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The Endless – Zurück zur Todessekte?

24 Mär

The Endless

Von Volker Schönenberger

Horror // Als unabhängiger Filmemacher kann man das durchziehen, ohne dass ein Studioboss in den Schrank springt: Der Einfachheit halber und aus Kostengründen übernahm das Regisseursduo Justin Benson und Aaron Moorhead für „The Endless“ die beiden Hauptrollen selbst, und die zwei behielten auch gleich ihre Vornamen. Ein per Post übersandtes altes Video lässt für Aaron und Justin Smith die Vergangenheit wiederauferstehen. Zehn Jahre zuvor hatte sich Justin seinen kleinen Bruder gegriffen und war mit ihm aus einer Sekte von UFO-Gläubigen entflohen, bei dem die beiden aufgewachsen waren. Er war der festen Überzeugung, die Kommune bereite einen Massenselbstmord vor. Dazu kam es in der Folge allerdings nicht.

Rückkehr ins „Camp Arcadia“

Seitdem schlagen sich die Smiths mehr schlecht als recht durch. Der Jüngere verbindet mit der Kommune eher angenehme Erinnerungen und drängt darauf, sich dorthin zu begeben. Da Aaron seinen Bruder nicht allein dorthin lassen will, finden sich die beiden bald darauf erneut in „Camp Arcadia“ wieder. Dort werden sie trotz Justins Verrat überaus freundlich aufgenommen, sogar von Hal (Tate Ellington), dem Leiter der Kommune. Anna (Callie Hernandez) scheint besonderen Gefallen an Aaron zu finden. Den Brüdern fällt es vorerst nicht als sonderbar auf, dass die Sektenmitglieder alle noch genau so aussehen wie früher, sie schieben es auf die gute Landluft und die gesunde Ernährung.

An einem Gedenkstein halten die Brüder kurz inne

Mit ihrem rätselvollen und ein paar Haken schlagenden Erstling „Resolution – Cabin of Death“ erregten Justin Benson und Aaron Moorhead 2012 dank einer ausgiebigen Festivaltour einiges Aufsehen, in Deutschland allerdings nicht allzu viel. „The Endless“ spielt sich im selben Universum ab, die beiden „Resolution“-Hauptfiguren Chris (Vinny Curran) und Mike (Peter Cilella) treten sogar kurz in Erscheinung. Und der Nachfolger kommt ähnlich rätselhaft daher, wenn nicht rätselhafter. Auf Horrorelemente verzichten die beiden Regisseure für eine gehörige Weile, beschränken sich darauf, ein Mysterium und eine unheilvolle Stimmung zu etablieren. Dazu trägt, auch wenn das widersprüchlich klingt, die freundliche Atmosphäre im Camp bei, die stets ein wenig neben der Spur zu sein scheint. Es ist nicht so, dass ich das Gefühl hatte, Aaron und Justin seien in Gefahr, von den Mitgliedern dahingemetzelt zu werden. Aber mit offenen Karten spielen sie nicht.

Verbunden mit „Resolution – Cabin of Death“

Nach einer knappen Stunde erfahren wir in einem Nebensatz, was die Brüder seinerzeit überhaupt in die Gemeinschaft verschlagen hatte. Nach und nach mehren sich dann erklärende Hinweise. Auch was in „Resolution – Cabin of Death“ offen geblieben ist, greift „The Endless“ wieder auf, die Storys beider Filme verbinden sich auf intelligente Weise. Die große, allumfassende Erklärung wird aber am Ende nicht geliefert, wir müssen sie uns schon zusammenreimen. Es hilft, den Vorgänger zu kennen, um die Klasse des Nachfolgers zu begreifen – und umgekehrt.

Justin (l.) und Aaron wollen hinter …

Bemerkenswert ist der Eindruck, dass Benson und Moorhead mit dem Horrorgenre vertraut sind und es schätzen und doch in der Lage sind, etwas völlig Eigenständiges zu erschaffen. Hier werden keine Jump Scares und überbordende musikalische Einlagen benötigt, um eine dräuende Atmosphäre zu erschaffen. Und dabei bleibt es sogar lange offen, worin die Bedrohung besteht, so wir sie denn am Ende überhaupt greifen oder begreifen können. Dazu passt auch das zu Beginn des Films eingeblendete Lovecraft-Zitat: The oldest and strongest emotion of mankind is fear, and the oldest and strongest kind of fear is fear of the unknown. Zu deutsch: Die älteste und stärkste Emotion der Menschheit ist Angst. Und die stärkste Angst ist die Angst vor dem Unbekannten. Also erwartet nicht, das Unbekannte bis ins Letzte kennenzulernen! Bis zum Ende gilt es, neue kleine Details zu beachten und sich das Bild zusammenzureimen.

