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Das Haus der Peitschen – Frauenfolter im Knast der Moralhüterinnen

06 Sept

House of Whipcord

Von Volker Schönenberger

This film is dedicated to those who are disturbed by today’s lax moral codes and who eagerly await the return of corporal and capital punishment … (zu Beginn eingeblendete Texttafel, übersetzt: Dieser Film ist all jenen gewidmet, die sich an den lockeren Moralvorstellungen der heutigen Zeit stören, und die die Rückkehr zu Prügel- und Todesstrafe herbeisehnen …)

Mark E. Desade kann das mit den Frauen

Horrordrama // Unmittelbar nach diesen wahlweise ironisch oder bierernst zu interpretierenden Worten sehen wir eine verstörte Frau durch einen Gewittersturm irren. Ein gutmütiger Trucker nimmt sie auf. In Rückblenden entfaltet sich ihr Schicksal: Das naive französische Model Ann-Marie De Verney (Penny Irving) lässt sich nach einer Vernissage in London von dem mysteriösen Mark E. Desade (Robert Tayman) aufs Land fahren. Dort gibt er sie in die Obhut von Madame Margaret Wakehurst (Barbara Markham) – seiner Mutter, wie wir später erfahren. Die hat aus ihrem Anwesen ein illegales Zuchthaus gemacht, in dem sie vom Pfad der Tugend abgefallene junge Frauen wie Ann-Marie ihrer gerechten Strafe zuführt, die da lautet: Prügel, Peitschen – und der Galgen.

Pete Walker & Sheila Keith

Wash yourself or someone will do it for you! Unerreicht, mit welch sinistrem Blick die gestrenge Oberaufseherin Walker (Sheila Keith) Ann-Marie kurz nach ihrer Ankunft in die Schranken weist und unter die kalte Dusche zwingt. Von dieser Dame möchte wahrlich niemand im Knast beaufsichtigt werden. Die wunderbare Darstellerin Sheila Keith arbeitete fünf Mal mit Regisseur Pete Walker zusammen, darunter auch bei seiner bekanntesten und letzten Arbeit „Das Haus der langen Schatten“, einer 1983 entstandenen, liebevollen Horror-Hommage mit Vincent Price, Christopher Lee, Peter Cushing und John Carradine.

Mit Oberaufseherin Walker (l.) …

Wenn man ein Auge darüber zudrückt, dass Story und Handlungsweisen der Figuren etwas krude zusammengeschustert sind und wir es nicht gerade mit Schauspiel-Granden zu tun haben, entfaltet „Haus der Peitschen“ auf jeden Fall seinen Reiz – und das „very British“. Die Ausweglosigkeit der jungen Frauen im Gewahrsam ihrer von einem bizarren Rechtschaffenheitswahn erfüllten Peinigerinnen überträgt sich spürbar auf die Zuschauer. Obwohl es sich um das obskure Genre des Frauenknastfilms handelt, eignet sich der Filme gar nicht mal so sehr für einen Schenkelklopfer-Abend mit den Kumpels bei Bier und Chips.

… ist wahrlich nicht gut …

Etwas aufrichtiges Interesse für das britische Horrorkino schadet nicht, dann können abseitigen Erlebnissen aufgeschlossene Filmgucker an „Haus der Peitschen“ durchaus Gefallen finden, selbst wenn sie keine ausgewiesenen Exploitation-Fans sind. Dabei lohnt es sich, auf Details zu achten. Als Beispiel sei erneut auf den Lockvogel zu Beginn verwiesen: Mark E. Desade – diese Anspielung auf den französischen Adligen, nach dem der Sadismus benannt ist, kann man plump oder subtil finden, zum Schmunzeln reizt sie allemal.

