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Horror für Halloween (VII): Evilspeak – Der Teufelsschrei: Satan hilft dem Mobbing-Opfer

27 Sept

Evilspeak

Von Volker Schönenberger

Horror // Irgendwann im Mittelalter an einem Strand in Spanien: Der abtrünnige Priester Lorenzo Esteban (Richard Moll) wird von einem Kirchenoberen des Landes verwiesen, weil er Satan anbetet. Mit seinen Jüngern vollzieht er kurz nach seiner Ankunft an der nordamerikanischen Küste ein teuflisches Ritual, das eine bedauernswerte Schönheit den Kopf kostet.

Der traurige Kadett Stanley Coopersmith

Schnitt in die US-amerikanische Gegenwart der frühen 1980er-Jahre: Kadett Stanley Coopersmith (Clint Howard) hat es schwer an der Militärakademie von West Andover. Als Vollwaise ist er mittels eines Förderprogramms an die Einrichtung gekommen, weshalb seine Mitschüler aus gutem Hause ihn mit Verachtung und Spott strafen. Der Sportlichste ist er auch nicht gerade, was ihn nach einem verlorenen Fußballspiel zur Zielscheibe der anderen macht. Besonders der arrogante Bubba Caldwell (Don Stark) und dessen Entourage machen Stanley das Leben zur Hölle. Auch das erwachsene Personal hat nicht viel für den linkischen jungen Mann übrig. Der Anstaltsleiter Colonel Kincaid (Charles Tyner) züchtigt ihn sogar körperlich. Lediglich Stanleys Mitschüler Kowalski (Haywood Nelson) unterstützt ihn, so gut es geht.

Stanley (l.) wird selbst vom Leiter Colonel Kincaid gedemütigt

Während eines Aufräum-Strafdienstes im Keller der Kapelle entdeckt Stanley einen verborgenen Raum und findet darin Habseligkeiten Pater Estebans, darunter dessen in Latein verfasste Schriften. Da der junge Mann den Schulcomputer versiert bedienen kann, beginnt er, die Texte am Rechner zu übersetzen. In dem Kellerraum versteckt er obendrein den Hundewelpen, den ihm der gutmütige Mensa-Koch Jake (Lenny Montana) überlassen hat. Der Vierbeiner entgeht auch dem Blick des anscheinend im Keller hausenden und ständig besoffenen Hausmeisters Sarge (R. G. Armstrong). Nach Fortschritten bei der Übersetzung und ein paar „glücklichen“ Umständen gelingt es Stanley, die Arbeit zu vollenden und zu erfahren, wie er eine Schwarze Messe abhält. Als Bubba Caldwell eine ruchlose Tat begeht, beschwört der gepeinigte Kadett Satan …

Mobbing, bis das Maß voll ist

Mobbing – der in der tierischen Verhaltensforschung der 1960er-Jahre geprägte Begriff war in den 1980ern noch nicht allzu verbreitet. Das damit heute bezeichnete Verhalten, einen Außenseiter zu drangsalieren, jedoch schon. Im angelsächsischen Sprachraum spricht man von „Bullying“; jemand, der es praktiziert, wird als „Bully“ bezeichnet. Mit solchen missgünstigen Gesellen muss sich der eigentlich herzensgute Stanley herumplagen. Eine Demütigung nach der anderen erträgt er, dass es schmerzhaft anzuschauen ist. Doch irgendwann ist das Maß voll, und da kommt es ihm gerade recht, dass er sich mit den satanischen Ritualen Pater Estebans befasst hat.

Sarge traut seinen Augen nicht

Drücken wir ein Auge zu, dass Stanley die Möglichkeit des Heraufbeschwörens okkulter Kräfte von jetzt auf gleich ohne jede Skepsis als gegeben hinnimmt. Immerhin wird erklärt, weshalb Stanley Estebans Hinterlassenschaften überhaupt finden konnte: Der abtrünnige Geistliche errichtete in der Neuen Welt ein Kloster, und viel später wurde auf dessen Ruinen die Militärakademie gebaut.

Ein „Video Nasty“ par Excellence

„Evilspeak – Der Teufelsschrei“ steht ganz tief in den 80ern verwurzelt, und in den Regalen der Filmsammler dieses mit Horror prall gefüllten Jahrzehnts ist für den schmutzigen kleinen „Video Nasty“-Streifen sicher auch noch Platz. Wenn Stanley den Computer anwirft, kommt ganz viel nerdige Retro-Stimmung auf, die bald darauf einsetzenden visuellen Effekte der Teufelsbeschwörung passen mit ihrem naiven Pixel-Charme und der dazugehörigen Tonkulisse perfekt dazu.

