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Horror für Halloween (VI): Dracula jagt Mini-Mädchen – Weit gepfählt

26 Sept

Dracula A.D. 1972

Von Lars Johansen

Horror // Nachdem Professor Van Helsing (Peter Cushing) und Graf Dracula (Christopher Lee) seit dem ersten Hammer-Films-„Dracula“ von 1958 nicht mehr aufeinandergetroffen waren, durften sie sich hier gleich zweimal begegnen: Zuerst tötet Lawrence Van Helsing den Grafen 1872 im Londoner Hyde Park bei einer Kutschfahrt, dann würde es sein Nachfahre Lorrimer Van Helsing sein, der 1972 erneut den Vampir jagt. Doch während es 1958 noch eine gute Idee gewesen war, den guten alten Universal-Dracula farbig wiederzubeleben, hatte er es in den 70ern schwer, sich gegen die modernen Monstren der Zeit zu behaupten. In dem unmittelbaren Vorläufer „Dracula – Nächte des Entsetzens“ („Scars of Dracula“, 1970) hatte man versucht, das Problem durch den übermäßigen Einsatz von Blut zu lösen. Aber alle Grausamkeiten nutzten nichts, der Graf passte einfach nicht mehr in die Zeit. Daher war die Idee nicht schlecht, ihn in die unmittelbare Gegenwart zu holen.

„Immer wenn ein Mönch vorbeikommt, lüpfen wir einen“

1869: Nach einer Verfolgungsjagd unter Einsatz einer Kutsche tötet Van Helsing Dracula im Hydepark. Er selbst wird dabei so schwer verletzt, dass er ebenfalls stirbt. Ein junger Mann sammelt etwas von der Asche des Grafen und dessen Ring ein. 1970: Nach einer Party, die von einer Gruppe von Jugendlichen gesprengt wurde, treffen sich eben diese Jugendlichen, nachdem die Polizei den Ort gestürmt hat, in ihrer Stammkneipe wieder. Ihr Anführer Johnny Alucard (Christopher Neame) überredet alle, darunter Van Helsings Enkelin Jessica (Stephanie Beacham), am kommenden Abend an einer schwarzen Messe in einer verlassenen Kirche teilzunehmen.

„Keine Angst, das sieht nur so aus. Ich lese nicht.“

Es gelingt Johnny in dem Gotteshaus, nachdem die anderen angstvoll den Ort verlassen haben, tatsächlich Dracula wiederzuerwecken, was das Leben der jungen Laura (Caroline Munro) kostet. Deren Leiche wird am nächsten Tag von spielenden Kindern gefunden, was Inspektor Murray (Michael Coles) auf den Plan ruft. Nach weiteren Morden nach demselben Muster schalten die Beamten Lorrimer Van Helsing ein, dessen Enkelin entführt wird und der am Schluss zum letzten Kampf mit dem Vampirgrafen antreten muss.

„Wer hatte die Vegan Margarita?“

Nichts Neues also unter der Sonne, was ein wenig bedauerlich ist, da die Idee, den Grafen mit unserer (damals) unmittelbaren Gegenwart zu konfrontieren, gar nicht so schlecht ist. Wenn bei der Beerdigung vom Vorfahren Van Helsings direkt auf ein Flugzeug geschwenkt wird und wir kurz stutzen, bis wir den Zeitsprung erkennen, hat das Qualitäten, die der Film im weiteren Verlauf leider nicht ganz einlösen kann. Außerdem waren die Swinging Sixties, die hier beschworen werden, zum damaligen Zeitpunkt schon Geschichte. Die erste Partyszene ist vor allem zu lang geraten, auch wenn sie nette Momente hat. Aber man sieht dem ganzen Unternehmen an, dass der Etat nicht gerade üppig gewesen ist. Es gibt relativ wenige Schauplätze, nur die alte Kirche und der angeschlossene Friedhof verbreiten so etwas wie Atmosphäre, die modernen Settings finden im Film kaum statt und wenn, dann ohne den Grafen, der nur einmal in Alucards Wohnung auftaucht, ansonsten aber bei der Kirche bleibt.

„Ein Ring, sie zu knechten… Verzeihung, falscher Film.“

Überhaupt ist dieser Johnny Alucard zwar eine durchaus charismatische Figur, die durch die schwarze Messe und den Tod der Mädchen ein wenig an den Sektenführer Charles Manson erinnert, letztlich gewinnt der Vampir-Erwecker aber zu wenig Profil. Ein wenig lächerlich ist es schon, dass der alte Okkult-Experte Van Helsing ein Stück Papier braucht, um herauszufinden, dass Alucard als Anagramm von Dracula einfach nur rückwärts gelesen werden müsste.

