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Die Körperfresser kommen – Während du schliefst

27 Nov

Invasion of the Body Snatchers

Von Volker Schönenberger

Der folgende Text kann Sporen/Spuren von Spoilern enthalten.

SF-Horror // Viermal wurde der 1954 erstveröffentlichte Roman „Die Körperfresser kommen“ („The Body Snatchers“) des US-Schriftstellers Jack Finney (1911–1995) bislang verfilmt. Don Siegels „Die Dämonischen“ (1956) und Abel Ferraras „Body Snatchers – Die Körperfresser“ (1993) weisen beide große Qualität auf, wohingegen „Invasion“ (2007) des deutschen Regisseurs Oliver Hirschbiegel etwas abfällt. Viele – so auch ich – halten so oder so Philip Kaufmans „Die Körperfresser kommen“ von 1978 für die beste filmische Umsetzung der literarischen Vorlage. Um diese soll es anlässlich der Veröffentlichung des Mediabooks von capelight pictures nun auch gehen.

Die Handlung setzt auf einem fernen, offenbar sterbenden Planeten ein. Eine parasitäre Lebensform von sphärischer Anmutung verlässt ihre Heimat und reist auf der Suche nach einer neuen Heimstatt durch Zeit und Raum. Nach ewig langen Zeiten – die Dauer des Trips wird nicht thematisiert – landen die Aliens auf unserer Erde der Gegenwart (der Entstehungszeit des Films). Regen lässt sie ins Erdreich sickern, sich auf Pflanzen niederlassen. Aus ihren Samenkapseln sprießen ungewöhnliche rote Blüten. In San Francisco entdeckt Elizabeth Driscoll (Brooke Adams) von der Gesundheitsbehörde eine dieser Blüten und nimmt sie mit zu sich nach Hause. Am nächsten Morgen kommt ihr ihr Lebensgefährte Geoffrey (Art Hindle) auf sonderbare Wiese verändert vor – er wirkt abweisend, kalt und statisch. Die Invasion der außerirdischen Parasiten hat begonnen (vermutlich schon eine Weile zuvor, wie wir es nach und nach gewahr werden).

Sobald Elizabeth erstmals Geoffreys Veränderung wahrnimmt, entfaltet sich umgehend eine wunderbar gruselige und beängstigende Stimmung, die bis zum Ende nicht mehr weichen wird. In brillanter Weise zeigt die Kamera immer wieder Passantinnen und Passanten, die sich scheinbar normal benehmen, aber ebenfalls irgendwie starr wirken, sodass wir uns fragen, ob auch sie bereits befallen sind. Zügig breitet sich das Phänomen aus. Bemerkenswert, wie die von den Außerirdischen „übernommenen“ Menschen über weite Strecken des Films zwar zielstrebig, aber ruhig dahinschreiten, während sie im späteren Verlauf auch kollektiv rennen – dann nämlich, wenn sie noch unversehrte Menschen jagen. Ein schöner Kontrast im Verhalten, der die Jagdszenen umso atemloser erscheinen lässt.

Die Handlung fokussiert sich fortan auf fünf Hauptpersonen: Elizabeth sucht die Unterstützung ihres Bosses Matthew Bennell (Donald Sutherland), mit dem sie sich freundschaftlich verbunden fühlt – vielleicht steckt auch mehr dahinter. Bennell führt sie zum renommierten Psychiater Dr. David Kibner (Leonard Nimoy), der ihre Ängste bezüglich Geoffrey allerdings abtut. Eine kleine Ungereimtheit, da er einräumt, dass ihm das Phänomen zuletzt verstärkt begegnet ist – er müsste erkennen, dass sich gerade etwas Besorgniserregendes ereignet, das weite Ausmaße annimmt. Aber vielleicht ist Kibner charakterlich auch bewusst so angelegt, um uns stutzig werden zu lassen: Seine Transformation zu einem der Aliens – mit Restzügen des menschlichen Dr. Kibner – bekommen wir nicht zu sehen. Ab wann ist er einer der ihren? Eine feine Pointe, für diese Rolle ausgerechnet Leonard „Mr. Spock“ Nimoy auszuwählen, da Kibner später das Dasein als von den Aliens transformiertes Mischwesen (wenn man so will) streng nach logischen Erwägungen als wünschenswert verargumentiert. Faszinierend!

