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Der Teufel kam aus Akasava – Hallo! Hier bricht Edgar Wallace

02 Dez

Der Teufel kam aus Akasava

Von Tonio Klein

Agenten-Abenteuer // Der Film „Matador“ (1986) beginnt mit einer Szene, in der sich ein Mann einen so blutigen wie billigen Horrorfilm ansieht und sich dazu einen runterholt. Der spanische Meisterregisseur Pedro Almodóvar wollte damit nicht nur zeigen, was für einen gewaltigen Knacks die Hauptfigur hat. Sondern auch einem Landsmann eins reinwürgen, indem er – so in einem Interview – in Erinnerung ruft, wie schlecht Filme von Jess Franco sind. Von Franco stammt der zu rezensierende Film. Um den Mann, der einen nach dem anderen Streifen heruntergekurbelt hat, tobt die Diskussion, ob er einfach nur sehr sehr schlecht oder ein Meister des Exploitation-Trashs ist. Nach Sichtung einiger Filme neige ich Letzterem zu, und „Der Teufel kam aus Akasava“ macht da keine Ausnahme. Obwohl der Mann einen wie Ed Wood locker toppen kann. Unter den Blinden ist der Einäugige König.

Europudding mit Sex and Crime

Nachdem die Rialto Film italienische Genre-Regisseure ins Boot geholt hatte (Riccardo Freda, Massimo Dallamano, Umberto Lenzi), damit die Edgar-Wallace-Filme sich nicht mehr so arg selbst parodierten, hat man sich vielleicht bei der Central Cinema Company (CCC-Filmkunst) Artur Brauners gesagt: Sowas können wir auch! Die Adaption einer Wallace-Kurzgeschichte wurde zum Europudding, in diesem Falle zu einer deutsch-spanischen Koproduktion mit dem Versuch, Schauwerte, Thrill und Sex miteinander zu verbinden, aber auch Wallace-Originale wie Horst Tappert und Siegfried Schürenberg vor die Kamera zu holen.

Nirgendwo in Afrika

Was wird nun daraus? Ziemlicher Humbug. Ein Mann entdeckt (n)irgendwo in Afrika (gedreht wurde ausschließlich in Europa) einen magischen Stein in einer Höhle, wird dann aber von einem Killer mit Zielfernrohr-Gewehr schwer verwundet. Der Schütze (bei dem das Wort „Zielfernrohr“ noch öfter blanker Hohn sein wird) bringt seine Arbeit aber nicht zu Ende und lässt den Mann zu seinem Chef, Prof. Forrester (Ángel Menéndez), entkommen. Während Forrester Hilfe holt, klaut ein Dritter den Stein. Was des Profs Assi den finalen Todesstoß gibt, da der Stein offenbar mit einer Strahlung ausgestattet ist, die die Haut so verschmurgelt, dass die Maske reichlich Bräunungscreme einsetzt. Warum der Effekt beim Auffinden des Klunkers ausgeblieben ist? Keine Ahnung. Wenig später sitzen der herbeigerufene Arzt, Dr. Andrew Thorrsen (Horst Tappert), und der britische Konsul Irving Lambert (Alberto Dalbés) bei der Polizei – obwohl hier niemand Deutscher ist, mit einer Flasche Bier der Marke „Henninger“ auf dem Tisch. In London (krisselge Archivbilder mit dem Big Ben mal kurz eingeschnitten) sucht unterdessen der Scotland-Yard-Chef – Siegfried Schürenberg darf hier nicht wie vormals Sir John, aber Sir Philipp heißen – die Geheimagentin Jane Morgan (Soledad Miranda) auf. Die sieht ganz toll aus, hat wenig an, tarnt sich als Hure, und im angeblich britischen Puff gibt es eine Telefonkabine, auf der „Telefon“ deutsch geschrieben steht. Später trifft fast die ganze Bagage in Afrika ein, auch der (angebliche?) Neffe des Profs, Rex Forrester (Fred Williams). Der sieht auch toll aus, liest einmal erstaunlicherweise eine deutsche Zeitschrift, gräbt sofort Jane an, ist aber auch der schönen Frau des Arztes (Ewa Strömberg) nicht abgeneigt. Und einer völlig neuen Frauenfigur, die in einem total willkürlichen, hastigen Ende mal eben hineingeschnippelt wird, ebenfalls nicht. Ein dicklicher Italiener (Jess Franco persönlich) und ein Freund des Vermissten sowie dessen Frau (Walter Rilla und Blandine Ebinger) mischen auch noch mit. Und noch ein paar Leute mehr. Was eine hübsche Superschurkerei à la James Bond hätte werden können (Wer den Stein hat, kann die Welt beherrschen), verkommt zu einer wirren Mitteilungsdramatik. Ach, der ist auch jemand anderes als vorgeblich? Und die auch? Und der auch? Und welche Bedeutung hatte die Chinesin, die Rex warnt und bald mit einem Messer im Rücken endet? Bei alldem bietet der Film durchaus ein hohes Tempo, Action und die geballten weiblichen Reize Miss Mirandas. Aber da wird trotzdem nix draus, selbst bei der Erwartung nur eines schrillen Unterhaltungsfilms.

