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Das Licht am Ende der Welt – Kirk Douglas gegen alle

02 Sept

The Light at the Edge of the World

Von Lucas Gröning

Abenteuer // Der 1828 im französischen Nantes geborene Jules Verne gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Mit zahlreichen Beiträgen zur Weltliteratur, allen voran den Werken „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ (1864), „20.000 Meilen unter dem Meer“ (1869–70) und „Reise um die Welt in 80 Tagen“ (1873) schuf sich der Franzose ein Denkmal – er zählt zu den Begründern der Science-Fiction-Literatur. Nach seinem Tod im Jahr 1905 wurde ein letzter Roman des Autors veröffentlicht, wenn auch durch dessen Sohn Michael Verne stark überarbeitet. Das 1906 erschienene Werk trägt den Titel „Le Phare du bout du monde“, zu deutsch „Der Leuchtturm am Ende der Welt“. Der Roman verhandelt den Überfall eines Leuchtturms auf der argentinischen Insel „Isla de los Estados“ durch eine Bande von Piraten. 65 Jahre später, im Jahr 1971, folgte eine Verfilmung des Stoffes unter dem Namen „Das Licht am Ende der Welt“. Regie führte der Engländer Kevin Billington („The Rise and Rise of Michael Rimmer“, „Verletzte Gefühle“), der sich vor allem mit TV-Produktionen einen Namen gemacht hat. Die Hauptrollen des Films wurden mit zwei absoluten Stars des damaligen Hollywood-Kinos besetzt. Zum einen Golden-Globe-Preisträger Kirk Douglas („Vincent van Gogh – Ein Leben in Leidenschaft“, „Spartacus“) und zum anderen Oscar-Gewinner Yul Brynner („Der König und ich“, „Die glorreichen Sieben“). Was das Potenzial der Darsteller angeht, gibt es also schon mal schlechtere Voraussetzungen, um einen hervorragenden Film abzuliefern. Was der Film neben fantastischen Schauspielern hinaus noch bietet und woran er am Ende dann doch leider krankt, will ich im vorliegenden Text darstellen.

Die Leuchtturmwärter rund um Captain Moriz gehen zunächst wie üblich ihrer Arbeit nach …

Kommen wir zunächst zum Plot: Wir schreiben das Jahr 1865. Die Leuchtturmwärter Will Denton (Kirk Douglas), Captain Moriz (Fernando Rey) und der junge Felipe (Massimo Ranieri) leben auf der (fiktiven) Insel „Rocky Island“. Besonders für Will Denton bietet die Insel einen wichtigen Ort, an dem er sich von der restlichen Welt isolieren kann. Einige Jahre zuvor, inmitten des kalifornischen Goldrausches, verliebte sich die Frau seines Herzens unglücklicherweise in einen anderen Mann. Bei einem gemeinsamen Pokerspiel mit jenem Mann, bei dem dieser sehr viel Geld verlor, erschoss Will den Liebhaber seiner Herzensdame in einem Akt der Notwehr, seitdem wird er fälschlicherweise von der Justiz verfolgt. Will beschloss, dem Leben in der Zivilisation den Rücken zu kehren und ein einfaches, aber idyllisches Dasein als Leuchtturmwärter zu führen.

Die Idylle wird jedoch eines Tages unvermittelt zerstört, als ein Schiff vor der Küste der Insel anlegt. Bei einer Untersuchung des Schiffes werden die anderen beiden Wärter, Moriz und Felipe, von der Crew brutal ermordet. Es stellt sich heraus, dass es sich bei der Besatzung des Schiffes um sadistische Piraten unter ihrem Kapitän Kongre (Yul Brynner) handelt, die die Insel erobern und den Leuchtturm dazu benutzen wollen, ahnungslose Seeleute in ihre Fänge zu treiben. Will schafft es zunächst zu fliehen und er bereitet sich von einer Schlucht aus auf den Gegenschlag vor, um die Invasoren zu vertreiben. Es dauert nicht lange, bis das erste vorbeifahrende Schiff der Täuschung durch den Leuchtturm erliegt und an der Insel anlegt. Mit an Bord: Die schöne Arabella (Samantha Egger), die Dentons einstiger Liebe zum Verwechseln ähnlich sieht.

Eine Geschichte von Gut und Böse

Die Story ist dabei recht geradlinig durcherzählt und hält sich nie lange mit Nebensächlichkeiten auf. Selbst kleine Randnotizen, die zu Beginn Erwähnung finden und auf den Zuschauer zunächst redundant wirken, werden im späteren Verlauf aufgegriffen und erhalten wichtige Bedeutungen. Somit kann man von einer gut strukturierten Geschichte sprechen, die das Potential hat, Spannung aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Warum das trotzdem nur in Ansätzen gelingt, soll später erläutert werden. Fahren wir zunächst mit den Motiven fort: Davon bietet das Abenteuer eine Vielzahl, genau wie viele Fragen beispielsweise um das Thema Religion. Im Zentrum der Geschichte steht dabei der Kampf zwischen Gut und Böse. Captain Moriz sagt an einer Stelle, für viele Seefahrer sei das Erblicken des Leuchtturms gleichzusetzen mit dem Erblicken Gottes, also der Verkörperung des absolut Guten im christlichen Sinne. Diesem „Guten“ wird eine sadistische Piratencrew als Verkörperung des Bösen entgegengestellt.

