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Horror für Halloween (XVI): Class of Nuke ’em High – Neben dem Kernkraftwerk geht’s rund

08 Okt

Class of Nuke ’em High

Von Volker Schönenberger

Horrorkomödie // Manche Cineasten rümpfen die Nase, aber unter Trash- und Exploitationfans genießt die im Staat New York ansässige Independent-Filmschmiede Troma Entertainment Kultstatus – und das ausgelutschte „Kult“ ist hier einmal berechtigt. Das Unternehmen wurde 1974 von den Produzenten und Regisseuren Lloyd Kaufman und Michael Herz gegründet, gehört. Zu den bekanntesten Werken aus dem Hause Troma gehört „Atomic Hero“ („The Toxic Avenger“, 1985) um einen chronischen Loser, der aufgrund radioaktiver Verseuchung zum Superhelden mutiert. Auch die ein Jahr später entstandene Horrorkomödie „Class of Nuke ’em High“ thematisiert die Bedrohung durch nukleare Kontamination. Es war die Zeit, in welcher der Reaktorunfall im Kernkraftwerk Three Mile Island in Pennsylvania im März 1979 und die
Nuklearkatastrophe von Tschernobyl im April 1986 der Welt die Gefahren der Nutzung der Kernkraft vor Augen führten, was sich zwangsläufig auch im Film niederschlug, und das eben nicht nur in ernsthaften Dramen wie „Das China-Syndrom“ („The China Syndrome“, 1979), sondern auch in der Exploitation. Für „Class of Nuke ’em High“ setzte sich Troma-Gründer Kaufman einmal mehr selbst auf den Regiestuhl, den er sich in diesem Fall mit Richard W. Haines teilte.

It could contaminate the whole town.

That’s not so bad.

Hm – ob „Halb so wild“ die passende Antwort auf die Befürchtung ist, dass die ganze Stadt radioaktiv verseucht werden könnte? Im Kernkraftwerk von Tromaville (!) in New Jersey kommt es zu einem nuklearen Zwischenfall. Einem Bedenkenträger erwidert Kraftwerks-Leiter Finley (Pat Ryan) unwirsch: I don’t give a wet fart what you think. („Ich gebe einen feuchten Furz darauf, was Sie denken“.) Derlei Dialoge geben von Anfang an den derben Ton von „Class of Nuke ’em High“ vor.

Mikrowellen sind gefährlich!

Die in unmittelbarer Nähe des Kraftwerks gelegene Highschool von Tromaville bekommt die Auswirkung des radioaktiven Lecks umgehend zu spüren: Als ein Schüler verseuchtes Wasser trinkt, erleidet er daraufhin einen grausamen Tod. Finley lenkt von seiner Anlage ab, indem er darauf hinweist, der Schüler habe daheim gleich zwei Mikrowellenöfen (!) stehen.

Die vormaligen Mitglieder der „Honour Society“ der Highschool sind bereits vor einiger Zeit zu aufmüpfigen und brutalen Punks mutiert – Folge der Nähe zum Kernkraftwerk? Jedenfalls terrorisiert die Gang, die sich passenderweise „Cretins“ nennt, seitdem ihre Mitschüler. Ein Kraftwerksarbeiter verkauft ihnen Marihuana, das er auf dem Werksgelände anbaut. Super Idee: Die „Cretins“ verkaufen die Joints als „Atomic High“ weiter. Vielleicht aber doch keine so super Idee …

„Class of Nuke ’em High“ bedient ein paar Klischees aus Highschool-Szenarien von Teenie-Komödien, das aber auf dermaßen überkandidelte Weise, dass es eine wahre Freude ist. Das geht selbstverständlich mit eher laienhafter Schauspielkunst einher. Zwar haben einige spätere Stars wie Kevin Costner und Samuel L. Jackson in der Frühzeit ihrer Karrieren in Troma-Produktionen mitgewirkt, hier jedoch tritt niemand in Erscheinung, den wir später in prominenteren Rollen bemerkt hätten.

Verstrahlung kann sonderbare Folgen haben

Zwar sind die Auswirkungen nuklearer Kontamination bis hin zur Strahlenkrankheit und zum Tod weitgehend bekannt, das muss im Trash-Sektor aber niemanden hindern, hemmungslos bizarre Mutationen, derbste Hautausschläge und fiese Wesensveränderungen herbeizufantasieren. In „Class of Nuke ’em High“ ist all dies zu beobachten. Die Schülerinnen und Schüler – ob verstrahlt oder nicht – rennen bisweilen wie aufgescheuchte Hühner durch die Gegend. Und wenn das gerade erst geborene Monster zügig zu stattlicher Größe herangewachsen ist, kennt das ausgelassene und tödliche Treiben endgültig kein Halten mehr.

„Class of Nuke ’em High“ hatte einige Fortsetzungen zur Folge, die ich nicht gesehen habe. Es gibt ohnehin zu viele Filme, ich muss mir nicht jedes Franchise vollständig zu Gemüte führen. Vermutlich sind die Sequels ähnlich überdreht wie der Erstling, der seinen Kultstatus als Troma-Highlight und Exploitation- und Trash-Klassiker völlig zu Recht genießt. 1992 indiziert, wurde der Streifen 2016 von der Liste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien gestrichen. Neuveröffentlichungen lassen aber auf sich warten. Ob die zuvor erschienenen ungeprüften Hartboxen und Mediabooks von ’84 Entertainment zu erschwinglichen Preisen lieferbar sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Mir reicht meine 2-Disc Edition mit Blu-ray und DVD aus dem englischen Hause Arrow Video, die in puncto Bild- und Tonqualität sowie Bonusmaterial gewohnt vorbildlich abgeliefert hat und im Booklet einen interessanten Text über den Troma-Gründer Lloyd Kaufman enthält.

Veröffentlichung: 14. Mai 2012 als DVD in limitierter kleiner und großer Hartbox (je drei Covervarianten), 23. September 2015 als limitiertes 3-Disc Ultimate Edition Mediabook (Blu-ray & 2 DVDs) und als Blu-ray in limitierter großer Hartbox (zwei Covervarianten)

Länge: 85 Min. (Blu-ray), 82 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK ungeprüft
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Class of Nuke ’em High
USA 1986
Regie: Richard W. Haines, Lloyd Kaufman (als Samuel Weil)
Drehbuch: Richard W. Haines, Mark Rudnitsky, Lloyd Kaufman, Stuart Strutin
Besetzung: Janelle Brady, Gil Brenton, Robert Prichard, Pat Ryan, James Nugent Vernon, Brad Dunker, Gary Schneider, Théo Cohan, Gary Rosenblatt, Mary Taylor, Anthony Ventola, Arthur Lorenz, Lauren Heather McMahon
Zusatzmaterial u. a.: Audiokommentar mit Lloyd Kaufman, Originaltrailer, Vollbild-Fassung, Interviews mit den Darstellern, entfernte Szenen, „Der Mann der das AKW baute“, Artworks & Photos, Tromavilla-Cafe: Highschool Losers, Aroma du Troma, PSA: Gratis & Geil, nur Blu-ray und Mediabook: Audiokommentar mit Kai Naumann und Marcel Barion, Kurzfilm „Tannenberg“ (Regie: Danilo Vogt, 15 Min.), nur Mediabook: 12-seitiges Booklet mit einem Text von Ivo Ritzer
Label/Vertrieb: ’84 Entertainment

Copyright 2019 by Volker Schönenberger

 

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