Nur eine Verschwörungstheorie?

Zu guter Letzt sind da der Autor Jack Bellicec (Jeff Goldblum) und seine Frau Nancy (Veronica Cartwright); die beiden entdecken in dem von Nancy geführten Badehaus etwas Grausiges, das Bennell von der Bedrohung überzeugt. Speziell Bellicec ist ein misstrauischer Typ, der geneigt ist, Verschwörungstheorien zu folgen, weshalb es nicht viel braucht, bis er davon überzeugt ist, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. Er wird recht behalten, allein – nützen wird es ihm nichts mehr.

Elizabeth Driscoll erkennt ihren Freund Geoffrey nicht wieder

Die Bildsprache von Kameramann Michael Chapman („Taxi Driver“, „Wie ein wilder Stier“) illustriert die sich nach und nach unausweichlich verbreitende Seuche perfekt. Licht und Schatten wechseln einander ab, zumindest in den Abendstunden; vereinzelt huschen sogar Schatten an der Wand entlang und verbreiten Neo-Noir-Stimmung – Chapman schaute sich im Vorfeld dem Vernehmen nach einige Klassiker des Film noirs an, um deren Atmosphäre und Optik zu verinnerlichen. Ein paar Mal verursachen kurze Zooms auf Gesichter ein unruhiges Gefühl. Gelegentlich durchdringt ein pulsierendes Geräusch wie ein Pochen die Stille und erzeugt Gänsehaut (wer einmal dabei war, wie ein CTG-Herztonwehenschreiber die Herzfrequenz eines Ungeborenen misst und akustisch ausgibt, wird das Geräusch erkennen). Interessant auch, dass zu Beginn noch Naturgeräusche wie Vogelzwitschern zu hören sind, die im Verlauf aber weichen, bis nur noch künstlicher Lärm zu hören ist, etwa die Geräusche der allgegenwärtigen Müllwagen (irgendwann wird uns erschreckt klar, welchen Abfall sie entsorgen). Für die Toneffekte war der spätere zweifache Oscar-Preisträger Ben Burtt („E.T. – Der Außerirdische“, „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“) zuständig, der sich auch beim Sounddesign der „Star Wars“-Reihe einen Namen gemacht hat. Und wenn zu einem recht späten Zeitpunkt erstmals die Transformation demonstriert wird, fügt das „Die Körperfresser kommen“ eine Portion Body-Horror hinzu. Grauslich!

Matthew Bennell will das Schlimmste verhindern

Will man „Die Körperfresser kommen“ interpretieren, kommt man nicht umhin, dabei die Entstehungszeit der Literaturvorlage und der ersten Verfilmung zu berücksichtigen. Science-Fiction im Allgemeinen und SF-Horror im Speziellen waren in den 1950er-Jahren in den USA sehr geprägt von der Angst vor dem Kommunismus (auch von der Angst vor der Atombombe, die hier aber keine Rolle spielt). Ein Schreckensszenario des Verlusts von Individualität und Emotionalität drückt das exemplarisch aus, verband man in den USA das Schreckgespenst des Stalinismus doch stark mit Kollektivismus und Gleichförmigkeit. Auch das Bild der gleichgeschalteten deutschen Gesellschaft im „Dritten Reich“ mag dort hineingespielt haben – generell sind totalitäre Regimes ja nicht unbedingt bekannt für viel Raum zu persönlicher Entfaltung (Jack Finney hat derartige Interpretationen seines Romans allerdings zurückgewiesen). Diese Stimmung transportiert „Die Körperfresser kommen“ auf famose Weise von den 50ern in die späten 70er-Jahre, und dazwischen war nebenbei die Hippiebewegung entstanden. Eine Jugendkultur, die alte Autoritäten infrage stellte, sich vom Materialismus abwandte und die individuelle Entfaltung in den Vordergrund rückte (gern in Verbindung mit bewusstseinserweiternden Substanzen – oder waren es bewusstseinstrübende?). Sicher kein Zufall, dass die Handlung ebenso wie der Dreh nach San Francisco verlegt wurde, dem Ausgangspunkt der Hippiebewegung, während sie im Roman noch in der kalifornischen Provinz angesiedelt war. Mit nur etwas gutem Willen können Elizabeth Driscoll, ihr Chef Matthew Bennell und die Eheleute Bellicec als ehemalige Hippies angesehen werden, wobei Driscoll und Bennell als Angestellte einer Behörde sogar von der Gegenkultur ins Establishment gewechselt sind. „Die Körperfresser kommen“ kann somit auch als Kommentar zum Niedergang dieser Subkultur gesehen werden.

