luxus großer Budgets hatte Franco nie, was man auch „Die Nacht der offenen Särge“ ansieht. Wenn zum Finale das grünhäutige Monster Dr. Exorcios/Frankensteins auch noch gegen einen strubbeligen Werwolf kämpft und beide Kreaturen dabei denkbar unbeholfen agieren, ist das an unfreiwilliger Komik kaum zu überbieten. Ob es diese unfreiwillige Komik ist, die Francos Fans bei der Stange hält? Unterhaltsam ist das Treiben allemal, gruselig leider weniger. Jedenfalls kann man mir nicht vorwerfen, es mit Jess Franco nicht immer wieder versucht zu haben. Als Hommage an die Universal-Klassiker funktioniert „Die Nacht der offenen Särge“ überhaupt nicht, als trashige Unterhaltung bedingt. Ein paar nette Kulissen gibt es immerhin anzuschauen, und bevor Langeweile aufkommen kann, ist der Film auch schon vorbei. Für Jess-Franco-Fans Pflicht, für alle anderen – na ja.

Sie will auch etwas vom roten Lebenssaft abhaben

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Jess Franco sind in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet.

Und was will dieser haarige Geselle?

Veröffentlichung: 30. Juni 2017 als Blu-ray und DVD

Länge: 82 Min. (Blu-ray), 80 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Spanisch, Italienisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Drácula contra Frankenstein
Internationaler Titel: Dracula, Prisoner of Frankenstein
SP/F 1972
Regie: Jesús Franco
Drehbuch: Jesús Franco
Besetzung: Dennis Price, Howard Vernon, Paca Gabaldón, Carmen Yazalde, Alberto Dalbés, Geneviève Robert, Anne Libert, Luis Barboo, Brandy, Fernando Bilbao
Zusatzmaterial: Featurette „Die Nacht der offenen Fragen“ mit Jess Franco und Lina Romay (10:03 Min.), Frankensteins Tagebuch (1:10 Min.), Beispiele der Restauration (4:40 Min.), Galerie seltener Artworks, Booklet, Schuber, Wendecover
Vertrieb: Al!ve AG

Copyright 2017 by Volker Schönenberger
Fotos & Packshot: © 2017 Al!ve AG / Colosseo Film

 
 

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5 Antworten zu “Die Nacht der offenen Särge – Graf Dracula mit Pseudonym

  1. Hans Schulte

    2024/03/06 at 13:52

    Schon klar, daß man bei billigen B-Pictures keine zu hohen Ansprüche stellen darf, aber etwas besser dürfte es schon sein. Gerade mit klassischen

    Gruselgestalten gibt es doch etliche Werke, die es stilvoller machen.

    Völlig miserabel ist dieser trashige Film nicht, denn die eine oder andere schaurige Szene kann er schon erzeugen, nur sind alle Szenen entweder mittelmäßig oder schlecht inszeniert – es gibt also erträgliche und sehr schwache Szenen. Die Geschichte ist sehr brüchig erzählt, denn reibungslose Übergänge der Szenen und Handlungselemente, die auf einander aufbauen und dann in einander greifen, sind selten. Ein großer Nachteil, der zu genau diesem Ergebnis führt, ist, daß viel zu wenig gesprochen wird. Den Löwenanteil der Filmzeit wird überhaupt nicht geredet. Vampire gehen in Räume oder fliegen als Fledermaus rein (die Fledermaus-„Effekte“ sind okay). Es wird gebissen und gesaugt – oft aber im Halbdunkel, sodaß man relativ wenig sehen kann. Vernünftige Dialoge, welche der Handlung Schwung verleihen, gibt es nicht. Ab und zu mal Monologe des bösen Professors. Scheinbar sprachen die Schauspieler verschiedene Sprachen und es war kein Geld da, um die alle auf eine Sprache zu synchronisieren. Da hat man als Notlösung die Dialoge einfach weggelassen.

    –Übrigens wirkt der Film in seiner Dialogarmut sehr ähnlich wie der als künstlerisch überhöhte „Michael Kohlhaas“ von 2013. Und auch eine Szene, in der die Windgeräusche viel zu laut und störend sind, haben beide Filme. So dicht kann Kunstfilm am Trash sein.–

    Die Masken sind billig und schlecht gemacht. Die Vampirzähne meist zu kurz und stumpf und zu weit hinten. Dann einfach zu viel Blut in die Augen der Vampire geträufelt, was auch billig und abgeschmackt wirkt. Frankenstein ist eine Plastikschale auf’s Gesicht geklebt und dem Werwolf neben minderwertigem Fell auch etwas Lehm ins Geschicht geschmiert. Der Werwolf erinnert übrigens etwas an die Werwölfe von Paul Naschy und versucht auch sich so zu bewegen.