… Kirschen essen

Der Film ist ein klarer Hieb gegen seinerzeit im Vereinigten Königreich die öffentliche Meinung dominierende Moralhüter, und die Ironie des Ganzen arbeitet sich dabei fast von allein heraus: Junge Frauen geraten wegen allzu offenherzigen und übersexualisierten Verhaltens in die Gewalt eben solcher Moralhüter. Auch wenn sie in „Haus der Peitschen“ außerhalb des Gesetzes agieren, wird doch deutlich, dass die gesetzestreuen Moralapostel die Zielscheibe der Kritik sind. Damit verlässt der Horrorthriller sogar die Gefilde der Exploitation – okay, ein „fast“ müssen wir einfügen, denn Frauenknastfilm bleibt doch Frauenknastfilm.

The Pete Walker Collection

Pete Walkers Filme hatten keinen verborgenen Subtext, wie er nach der Jahrtausendwende sagte. Dennoch habe er während seiner Sichtungen für einige DVD-Audiokommentare bemerkt, dass sie nicht so schlecht seien, wie er angenommen hatte. Letztlich habe er mit ihnen aber in erster Linie ein wenig Schabernack treiben wollen. Dass ihm dass gelungen ist, kann ich konstatieren, auch wenn ich bislang nur „Haus der Peitschen“ und „Das Haus der langen Schatten“ gesehen habe. Aber Abhilfe ist in Vorbereitung: „Haus der Peitschen“ bildet den Auftakt einer umfangreichen Werkschau durch Wicked-Vision Media. Das kleine Label will nahezu alle Langfilm-Regiearbeiten Pete Walkers veröffentlichen – einige weniger interessante davon eigenen Angaben zufolge eher als Bonus im Zusatzmaterial der interessanteren.

Madame Wakehurst (l.) ist unerbittlich

Das als „The Pete Walker Collection No. 1“ erschienene Mediabook mit Blu-ray und DVD lässt keine Wünsche offen. Drei Featurettes geben einen guten Einblick in Pete Walkers Schaffen und sein Umfeld, die technische Umsetzung hält das gewohnt hohe Niveau von Wicked-Vision Media. Das Label ist drauf und dran, sich in einer kleinen, aber feinen Nische behaglich einzurichten, wobei ich der guten Ordnung darauf hinweisen muss, dass ich ab und zu Wicked-Booklets lektoriere. Der sehr unterhaltsame Essay von David Renske über das Genre des Frauenknastfilms inklusive einer Auflistung nennenswerter Produktionen im Booklet dieses Mediabooks ist allerdings ohne mein kritisches Dazutun entstanden. „Haus der Peitschen“ macht große Lust auf die weiteren Teile der Pete-Walker-Reihe.

Der Galgen ist für …

Die Filme der „The Pete Walker Collection“ von Wicked-Vision-Media haben wir in unserer Rubrik Filmreihen aufgeführt, alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Pete Walker in der Rubrik Regisseure.

… junge Missetäterinnen gerade gut genug

Veröffentlichung: 7. Juli 2017 als 2-Disc Limited Collector’s Edition (Blu-ray und DVD) im Mediabook (Auflagen: Cover A 222 Exemplare, Cover B 555 Exemplare, Cover C 222 Exemplare)

Länge: 102 Min. (Blu-ray), 98 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK ungeprüft
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: House of Whipcord
GB 1974
Regie: Pete Walker
Drehbuch: David McGillivray
Besetzung: Barbara Markham, Patrick Barr, Ray Brooks, Ann Michelle, Sheila Keith, Dorothy Gordon, Robert Tayman, Ivor Salter, Jane Hayward, Celia Imrie
Zusatzmaterial: 24-seitiges Booklet von David Renske, Audiokommentar mit Regisseur Pete Walker und Biograf Prof. Steven Chibnall, Dokumentation: „Courting Controvery – Die Filme des Pete Walker“ (39 Min.), Featurette: „James Oliver über ,Das Haus der Peitschen‘“ (9 Min.), Featurette: „Sheila Keith – Eine nette alte Frau?“ (14 Min.), deutscher Trailer, Originaltrailer, deutscher VHS-Vor- und -Abspann, Bildergalerien, Werbematerial
Label/Vertrieb: Wicked-Vision Media

Copyright 2017 by Volker Schönenberger

Fotos, Packshot & Trailer: © 2017 House of Whipcord

 

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