Erzählsünden …

Gründe: Viele! Franco ist gestalterisch und erzählerisch, gelinde gesagt, suboptimal. Er ballert alles in einen Film rein und reiht die Szenen wie Konservendosen aneinander, statt einen erzählerischen Bogen zu spannen. Plot Twists sind im Grunde nicht mal Twists, was ja hieße, dass etwas herumgewirbelt wird, das vorher zumindest existent war. Dass Prof. Forrester verschwunden, aber nicht mit Sicherheit tot ist, müssen wir beispielsweise einfach glauben; es wird aus dem Hut gezaubert. Und die Machart ist genauso holprig wie die Erzählung, beispielsweise im Finale. Da springt der Killer mit dem Koffer samt Stein aus dem Fenster eines Hauses in oder bei London und rennt zu Fuß fort. Nach einem Schnitt ist er auf einem Feld, um ein Kleinflugzeug zu besteigen, wobei die Hintergründe wieder wie im falschen Afrika aussehen. Gut, auch ich weiß, was eine Ellipse ist, aber selbst, wenn dies in England sein könnte: Wie ist er da hingekommen, ist er wirklich die ganze Zeit gerannt? Wenn der Koffer aufgeht und der Stein strahlt, kann man wehmütig an das im positiven Sinne irre Finale aus „Rattennest“ (1955) denken. Die anschließende Flugzeugabsturz-Explosion ist dann aber zu kurz und in einer zu falschen Gegend und Beleuchtung, als dass sie etwas anderes als reingeprokeltes Archivmaterial sein kann.

… und Kamerasünden

Aber nicht nur beim Montieren, sondern auch beim Filmen selbst gibt es kein Halten. Das Stilmittel des Zooms war im Eurofilm der 1970er-Jahre natürlich beliebter als heute, aber muss man es dermaßen übertreiben? Die Kamera zoomt in beinahe jeder Szene ohne Hirn und Verstand vor- wie rückwärts, manchmal beides in kürzestem Abstand, ohne Schnitt und ohne jegliche Bedeutung (zum Beispiel, wenn wir einfach nur einen Mann an einer Tür sehen). Wenn jemand eine Tür schließt, schwenkt die Kamera nach unten und zeigt das Schloss, aber nicht etwa, um zu zeigen, dass die Tür auch verriegelt oder abgeschlossen wird – sondern es folgt ein Szenenwechsel. Was soll das alles? Die Kamera versäumt bei alldem und auch sonst mehr als einmal, die Schärfe zu ziehen, zeigt selbst bei nicht in die Tiefe gestaffelten Bildern die Person(en) im Vordergrund leicht unscharf und die Zimmerwand dahinter scharf. Als ob jemand bei einer Billigkamera das Problem habe, dass die Autofokus-Funktion für Anfänger etwas anderes will als der Kameramann. Egal, weiterdrehen, stört schon keinen? Doch, mich.

