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Friedhof der Kuscheltiere (1989) – Wenn Liebe über Vernunft siegt

31 Mär

Pet Sematary

Von Lucas Knabe

Der folgende Text enthält Spoiler.

Horror // Der kleine Gage (Miko Hughes) rennt der Schnur seines Drachens hinterher, ohne zu bemerken, dass er dabei die Fahrbahn der Landstraße vor dem Grundstück betritt. In diesem Moment biegt ein Truck mit hohem Tempo um die Kurve, geradewegs auf Gage zu, der Fahrer aufgepeitscht von „Sheena Is a Punk Rocker“ der Ramones und daher unaufmerksam. Gages Vater Louis (Dale Midkiff) stürmt schreiend zur Straße, um seinen Sohn zu retten. Doch zu spät – ein blutüberströmter Kinderschuh kullert über den Asphalt. Der Tod des eigenen Kinde dürfte für Eltern den härtesten Schlag darstellen. Dieses Schicksal bekommt an jenem Tag die Familie Creed erbarmungslos zu spüren. Das Leben verlangt von ihnen, das unwiderrufliche Martyrium zu akzeptieren, da kein Weg aus dem Tod zurückführt. Oder etwa doch?

Kater Church spaziert über den Tierfriedhof

Die Familie Creed, bestehend aus Vater Louis, Mutter Rachel (Denise Crosby), Tochter Ellie (Blaze Berdahl), Sohn Gage und Kater Winston Churchill, kurz Church, zieht auf ein idyllisches Grundstück nahe der Stadt Ludlow in Maine. Bald schließen die Neuankömmlinge Bekanntschaft mit ihrem Nachbar Jud Crandall (Fred Gwynne), welcher auf der anderen Straßenseite wohnt. Er informiert die Creeds über die von schweren Trucks stark befahrene Straße und verspricht ihnen, sie darüber aufzuklären, was es mit dem Weg auf sich hat, der vom Grundstück der Creeds in den Wald führt. Nach kurzer Zeit des Einlebens unternehmen Jud und die Familie eine Wanderung zum Ziel des verwunschenen Weges, welches sich als ein alter Tierfriedhof herausstellt, der den überfahrenen Haustieren von Ludlow eine letzte Ruhestätte bietet.

Warnung eines Toten

Kurz darauf ereignet sich eine mysteriöse Begebenheit: Louis Creed, der eine Anstellung als Arzt auf der Krankenstation der örtlichen Universität angenommen hat, behandelt den bei einem Unfall tödlich verletzten Schüler Victor Pascow (Brad Greenquist), der mit letztem Atem etwas zu Louis flüstert. In der darauffolgenden Nacht wird Louis vom Geist Pascows heimgesucht. Er führt ihn zum hiesigen Tierfriedhof und warnt eindringlich vor dem, was sich dahinter befindet.

Jud Crandall schwant Böses

Als Rachel eines Tages mit den Kindern ihre Eltern besucht, wird Kater Church überfahren. Um Ellie nicht das Herz zu brechen, führt Jud Louis zu einer alten Begräbnisstätte der Micmac-Indianer jenseits des Tierfriedhofs. Auf Juds Anweisung hin begräbt Louis den Kater inmitten der Stätte. Am nächsten Morgen erscheint der Kater wie durch ein Wunder nahezu unversehrt wieder auf dem Grundstück der Creeds, jedoch hat sich das Wesen des einstigen Stubentigers zu etwas Bösem und Sonderbarem gewandelt. Als nach diesem ersten Schrecken auch noch Nesthäkchen Gage totgefahren wird, kennen Liebe, Tod und Wahnsinn der Familie keine Grenzen mehr.

Gemischte Standpunkte

Anlässlich der am 4. April in den deutschen Kinos startenden Neuverfilmung fragte mich Blogbetreiber Volker, ob ich Lust hätte, mich der ersten Adaption von Stephen Kings 1983 veröffentlichtem Roman „Friedhof der Kuscheltiere“ („Pet Sematary“) zu widmen. Dem komme ich gern nach. Die gespaltene Rezeption des Films der auf Musikvideos spezialisierten Regisseurin Mary Lambert rangiert in den vergangenen Jahren zwischen „grottig“ und „großartig“ – das zeigt schon, dass er viele Erwartungen erfüllt und gleichermaßen offenlässt. Auf der einen Seite gibt es die Verfechter der Romanvorlage, Gorehounds und Realisten, welche den Film als albern und oberflächlich verteufeln, auf der anderen Seite halten Fans, Feingeister und Romantiker dagegen, indem sie die Zwischenmenschlichkeit und die Botschaften des Films betonen. Bei aller Kritik zählt Lamberts Regiearbeit, zu welcher Stephen King selbst das Drehbuch beisteuerte, zu den erfolgreichsten Kino-Umsetzungen der Romane des Horror-Großmeisters. Drei Jahre später inszenierte Lambert auch die Fortsetzung „Friedhof der Kuscheltiere 2“.