Er wird gejagt

Kurze Cameos ziehen sich durch „Die Körperfresser kommen“. Wer erkennt den Priester, der zu Beginn im Park auf der Kinderschaukel hin und her schwingt? Genau, es ist Robert Duvall. Schon diese wenige Sekunden dauernde Einstellung löst Unbehagen aus (auch wenn in dieses Unbehagen aus heutiger Sicht mit einem katholischen Geistlichen auf einem Kinderspielplatz vielleicht noch andere Aspekte hineinspielen). Nach einiger Zeit stürzt sich ein verschreckter Mann auf die Motorhaube von Bennells Auto (siehe drittes Szenenfoto). Dabei handelt es sich um Kevin McCarthy, Hauptdarsteller des erwähnten „Die Dämonischen“, und die Szene zitiert sehr schön dessen Finale. Dessen Regisseur Don Siegel wiederum hat kurz vor der Anderthalbstundenmarke einen Einsatz als Taxifahrer, der Bennell und Elizabeth zum Flughafen bringen soll. Wer sich „Die Körperfresser kommen“ mit der englischen Originaltonspur zu Gemüte führt, kann kurz am Telefon die Stimme von Regisseur Philip Kaufman als städtischer Angestellter hören. Er hat zudem einen Auftritt als Mann mit Hut an einer Telefonzelle. Kameramann Chapman schließlich ist als Putzkraft in der Gesundheitsbehörde zu sehen.

Die Bellicecs entdecken Grausiges

An den Kinokassen spielte „Die Körperfresser kommen“ knapp 25 Millionen Dollar ein, für damalige Verhältnisse ein guter Erfolg, bei Produktionskosten von geschätzt 3,5 Millionen Dollar. Fürs Heimkino ist das Werk wiederholt aufgelegt worden, sodass insbesondere in Deutschland kaum einmal Beschaffungsprobleme auftraten. Für mich war bislang die 2013er-Blu-ray im Steelbook des englischen Anbieters Arrow Video die Referenz-Edition des Films (siehe zweites, drittes und viertes Foto). Diese Veröffentlichung wurde nun allerdings qualitativ getoppt vom Mediabook von capelight pictures. Es enthält den Film auf UHD Blu-ray und Blu-ray, eine weitere Blu-ray mit massig Bonusmaterial bildet eine willkommene Ergänzung (Auflistung der Boni siehe unten). Im gewohnt üppigen 24-seitigen Booklet widmet sich Leonhard Elias Lemke kenntnisreich einigen Aspekten und Interpretationsansätzen von „Die Körperfresser kommen“.

Bennell und Elizabeth versuchen unerkannt zu bleiben

Da ein UHD-Player noch nicht zu meiner technischen Ausstattung gehört, habe ich die Blu-ray gesichtet, die in Bild und Ton überzeugend ausfällt. Wer sich für eine detaillierte Beurteilung der technischen Qualität interessiert, wird einmal mehr beim Kollegen von Blu-ray-Rezensionen.net fündig. Seitenbetreiber Timo Wolters hat nicht nur die neue Blu-ray von capelight mit der 2017er-Blu-ray von NSM Records verglichen, sondern auch die capelight-Blu-ray mit der capelight-UHD-Blu-ray. Danach übertrifft die neue Blu-ray die ältere deutlich, und die UHD-Blu-ray stellt noch einmal eine Steigerung dar. Da ich das diesbezügliche Urteilsvermögen des Kollegen Timo schätze und er seine Haltung detailliert mit Bildvergleichen begründet, schließe ich mich ihm an.

Schlaf hat fatale Folgen

Am Film gibt es ohnehin nichts auszusetzen. „Die Körperfresser kommen“ zählt zu den absoluten Highlights des SF-Horrors. Bleibt die – wenn auch sekundäre – Frage, ob wir es mit einem Remake zu tun haben oder schlicht der zweiten Verfilmung einer Literaturvorlage. Puristen bestreiten ja, dass Literaturverfilmungen Remakes sein können, sondern stets als zweite (oder dritte …) Adaption der Vorlage zu gelten haben. In diesem Fall allerdings meine ich, dass Philip Kaufman die erste Verfilmung neu umsetzen wollte, weshalb hier Remake eine korrekte Bezeichung ist. Insofern zählt „Die Körperfresser kommen“ auch zu den besten Remakes überhaupt. Ein auch heute noch grandios grausiges Meisterwerk, das Schauer über den Rücken laufen lässt.