„Nein, der Brexit hilft nur bedingt gegen Vampire“

In diesem Absatz verbirgt sich ein Spoiler, überspringt ihn also, sofern ihr den Film ungespoilert schauen wollt. Positiv ist zu bewerten, dass mit Cushing und Lee die beiden großen Widersacher endlich wieder vereint sind. Es macht Vergnügen, den beiden Mimen zuzusehen, die den Rest des Ensembles locker in die Tasche stecken. Bei ihren Aufeinandertreffen stellen sich mythische Qualitäten ein, die dem Film ansonsten leider viel zu oft abgehen.

Wenn ein Vampir etwas auf die Sonnenbank einzahlt

Der Schlusskampf ist zwar auch nicht so richtig gelungen, denn da wird ein Pfahl herausgezogen, aber dann hilft eine dilettantisch ausgehobene Grube mit vielen Pfählen, um den Vampir zu entsorgen, als würde es die reine Menge machen. Doch immerhin stellt sich eine Erinnerung an den ständigen Kampf zwischen Gut und Böse ein, der in seiner Verbissenheit und seinem heiligen Ernst einen anderen Ton in einen Film bringt, der sonst zu oft auf eine Lockerheit setzt, welche dem Sujet nicht immer bekommt.

Manchmal reicht eine spitze Bemerkung nicht aus

Das liegt auch an Regisseur Alan Gibson, einem gebürtiger Kanadier, der vor allem fürs Fernsehen gearbeitet hat und für Hammer noch den unmittelbaren Nachfolger „Dracula braucht frisches Blut“ („The Satanic Rites of Dracula“, 1973) realisierte, der direkt an diesen Film anknüpfte, aber die Schauspielerin der Enkelin Van Helsings durch Joanna Lumley ersetzte. Der war dann zwar ein wenig besser in der Gegenwart verortet, aber ansonsten ein inszenatorisches Desaster.

„Geht mir weg mit diesen Anfängerinnen!“

Was immer seinerzeit den deutschen Verleih motiviert hat, Minirock tragende junge Frauen in den Titel einzubauen, den Erfolg des Filmes hat es nicht beflügelt. Die alte Ästhetik Hammers hatte sich schlicht überlebt, eine neue vermochte sich nicht zu etablieren. Wenn Dracula am Ende noch einmal in Hongkong auftaucht, in „Die 7 goldenen Vampire“ („The Legend of the 7 Golden Vampires“, 1974), dann ist der Film zwar ein wenig besser als sein unmittelbarer Vorgänger, stellt aber auch eine Kapitulation vor dem Eastern dar, dessen Ästhetik nur schwer mit der des klassischen britischen Vampirfilms vereinbar war.

Die Avonberaterin hatte sich gründlich geirrt

Bild und Ton auf der Blu-ray sind sehr ordentlich, die Extras zielführend und der Audiokommentar kenntnisreich. Für Fans von Christopher Lee, Peter Cushing und Dracula ist der Film ein Muss, alle anderen werden vielleicht nur bedingt glücklich. Das ein Jahr zuvor von Anolis in drei Covervarianten veröffentlichte Mediabook ist mittlerweile im Handel vergriffen – der Regelfall bei Anolis’ Hammer-Reihe.

Die Anolis-Entertainment-Reihe mit Produktionen von Hammer Films haben wir in unserer Rubrik Filmreihen aufgeführt. Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Christopher Lee und Peter Cushing sind unter Schauspieler zu finden.

Veröffentlichung: 13. September 2019 als Blu-ray, 28. September 2018 als Blu-ray im limitierten Mediabook (drei Covervarianten) und Blu-ray, 2. Dezember 2005 als DVD

Länge: 96 Min. (Blu-ray), 92 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch
Originaltitel: Dracula A.D. 1972
GB 1972
Regie: Alan Gibson
Drehbuch: Don Houghton
Besetzung: Christopher Lee, Peter Cushing, Stephanie Beacham, Caroline Munro, Christopher Neame, Michael Coles, Marsha A. Hunt, Michael Kitchen, Lally Bowers
Zusatzmaterial: Audiokommentar Dr.Rolf Giesen, Uwe Sommerlad und Alexander Iffländer, Englischer und deutscher Trailer, Werberatschläge, Bildergalerie mit Musik
Label/Vertrieb 2019: Studio Hamburg Enterprises
Label 2018: Anolis Entertainment GmbH
Vertrieb 2018: Studio Hamburg Enterprises
Label/Vertrieb 2004: Warner Home Video

Copyright 2019 by Lars Johansen

Packshot Blu-ray 2019: © Studio Hamburg Enterprises,
Szenenfotos, Packshots Mediabook & Packshot Blu-ray 2018: © Anolis Entertainment GmbH

 

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