… doch wenig später überfallen Piraten den Leuchtturm

Die Seeräuber zeichnen sich dabei nicht nur durch ihre bösartigen Taten aus, sondern auch durch ihre Grausamkeit. So werden nahezu sämtliche ihrer Handlungen von diabolischem Grinsen oder Lachen begleitet, womit der reine Genuss an der größtenteils sinnlosen Gewalt zum Ausdruck gebracht wird. Leider wird dieser Aspekt zu selten durch schockierende Bilder unterstützt. Beim Sichten des Filmes habe ich, an einer recht frühen Stelle, genau ein Bild gesehen, das mich für einen kurzen Moment ein klein wenig geschockt und sprachlos zurückließ. Dieser Moment funktionierte zum einen im Kontext zum bis dato Gesehenen, zum anderen durch das Überraschungsmoment, und zu guter Letzt durch die hier verwendete Bildästhetik. Plötzlich saß ich wie gefesselt im Stuhl und war gespannt auf nächste Momente dieser Art – doch es kamen keine. So viel sich der Film in dieser einen Szene getraut hatte, so wenig traute er sich leider in der Folge. Einen ähnlichen Moment gab es zwar an späterer Stelle noch einmal, durch die hohe Vorhersehbarkeit entstand hier jedoch nicht im Ansatz die Wirkung der vorangegangenen Szene.

Hinfort mit der Logik

Der fehlende Mut zu mehr schockierenden Bildern dieser Art bleibt dabei leider nicht die einzige Schwäche des Films. An viel zu vielen Stellen offenbaren sich krasse Logiklücken, die die meisten Zuschauer irritiert zurücklassen dürften. Warum beispielsweise Denton auf einem offenen Felsen, umzingelt von der gesamten Piratencrew, fliehen kann, ohne dass ihn jemand, mit Ausnahme von Oberbösewicht Kongre verfolgt, bleibt das Geheimnis von Drehbuchautor Tom Rowe oder Regisseur Kevin Billington. Auch wenn sich Denton später, für alle eigentlich klar sichtbar, hinter einem Felsen versteckt und von keinem aus einer Kolonne vorbeiziehender Seeäuber entdeckt wird, kommen einige Fragen auf. Überhaupt hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte an vielen Stellen zu sehr vom Zufall gelenkt und vorangetrieben wird. Das kann man im Sinne einer christlich-religiösen Interpretation zwar als göttliche Fügung betrachten, eher kommt jedoch der Verdacht auf, dass sich die Verantwortlichen an diesen Stellen zu wenige Gedanken um einen sinnvollen Vortrag der Geschichte gemacht haben. Das geht leider zu Lasten der Spannung in einer ansonsten dramaturgisch recht gut aufbereiteten Story. Um die Spannung während des Films trotzdem zu gewährleisten, setzt „Das Licht am Ende der Welt“ auf häufig eingesetzte musikalische Untermalung. In Passagen, in denen Denton beispielsweise vor einer Horde Piraten flieht oder in denen er in den Erinnerungen an seine ehemalige Geliebte schwelgt, tragen diese spürbar und sinnvoll zur Unterstützung der Szenen bei. An anderen Stellen, beispielsweise der ersten Begegnung zwischen Denton und Kongre, wirken sie jedoch deplatziert und aufgesetzt.

Man könnte an „Das Licht am Ende der Welt“ noch viel kritisieren. Ein Großteil der Dialoge wirkt hölzern und viele Handlungen von Denton und anderen sind nur schwer nachvollziehbar. Häufig sind die Szenen nicht ansatzweise so gut geschrieben und inszeniert, dass sie das große Potential ausnutzen könnten, das man mit den Darstellern rund um Kirk Douglas und Yul Brynner am Set hatte. Zusätzlich ist festzustellen, dass beide ebenfalls nicht ihre besten Leistungen abgeliefert haben. Das alles ist sehr schade, verfügt der Stoff doch über großes Potenzial und man kann sich durchaus ausmalen, was „Das Licht am Ende der Welt“ für ein toller Film hätte werden können. Was bleibt, ist ein Abenteuer, das in der Lage ist, für kurzweilige Unterhaltung zu sorgen und dabei durchaus Spaß zu machen, wenn auch teilweise unfreiwillig.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Yul Brynner und Kirk Douglas sind in unserer Rubrik Schauspieler aufgeführt.

Nur selten nehmen die Seeräuber Gefangene

Veröffentlichung: 9. August 2019 als DVD

Länge: 123 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: The Light at the Edge of the World
USA/SP/LIE 1971
Regie: Kevin Billington
Drehbuch: Tom Rowe, nach dem Roman „Der Leuchtturm am Ende der Welt“ von Jules Verne
Besetzung: Kirk Douglas, Yul Brynner, Samantha Egar, Jean-Claude Drouot, Fernando Rey, Renato Salvatori, Massimo Ranieri, Aldo Sambrell, Tito García, Víctor Israel, Antonio Rebollo, Luis Barboo, Tony Cyrus, Raul Castro, Oscar Davis
Zusatzmaterial: Wendecover, Trailershow
Label: Pidax Film
Vertrieb: Studio Hamburg Enterprises

Copyright 2019 by Lucas Gröning
Szenenfotos: © 2019 Pidax Film

 

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