Von Freunden und Geschwistern

Visuell dominieren passend zur bergigen und wüsten Gegend geerdete Brauntöne und zurückgenommene Farben. Dass auch noch die schauspielerischen Leistungen durchweg überzeugend ausfallen, ist das Tüpfelchen auf dem i. Auch ein zweites vor Beginn des Films eingeblendetes Zitat erhält noch seine Bedeutung: Friends tell each other how they feel with relative frequency. Siblings wait for a more convenient time, like their deathbeds. Zu deutsch in etwa: Freunde erzählen einander immer wieder mal von ihren Gefühlen. Geschwister warten damit, bis es irgendwann mal passt, etwa auf dem Sterbebett.

… das Geheimnis der Gegend kommen

Zwischen „Resolution – Cabin of Death“ und dessen Quasi-Fortsetzung hatten sich Benson und Moorhead mit einer Episode am Anthologie-Horrorfilm „V/H/S – Viral“ (2014) beteiligt und die wunderbare Horror-Romanze „Spring – Love Is a Monster“ (2014) inszeniert. Ihre alleinigen Regiearbeiten platzieren sie meines Erachtens unter den interessantesten aktuellen Horror-Regisseuren, zumal sie konsequent – vielleicht aus der Not heraus – mit geringen Budgets arbeiten und daher den Fokus auf die Story legen und nicht auf Effekte. Das zeichnet auch „The Endless“ aus. Großartig! Das schürt die Vorfreude auf Bensons und Moorheads folgende Regiearbeit „Synchronic“ (2019), die auch schon einiges Lob eingeheimst hat.

Beide Filme in einer Edition von Arrow Video

Wer auf die deutsche Tonspur verzichten kann, greife zur Blu-ray des englischen Labels Arrow Video. Sie enthält nicht nur Zusatzmaterial, das nur zum Teil in der deutschen Veröffentlichung enthalten ist (ohnehin nur in der FuturePak-Edition), sondern auch ein 32-seitiges Booklet und als besonderes Extra eine Bonus-Blu-ray mit dem Vorgängerfilm „Resolution – Cabin of Death“. In Deutschland hat „The Endless“ im Übrigen eine FSK-12-Freigabe erhalten, das blaue FSK-16-Logo auf dem Cover rührt demnach wohl von ein paar Trailern im Zusatzmaterial.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Justin Benson und Aaron Moorhead haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet. Ein lesenswerter Text zu „The Endless“ findet sich auch im Filmforum Bremen.

Veröffentlichung: 31. August 2018 als limitiertes 2-Disc Edition FuturePak (Blu-ray & Bonus-DVD), Blu-ray und DVD

Länge: 112 Min. (Blu-ray), 107 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: The Endless
USA 2017
Regie: Justin Benson, Aaron Moorhead
Drehbuch: Justin Benson
Besetzung: Aaron Moorhead, Justin Benson, Callie Hernandez, Tate Ellington, Shane Brady, Lew Temple, Kira Powell, David Lawson Jr., James Jordan, Emily Montague, Peter Cilella, Vinny Curran, Ric Sarabia
Zusatzmaterial: Audiokommentar, deutscher Trailer, Originaltrailer, Trailershow, nur FuturePak: Hinter den Kulissen: „Haircut“ (1:08 Min.), „More Lights“ (18 Sek.), „Casting Aaron“ (1:24 Min.), „Casting Smiling Dave“ (2:48 Min.) und „Making-of Special Effects“ (2:34 Min.), 8 entfernte Szenen, 10 Interviews (u. a. mit den Regisseuren, Darstellern, dem Soundmixer, Komponist, Editor), „Einladung Tribeca Film Festival“ (2:54 Min.), Promo Spot, Bildergalerien („On Set“ und „Production Design / Art“), 12-seitiges Booklet mit einem Text „Alles, nur nicht 08/15 – Die Filme von Justin Benson & Aaron Moorhead“ von Thorsten Hanisch, nur Blu-ray und DVD: Wendecover
Label: Meteor Film
Vertrieb: Al!ve AG

Copyright 2021 by Volker Schönenberger

Szenenfotos: © 2018 Meteor Film

 
 

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2 Antworten zu “The Endless – Zurück zur Todessekte?

  1. SmileySmile77

    2021/03/29 at 17:05

    Was die ersten drei Filme der Regisseure auszeichnet ist die authentisch wirkende Darstellung der Figuren und ihrer Umgebung. Die kam ihnen m.E. auch in „Sychronic“ nicht abhanden, den ich letztes Jahr bei den FFF-White Nights sehen konnte – kurzer Einwurf: erinnert ihr euch noch an die Zeiten in denen man ins Kino gehen konnte *schnüff* – und den ich als gut, aber nicht ganz so gut wie die Vorgänger empfand. Was ihn unterscheidet ist nicht nur die Starbesetzung sondern auch ein konkretes phantastisches Element, mit dessen Akzeptanz der Film steht oder fällt. Ich konnte damit leben und würde eine klare Empfehlung aussprechen wenn er endlich auch in Deutschland veröffentlicht wird.

     
    • V. Beautifulmountain

      2021/03/29 at 17:42

      Dem Kommentar kann ich voll und ganz zustimmen. Hab den Film kürzlich geschaut, morgen geht meine Rezension anlässlich der kommenden Blu-ray und DVD online.

       

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