The Front Page
Von Simon Kyprianou
Komödie // Billy Wilders drittletzte Regiearbeit ist die dritte filmische Bearbeitung des Theaterstücks „The Front Page“ von Ben Hecht und Charles MacArthur. Die bekannteste Leinwand-Adaption dürfte Howard Hawks’ „His Girl Friday – Sein Mädchen für besondere Fälle“ von 1940 darstellen. Im Gegensatz zu Hawks’ Film, der den Schlagabtausch der Geschlechter – der natürlich in der Liebe mündet – in den Mittelpunkt der Erzählung stellt, konzentriert sich Billy Wilders Film darauf, die sensationsgierigen, amoralischen Machenschaften der Presse und die von Korruption und Inkompetenz geprägten Machtverhältnisse offenzulegen. Aus Hildegard Johnson im Original wird bei Wilder Hildebrand Johnson (Jack Lemmon), genau wie sein weibliches Pendant ein knallharter und hervorragender Sensationsreporter, der seinem Chef Walter Burns (Walter Matthau) seine Kündigung wegen der bevorstehenden Eheschließung mit seiner Freundin Peggy (Susan Sarandon) eröffnet. Burns ist damit alles andere als zufrieden und sabotiert die Heiratspläne, wo er nur kann, denn er braucht „Hildy“, der für seine Zeitung von einer bevorstehenden Hinrichtung schreiben soll.
Bei Wilder tritt der Beziehungsaspekt tatsächlich fast völlig in den Hintergrund. Man hätte ja vielleicht erwarten können, er impliziere eine homoerotische Spannung zwischen den beiden Protagonisten, aber nichts dergleichen ist zu finden. Bei Wilder aber rückt der Verurteilte mehr in den Mittelpunkt, die reißerische Arbeit der Journalisten und die korrupten Verflechtungen von Polizei und Regierung stehen im Blickpunkt. Angelegt in den späten 20er-Jahren, erzählt Wilder damit natürlich über diese Zeit hinaus, auch in die damalige journalistische Gegenwart der von Spannungen gezeichneten amerikanischen 70er hinein.
Dynamisches Spiel vom Dream-Team Lemmon und Matthau
Inszenatorisch unterscheidet sich „Extrablatt“ weniger vom großen Vorbild Hawks: Jack Lemmon und Walter Matthau spielen genauso angespannt, druckvoll und dynamisch wie Cary Grant und Rosalind Russell, die Dialoge sind genauso schnell und pointiert und werden selten normal gesprochen, meist geschrien und geblafft. Sie sind genauso dynamisch beziehungsweise gestisch, es wirkt mehr wie ein körperlicher Schlagabtausch als lediglich ein verbaler. Der jungen Susan Sarandon gelingt ein starker Eindruck in ihrer eigentlich tragischen Rolle als ständig ignorierte Freundin, die den Kampf um Hildebrands Herz gegen Walter Burns mehr und mehr verliert.
Auch wenn die erste Hälfte des Films etwas angestrengt wirkt und Wilder das Durcheinander nur mühevoll in Gang bringt, findet „Extrablatt“ danach doch noch in einem dynamischen Tempo ins Chaos hinein – von dem Zeitpunkt an ist es wirklich großartig.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Billy Wilder sind in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Susan Sarandon in der Rubrik Schauspielerinnen, Filme mit Jack Lemmon und Walter Matthau unter Schauspieler.
Veröffentlichung: 22. Februar 2018 als Blu-ray und DVD
Länge: 105 Min. (Blu-ray), 101 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: The Front Page
USA 1974
Regie: Billy Wilder
Drehbuch: Billy Wilder, I. A. L. Diamond, nach einem Bühnenstück von Ben Hecht und Charles MacArthur
Besetzung: Jack Lemmon, Walter Matthau, Susan Sarandon, Vincent Gardenia, Charles Durning, David Wayne, Allen Garfield, Austin Pendleton, Herb Edelman, Harold Gould
Zusatzmaterial: Trailer, Interview mit Regisseur Billy Wilder, Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
Vertrieb: Koch Films
Copyright 2018 by Simon Kyprianou
Fotos & Packshot: © 2018 Koch Films
Stepnwolf
2018/03/03 at 12:25
Den hab ich bisher nicht gesehen. Ich kenne nur die bereits extrem gute Howard Hawks Version.