Ein liebevoller Vater

In technischer Hinsicht kann „Friedhof der Kuscheltiere“ (1989) sein Alter von 30 Jahren nicht leugnen. Zwar reihen sich die Effekte und Maske in den Standard der 80er-Jahre ein, jedoch kommt ab und zu ein unterschwelliges „X-Factor“-Feeling auf. Die Kameraarbeit wirkt eher unauffällig und wagt keine großartigen Experimente, lediglich das „Wegschauen“ der Kamera bei brutalen Schlüsselszenen, sodass der Ton die Vorstellung des Ergebnisses anregt, erinnert an große Klassiker der Filmgeschichte. Gegen Ende wird durch viele Schnitte versucht, die Dynamik und Spannung hochzuhalten, allerdings verfehlt die damals noch junge Garde der Jump-Scares ihre Wirkung. Eine Stärke ist der Score, der durch aufheulende Geigen und Kinderchöre an Charles Bernstein („Nightmare – Mörderische Träume“) und Joseph Bishara („Insidious“) erinnert, welche dem Film zu einem düsteren und mysteriösen Naturell verhelfen. Daneben gelingt es mittels unterschiedlicher Lautstärken, den Schrecken mancher Szenen zu intensivieren, beispielsweise beim lauten Hupen und Motor-Brummen der Trucks, bei den Schreien der Protagonisten und ganz banalen Geräuschen wie dem Zirpen von Grillen. Die detaillierten Schauplätze, welche sich größtenteils auf vier Orte beschränken, dienen der Handlung als atmosphärische Kulisse und versprühen durch ihr angestaubtes Antlitz einen nostalgischen Charme. Ebenso bieten sie dem überschaubaren Ensemble eine atmosphärische Bühne, um die kompakte Handlung voranzutragen.

Familienvater Louis im Zentrum des Geschehens

Die große Stärke des Films liegt in seiner Figurenzeichnung und den darin verwobenen Botschaften, welche sich während der Handlung entfalten. Spätestens nach der ausführlichen Exposition wird deutlich, dass der Familienvater Louis im Zentrum der Handlung steht, der versucht, die Menschen, die er liebt, um jeden Preis vor Unheil zu bewahren. Freilich driftet der Film im letzten Viertel in einen spannenden und brutalen Splatter-Streifen ab, wodurch dem Schrecken und Grusel auf der Mattscheibe mehr Zeit gegeben wird, als notwendig wäre, um die damals wie heute relevante Botschaft zu verkünden.

„Friedhof der Kuscheltiere“ (1989) will den Tod und die Verarbeitung dessen innerhalb einer Familie mithilfe einer populären Darstellungsform thematisieren. Somit verzahnt sich die Ebene der Gefühle und der daraus resultierenden Handlungen innerhalb des Familienverbands mit den Konventionen und fantastischen Stilmitteln eines Horrorfilms – in erster Instanz Horrorfilm, in zweiter Familiendrama. Hoffnung, Fantasie und bittere Realität verbinden sich zu einer nur allzu realen Verarbeitung von Liebe und Tod. Durch diese Tatsache gewinnt auch das oft genannte Sprichwort „Der Acker im Herzen eines Mannes ist steiniger …“ an enormer Bedeutung. Denn selbst ein Arzt wie Louis Creed, der berufsbedingt ständig mit dem Tod konfrontiert wird und dadurch psychische Mechanismen entwickelt hat, um den Tod fremder Menschen unbelastet zu verarbeiten, findet sich in ungeahnter Trunkenheit von Trauer wieder, wenn es die eigene Familie betrifft. Selbst der Acker des steinernen Herzens eines Arztes ist verletzlich, wenn es um jene geht, die man liebt. Der Film entwickelt aus dieser These ein Worst-Case-Szenario, in welchem Lastkraftwagen als rasende Guillotinen fungieren und Tote als Tobsüchtige wieder auferstehen. Die Leidtragenden finden sich in diesem Gefüge in einem moralischen Kampf wieder, der für Akzeptanz mahnt, aber Unvernunft und Leichtsinn erzeugt.

In voller Pracht verfügbar

Von 1990 bis 2003 befand sich der Film auf dem Index. 2013 ließ ihn Paramount erneut von der FSK prüfen, sodass die Altersfreigabe von 18 auf 16 Jahre heruntergestuft wurde – eine richtige Entscheidung. Schon die damalige Indizierung war unverständlich, und nach heutigen Maßstäben kann ausgeschlossen werden, dass „Friedhof der Kuscheltiere“ bei fast erwachsenen Jugendlichen zu seelischen Schäden führt. Dafür ist das Werk doch zu sehr dem Mainstream-Horror verhaftet.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Stephen-King-Adaptionen sind in unserer Rubrik Filmreihen aufgeführt.

Veröffentlichung: 28. März 2019 als 4K Ultra HD (inklusive Blu-ray), Blu-ray im Steelbook und Blu-ray, 21. November 2016 als Blu-ray im Mediabook (84 Entertainment), 3. Januar 2014 und 10. Oktober 2002 als DVD

Länge: 103 Min. (Blu-ray), 98 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch u. a.
Untertitel: Deutsch, Englisch u. a.
Originaltitel: Pet Sematary
USA 1989
Regie: Mary Lambert
Drehbuch: Stephen King, nach seinem eigenen Roman
Besetzung: Dale Midkiff, Denise Crosby, Fred Gwynne, Brad Greenquist, Michael Lombard, Miko Hughes, Blaze Berdahl, Susan Blommaert
Zusatzmaterial: keine Angabe
Label/Vertrieb: Paramount Home Entertainment

Copyright 2019 by Lucas Knabe

Szenenfotos & Packshots DVD und 2019er-Blu-rays: © Paramount Home Entertainment

 

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