    Es ist ganz klar, daß dieser Jess-Franco-Film versucht auf den Zug von Naschys wilden Monster-Kämpfen aufzuspringen. Am Ende gibt es dann auch eine Zweikampf Frankenstein gegen Werwolf, der aber gar kein Ende hat – für tödliche Effekte war wohl kein Geld vorhanden. Statt die Vampire auch noch kämpfen zu lassen (der Doktor mit seinem fahrenden Volk macht gar nichts, sondern findet nur noch Skelette), kommt man auf den schwachen Einfall den bösen Professor dann seine Monster (mit denen er eigentlich die Welt beherrschen wollte) selbst töten zu lassen. Das geht kostensparender, indem er z.B. einen mit Elektro grillt.

    Wer die Naschy-Filme liebt, sei gewarnt: „Die Nacht der offenen Särge“ ist nur ein schwacher Abklatsch.

    Extrem nervig ist, wie die Frauen hier dargestellt werden. In fast jeder Szene, in der eine Frau zu sehen ist, hat sie keine Worte zu sprechen, sondern schreit oder jammert laut und unablässig – meistens eine Mischung aus beidem. Was für ein dummes und abwertendes Frauenbild hat denn dieser Film? Sich nur krampfhaft Situationen zurecht zu machen, damit die kreischen können? Irgendwelche bösen Träume, Vampirbisse, Blutentnahmen durch den Professor, Anschluß an Maschinen (deren Sinn niemand erklärt) – alles Fälle in denen Frauen in nervtötender Weise kreischen müssen. Das ist akustisch unästhetisch und oft sinnlos.

    Immerhin beißen die Vampire hier zu – mal in Menschengestalt, mal als Fledermaus. Die aus anderen Filmen geklaute Musik ist soweit passabel.

    Innerhalb des Schaffens von Jess Franco ist dies noch einer der besseren Filme, aber sein „Jack the Ripper“ ist deutlich sinnvoller, spannender und hat einen soliden filmischen Aufbau. Diese Struktur fehlt bei „Die Nacht der offenen Särge“ teilweise. Gut, daß ich ihn kostenlos aus Amazon Prime gesehen habe und nicht als DVD gekauft, denn die müsste ich schnellstens wieder verkaufen, weil Nichts dran ist, was eine Zweitsichtung rechtfertigen würde.

    Schulnote 3- bis 4+

    oder 4,5 / 10

     
  2. TomHorn

    2017/08/11 at 09:26

    Du kennst „Vampyros Lesbos“ noch gar nicht? Weiche von mir! Nein, Scherz, aber das ist DER essentielle Franco-Film der 70er; Soledad Miranda, viel nackte Haut, psychedelisch, traumwandlerisch bis ins Mark, unterlegt von einem der groovigsten Soundtracks überhaupt. Der ist ein Must-See, ohne den kann man kaum verstehen, auf was Franco in dieser Phase hinauswollte. Daneben gibt es ja auch noch einige gut gemachte, aber recht konventionelle Filme wie „Jack the Ripper – Der Dirnenmörder von London“, „X-312 – Flug zur Hölle“ oder „Im Schatten des Mörders“, Ausflüge in angesagte Genres -„Greta – Haus ohne Männer“, „Jungfrauen-Report“, „Frauengefängnis“ – und allerlei billigen Schund; Franco hat in den 70ern, keine Ahnung, so um die 80 Filme gedreht, ein gigantischer Output.

     
    • V. Beautifulmountain

      2017/08/11 at 19:55

      Ja, der Gute war ein Vielfilmer. Ich hab mir VAMPYROS LESBOS nun mal zur Sichtung und Rezension für die Horrorstrecke zu Halloween vorgenommen.

       
  3. TomHorn

    2017/08/08 at 13:30

    Ja, Schwarzeneggers Conan würde in diesem Film eine Plaudertasche vorm Herrn abgeben. Bis auf die Szenen mit dem Grafen und seiner Gespielin, dem Monster oder dem Werwolf fand ich den auch ziemlich langweilig. Du solltest mal lieber ein paar mehr Francos der 60er versuchen. Die sind nicht alle so toll wie „Lucky M. füllt alle Särge“, aber gibt gute Sachen darunter, wie „Der schrecklich Dr. Orloff“, „Das Geheimnis der Dr. Z“ oder „Die sieben Männer der Sumuru“. Auch seine beiden Fu-Manchu-Filme kann man sich gut geben.

     
    • V. Beautifulmountain

      2017/08/08 at 17:12

      Hallo Thomas,

      das sind gute Tipps, vielen Dank. DIE NACHT DER OFFENEN SÄRGE habe ich frisch rezensiert, weil es eben die Neuveröffentlichung gibt. Hab auch noch VAMPYROS LESBOS auf dem Zettel. Mal schauen, ob ich beizeiten deine Tipps angehe.

       

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