Alle als „Limited Collector’s Edition” von capelight pictures veröffentlichten Filme haben wir in unserer Rubrik Filmreihen aufgelistet, ebenso die Reihe „Horror Cult Uncut“ von Twentieth Century Fox Home Entertainment. Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Brooke Adams haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit Robert Duvall, Jeff Goldblum, Art Hindle, Leonard Nimoy und Donald Sutherland unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 27. Oktober 2023 als 3-Disc Limited Collector’s Edition (UHD Blu-ray & 2 Blu-rays) und DVD, 24. November 2017 als Blu-ray und DVD, 11. Januar 2013, 15. Januar 2009, 2. Oktober 2006 und 11. Mai 2000 als DVD

Länge: 116 Min. (Blu-ray), 111 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Invasion of the Body Snatchers
USA 1978
Regie: Philip Kaufman
Drehbuch: W. D. Richter, nach dem Roman von Jack Finney
Besetzung: Donald Sutherland, Brooke Adams, Jeff Goldblum, Veronica Cartwright, Leonard Nimoy, Art Hindle, Lelia Goldoni, Kevin McCarthy, Tom Luddy, Stan Ritchie, David Fisher, Tom Dahlgren, Maurice Argent, Wood Moy, Robert Duvall, Kevin McCarthy, Don Siegel, Philip Kaufman
Zusatzmaterial 2023: Audiokommentar mit Regisseur Philip Kaufman, Audiokommentar mit Ulrich von Blum und Patrick Bennat, US-Kinotrailer, deutscher Originaltrailer, deutscher Trailer (remastered), Trailershow, nur Mediabook: Making-of „Re-Visitors from Outer Space“ (16:14 Min.), Special-Effects-Featurette „Practical Magic“ (4:38 Min.), „The Men behind the Scream“ – Interview mit Sounddesigner Ben Burtt und Soundeditor Bonnie Koehler (12:47 Min.), „The Invasion Will Be Televised“ – über die Kameraarbeit des Films (5:24 Min.), Podiumsdiskussion zwischen Filmemacher Norman J. Warren, Regisseur Ben Wheatley und Horrorexperte Kim Newman (51:53 Min.), Interview mit dem Jack-Finney-Experten Jack Seabrock (11:15 Min.), „Star-Crossed in the Invasion“ – Interview mit Brooke Adams (9:06 Min.), „Re-Creating the Invasion“ – Interview mit Drehbuchautor W. D. Richter (15:43 Min.), „Scoring the Invasion“ – Interview mit Komponist Denny Zeitlin (15:34 Min.), „Leading the Invasion“ – Interview mit Schauspieler Art Hindle (25:04 Min.), 24-seitiges Booklet mit einem Text von Leonhard Elias Lemke
Zusatzmaterial 2017: Audiokommentar mit Regisseur Philip Kaufman, Audiokommentar mit Ulrich von Blum und Patrick Bennat, Originaltrailer, Making-of „Re-Visitors from Outer Space“ (16:14 Min.), Special-Effects-Featurette „Practical Magic“ (4:38 Min.), „The Men behind the Scream“ – Interview mit Sounddesigner Ben Burtt und Soundeditor Bonnie Koehler (12:47 Min.), „The Invasion Will Be Televised“ – über die Kameraarbeit des Films (5:24 Min.), Filmografien diverser Darstellerinnen und Darsteller, Wendecover
Zusatzmaterial zuvor: Audiokommentar mit Regisseur Philip Kaufman, Originaltrailer, nur Horror Cult Uncut: Wendecover
Label 2023: capelight pictures
Label 2017: NSM Records
Vertrieb 2023 & 2017: Al!ve AG
Label/Vertrieb zuvor: MGM / Twentieth Century Fox Home Entertainment

Copyright 2023 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & erster gruppierter Packshot: © 2023 capelight pictures,
unterer gruppierter Packshot: © MGM / Twentieth Century Fox Home Entertainment

 

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