Viel Pose, wenig Tanz

Als problematisch habe ich auch meisten Erotikszenen empfunden, und zwar nicht, weil ich damit ein generelles Problem habe. Dass im Kino schöne Frauen schöne Dinge tun, wusste schon François Truffaut. Die Zurschaustellung Soledad Mirandas ist indes arg aufgesetzt. Wobei – hinreißend schön, das ist sie schon, und wer’s mag, kann sich an Dinge(r)n wie einer Duschszene mit ihr ergötzen. Das sollte man bei einem Film, der nicht mehr als Exploitation sein will, gar nicht bekritteln. Spaßig ist auch ihr Techtelmechtel mit Sir Philipp, weil der Schürenberg seine Präsenz eben auch in einem großenteils schlechten Film nicht verbergen kann. Der Flirt zwischen dem oberkorrekten, deutlich älteren, verheirateten Beamten und der heißen Agentin gehört zu den wenigen gelungenen Passagen des Filmes. Wenn aber Jane als Tänzerin auftritt – was ist das denn? Jess Francos Markenzeichen war, dass eine Nachtclubszene pro Film aufzutauchen hatte. So auch hier. Aber der Tanz, von dem alle angeblich so hingerissen sind, ist im Grunde keiner. Miranda posiert, räkelt sich, hat wenig an, um einmal bäuchlings mit dem Popo zu wackeln und ein anderes Mal auf einem Stuhl wenig bis gar nichts zu machen, außer ab und an mal die Position zu wechseln. Da ist wenig Bewegung, viel Pose, als Tanz kann ich das beim besten Willen nicht bezeichnen. Das erinnert stattdessen verschärft an eine Peepshow. Für die, die’s mögen. Und dass sie einem Killer eine Falle stellt, indem sie eine Puppe von sich ins Bett legt, sich selbst aber nackt (!) daneben, um auf den Mann schießen, aber nur schwerlich hinterherlaufen zu können: Schauwerte gehen immer vor Plausibilität. Ein anderes Mal erschießt sie einen Glatzkopf per Kopfschuss aus nächster Nähe, wonach die Murmel äußerlich noch erstaunlich heile aussieht und die Umgebung seltsam blutarm bleibt. Immerhin ist das anschließende Verschwindenlassen der Leiche und das Vorspiegeln, der Mann habe sich nur ins Nirwana gesoffen, eine gelungene Szene makabren Humors. Insgesamt ist das aber deutlich zu wenig.

Wird Sir Philipp sie von der Bettkante stoßen?

Fazit: Am Ende sind viele Beteiligte tot, aber dem Zuschauer geht es auch nicht viel besser. Horst Tappert im Dunkeln (der Kalauer muss aber auch einfach sein, Anm. des Blogbetreibers), Fred Williams macht sich an die Aufklärung und an die Frauen ran, Soledad Miranda zeigt ihre Reize, die kleine Rolle Schürenbergs ist Lichtblick und lässt gleichzeitig daran denken, wie viel besser die Wallace-Filme der Rialto waren. Alle anderen schlagen sich mehr oder minder wacker, können aber gegen die maximal holprige Inszenierung nicht ankommen. Wobei eines mal ganz klar gesagt sei: Ich wusste durchaus, worauf ich mich da einlasse und habe nicht übermäßig beim Gucken gelitten, mich phasenweise auch amüsiert. Freunde des Trashs können hier durchaus zugreifen. Gleichwohl: ein schlechter Film!

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Jesús Franco haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Fred Williams unter Schauspieler.

„Sie sind so herrlich korrekt.“ Komischer Lichtblick im Blendwerk

Veröffentlichung: 9. Oktober 2020 als DVD, 29. Mai 2006 als DVD in der „Edgar Wallace Collection“ (Doppelpack mit „Der Fluch der gelben Schlange“), 30. September 2002 als DVD (gekürzt)

Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch
Untertitel: keine
Originaltitel: Der Teufel kam aus Akasava
BRD/SP/POR 1971
Regie: Jesús Franco (als Jess Frank)
Drehbuch: Paul André, Ladislas Fodor, Jesús Franco, nach der Kurzgeschichte „Keepers of the Stone“ von Edgar Wallace
Besetzung: Fred Williams, Soledad Miranda (als Susann Korda), Horst Tappert, Ewa Strömberg, Siegfried Schürenberg, Walter Rilla, Blandine Ebinger, Alberto Dalbés, Howard Vernon, Jesús Franco, Ángel Menéndez, Paul Muller
Zusatzmaterial: US-Trailer, deutscher Vorspann, Bildergalerie, Wendecover
Label: Pidax Film
Vertrieb: Al!ve AG

Copyright 2020 by Tonio Klein

Szenenfotos & unterer Packshot: © 2020 Pidax Film

 

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