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Brian De Palma (VII): Schwarzer Engel – Obsession als „Vertigo“-Hommage

11 Aug

Obsession

Von Simon Kyprianou

Thriller // „Schwarzer Engel“ ist ein etwas unglücklicher deutscher Titel für Brian De Palmas Film, trifft der Originaltitel „Obsession“ den Ton des Thrillers doch eigentlich ideal. Dem Vernehmen nach wollten De Palma und Drehbuchautor Paul Schrader einen ganz anderen Film machen, entschieden sich aber nach einer gemeinsamen Sichtung von „Vertigo – Aus dem Reich der Toten“ (1958), dazu eine Hommage, bzw. eine bizarre Nachahmung zu drehen, die die Perversion von Hitchcocks Klassiker mit James Stewart zuerst an die Oberfläche führt und dann die Geschichte wiederholt. Deswegen passt der Originaltitel auch so gut: „Obsession“. Schon im Titel führen De Palma und Schrader zur Essenz ihres Vorbildes, weisen darauf hin, worum es gehen wird, während der Titel „Vertigo“ das Gegenteil tut und verbirgt, worum es tatsächlich geht.

Kidnapping setzt die tragische Geschichte in Gang

In „Schwarzer Engel“ geht es um den Geschäftsmann Michael Courtland (Cliff Robertson), dessen Frau Elizabeth (Geneviève Bujold) und Tochter Amy (Wanda Blackman) entführt werden. Bei der misslingenden Lösegeldübergabe wird seine Familie getötet. 15 Jahre später wird Courtland von seinem Geschäftspartner Lasalle (John Lithgow) überredet, ihn auf eine Geschäftsreise nach Florenz zu begleiten. Dort trifft er die junge Sandra, die seiner Frau zum Verwechseln ähnlich sieht.

Eine Frau wird zerstört

Regisseur Christian Petzold sagt über Hitchcocks Film: „,Vertigo‘ von Alfred Hitchcock habe ich gut 50 Mal gesehen. […] Er zeigt die Obsession, man schaut einem Perversen zu, der versucht, wieder einen hochzukriegen. Und die Frauen werden dafür zugerichtet. Mindestens 20 Mal habe ich den Film auch gehasst.“ In „Schwarzer Engel“ passiert etwa dasselbe: Ein Mann ist besessen von einer Frau und am Ende führt die Besessenheit zur Zertrümmerung der Frau.

Michaels Leben wird danach vom Tod bestimmt

De Palma hat sich für seinen Film Hitchcock-Komponisten Bernard Herrmann geholt, es ist dessen letzte Arbeit: Kurz nach Fertigstellung des Soundtracks starb er. Herrmanns Musik legt sich über den Film als eine unheimlich romantische, melodramatische Patina, eine auf den ersten Blick eigentlich unpassende, auf den zweiten Blick mit ihren waghalsigen emotionalen Untiefen den Film aber völlig begreifende Musik. Und es dreht sich ja auch alles um eine unglückliche Liebe, besser noch: um eine unmögliche Liebe. „Schwarzer Engel“ ist ohnehin viel mehr Melodram als Thriller, De Palma ist hauptsächlich daran interessiert, den schicksalshaften Strömungen der Liebe durch die Zeit nachzuspüren und mit anzusehen, wie die Wellen, die diese Liebe schlägt, den Verstand der Liebenden langsam abtragen und die Menschen nach und nach in die Tiefe bröckeln lässt.
Die wirklich wunderbare Kameraarbeit stammt vom genialen Kameramann Vilmos Zsigmond, der unter anderem auch Steven Spielbergs fantastischen Film „Unheimliche Begegnung der dritten Art“, De Palmas „Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren“, Robert Altmans „Der Tod kennt keine Wiederkehr“ und Michael Ciminos „Die durch die Hölle gehen“ bebildert hat.

Die dunklen Untiefen kommen ans Licht

Man mag „Schwarzer Engel“ ablehnen, weil er es sich anmaßt, die Dinge, die in „Vertigo“ als dunkle Untiefen stattfinden, die den Film aus der Tiefe heraus so gefährlich und kalt machen, an die Oberfläche zu führen und im Licht zu begutachten. Zwar nicht in einem kalten analytischen Laborlicht, als ein Film der die Vorlage zwanghaft erklären und analysieren will, sondern im warmen Sonnenlicht von Italien. Vermutlich sollte man aber so nicht denken, es gibt genug zu mögen an „Schwarzer Engel“: die hemmungslose Romantik, diese fantastische letzte Musik von Herrmann, das wunderbare Spiel von Geneviève Bujold, die Bilder von Zsigmond und der wenn auch etwas problematische, so doch auch kühne Ansatz von De Palma und Schrader.

Mit seinem Geschäftspartner Lasalle reist Michael nach Italien

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Brian De Palma haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit John Lithgow und Cliff Robertson unter Schauspieler.

Dort stolpert er erneut in eine von Tod überschattete Liebesgeschichte

Veröffentlichung: 25. August 2017 als Blu-ray und DVD, 7. April 2017 als Blu-ray im Mediabook, 7. Juli 2011 als DVD (Concorde Home Entertainment)

Länge: 98 Min. (Blu-ray), 94 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Italienisch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Obsession
USA 1976
Regie: Brian De Palma
Drehbuch: Paul Schrader
Besetzung: Cliff Robertson, Geneviève Bujold, John Lithgow, J. Patrick McNamara, Sylvia Kuumba Williams, Wanda Blackman, Stanley J. Reyes, Nick Kreiger, Stocker Fontelieu, Don Hood
Zusatzmaterial: keine Angabe
Vertrieb: Al!ve AG

Copyright 2017 by Simon Kyprianou

Fotos & Packshot Blu-ray: © 2017 Al!ve AG / Endless Classics, Packshot DVD: © 2011 Concorde Home Entertainment

 

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