Hungrige Wildschweine bahnen sich ihren Weg …

Ein Mobbing-Opfer nimmt mit übernatürlichen Mitteln blutige Rache an seinen Peinigern; da fällt dem geneigten Horrorkenner natürlich umgehend Brian De Palmas „Carrie – Des Satans jüngste Tochter“ (1976) ein. An dessen Klasse kommt „Evilspeak – Der Teufelsschrei“ nicht heran, der fühlt sich dafür zu sehr der Exploitation verhaftet.

Ehrerbietung an Stanley Kubrick

Der oben erwähnte Zeitsprung vom Mittelalter in die Gegenwart erfolgt mit einem von Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“ (1968) inspirierten Schnitt: War es dort ein in die Luft geschleuderter Knochen, auf den ein ähnlich geformtes Raumschiff folgt, ist es hier ein abgehackter Kopf, der zum Fußball wird. Eine spaßige Reverenz.

… und halten ein Festmahl ab

Etwas Geduld sollten Splatterfans mitbringen, bevor sie auf ihre Kosten kommen, dann aber geht es mit satten Make-up-Effekten und Blutspritz-Einlagen rund – und das logischerweise ganz ohne Computer-Unterstützung, ganz praktisch. Bis dahin verwendet Regisseur Eric Weston („Iron Triangle – Das eiserne Dreieck“, „Hyenas“) recht viel Zeit für Exposition, Charakterisierung seiner Figuren und Beziehungsgemengelage – besonders in der Langfassung. Das hilft, Mitgefühl für Stanley und Abscheu vor seinen Peinigern zu entwickeln, um sich am Ende über die blutige Vergeltung freuen zu können. Sogar gierige Wildschweine kommen zum Einsatz. Bei uns Horrorfans funktioniert es eben gut, wenn unsere niederen Instinkte angesprochen werden.

Blasphemie in der Kirche

Zum finalen Showdown kommt es in der Kirche der Akademie. Gedreht wurde in einer verlassenen Kirche in South Central Los Angeles, die für den Abriss vorgesehen war, zuvor aber vom Filmteam mühsam renoviert wurde, um am Ende in Chaos und Flammen aufzugehen. Im Booklet des Wicked-Vision-Mediabooks von „Evilspeak – Der Teufelsschrei“ berichtet Eric Weston, dass nach der Instandsetzung der Kirche der ehemalige Pastor des Gotteshauses vor Ort auftauchte und schier begeistert von dem war, was er erblickte: Gelobet sei der Herr! Meine Kirche lebt wieder! Der Regisseur brachte es anschließend nicht übers Herz, dem Geistlichen zu beichten, was sie mit dessen alter Kirche vorhatten.

Der Bruder des Oscar-Regisseurs Ron Howard

Bei Hauptdarsteller Clint Howard (* 1959) handelt es sich um den kleinen Bruder des Oscar-gekrönten Regisseurs Ron Howard („A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn“). Seine Rolle des gebeutelten Kadetten ist sein vielleicht bedeutsamster Part, den wir ihm auch ohne Weiteres abnehmen. Ein solcher Fokus auf einen gedemütigten Außenseiter lebt davon, dass wir uns in die Figur hineinversetzen können, das gelingt dank Howard gut. Er war im Übrigen bereits als Kind und Jugendlicher in vielen Fernsehproduktionen zu sehen und ist bis heute ein gut beschäftigter Nebendarsteller. Zuletzt hatte er einen Part in Rob Zombies „3 from Hell“ (2019).

Die Vergeltung ist nah

Wicked Vision hat satte vier Schnittfassungen des Films auf zwei Blu-rays gepresst und 2018 als Mediabook veröffentlicht. Dabei hat das Label der Unrated-Fassung einen sorgfältigen High-Definition-Transfer angedeihen lassen, der Bild und Ton in neuem Glanz erstrahlen lässt. Die drei anderen Versionen können da zwangsläufig nicht mithalten, wobei mich die deutsche Kinofassung sowie die R-Rated-Fassung ohnehin nicht interessieren. Die vierte hingegen, genannt Langfassung, bietet tieferen Einblick in die Figuren, also inhaltlichen Mehrwert, und wartet gleichzeitig mit allen Gewaltspitzen der Unrated-Fassung auf. Ein Vergleich der R-Rated-Fassung mit der Langfassung findet sich hier. Mit einem Seitenblick auf den internationalen Markt hat Wicked das Booklet sogar zweisprachig in Deutsch und Englisch produziert. Die Lektüre sowohl des Textes von Ingo Strecker als auch des Interviews mit dem Regisseur lohnt sich.

Mediabook und VHS-Retro-Edition out of print

Alle drei Covermotive des Wicked-Vision-Mediabooks sind bereits vergriffen und steigen auf dem Sammlermarkt langsam im Preis. Das gilt auch für die ein Jahr später nachgeschobene VHS-Retro-Edition. Sowohl die vier Schnittfassungen als auch das üppige Bonusmaterial inklusive Booklet sind enthalten. Seinerzeit waren mehrere Fassungen des Films in der Bundesrepublik auf dem Index gelandet, sie sind dort mittlerweile allesamt entfernt worden. Wicked Vision hat dennoch darauf verzichtet, bei der FSK eine Altersfreigabe zu erreichen, weshalb sowohl Mediabook als auch VHS-Retro-Edition ungeprüft blieben. Wer den derben 80er-Horror in Ehren hält, kommt an „Evilspeak – Der Teufelsschrei“ nicht vorbei.

Die Filme der „Collector’s Series“ der Wicked Vision Distribution GmbH haben wir in unserer Rubrik Filmreihen aufgelistet. Ein lesenswerter Text zu „Evilspeak – Der Teufelsschrei“ findet sich auch bei den Kollegen von „Evil Ed“.

Veröffentlichung: 30. Oktober 2019 als 2-Disc VHS-Retro-Edition (2 Blu-rays, auf 500 Exemplare limitiert), 3. Dezember 2018 als 2-Disc Limited Collector’s Edition (2 Blu-rays, 3 Covermotive à 1 x 444 und 2 x 222 Exemplare)

Länge: 93 Min. (Unrated), 104 Min. (Langfassung), 100 Min. (R-Rated), 92 Min. (deutsche Kinofassung)
Altersfreigabe: FSK ungeprüft
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch (R-Rated-Fassung und deutsche Kinofassung nur Deutsch)
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Evilspeak
USA 1981
Regie: Eric Weston
Drehbuch: Joseph Garofalo, Eric Weston
Besetzung: Clint Howard, R. G. Armstrong, Joe Cortese, Claude Earl Jones, Haywood Nelson, Don Stark, Charles Tyner, Hamilton Camp, Louie Gravance, Jim Greenleaf, Lynn Hancock, Loren Lester, Kathy McCullen, Lenny Montana, Leonard D’John, Bennett Liss, Katherine Kelly Lang, Richard Moll
Zusatzmaterial: Audiokommentar von Regisseur Eric Weston und Bill Olson, Audiokommentar von Eric Weston, Darsteller Clint Howard und Location-Manager Warren Lewis, Audiokommentar von Daniel Perée und Ingo Strecker, isolierte Musik und Effektspur, Vorwort von Regisseur Eric Weston, deutsche Kinofassung, „Satan’s Pig and Severed Heads – The Making of EVILSPEAK“, „Effects Speak“ (Interview mit Allan A. Apone), „Human Blood“ (Interview mit Don Stark in exklusiver Extended-Version), „Speak No Evil“ (Interview mit Clint Howard in exklusiver Extended-Version), Interview mit Joe Cortese, verlängerte Szenen, deutscher Kinovorspann, Bildergalerie, deutscher Trailer, deutscher Recut-Trailer, Originaltrailer, 24-seitiges Booklet mit einem Text von Ingo Strecker und einem Interview mit Regisseur Eric Weston (in deutscher und englischer Sprache)
Label/Vertrieb: Wicked Vision Distribution GmbH

Copyright 2020 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & Packshots: © Wicked Vision Distribution GmbH

 
 

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Eine Antwort zu “Horror für Halloween (VII): Evilspeak – Der Teufelsschrei: Satan hilft dem Mobbing-Opfer

  1. Lilly

    2020/11/01 at 17:42

    1. Er betet Satan an und wird deshalb verbannt.
    2. Er versteckt einen Hundewelpen, daneben befinden sich die Habseligkeiten des Paters, inklusive lateinischer Schriften.
    3. Referenz an Kubrik.
    4. Regisseur
    5. 4 Schnittfassungen, von denen die Unrated in HD transferiert wurde.

     

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