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Die Sklavinnen – Nichts für mich

07 Jun

Die Sklavinnen

Von Anja Rohde

Sexploitation // Millionär Radeck (Vitor Mendes) ist auf der Suche nach seiner Tochter. Er hatte ein hohes Lösegeld für die angeblich entführte Martine (Martine Stedil) gezahlt, sie jedoch nicht wie versprochen zurückbekommen. Radeck und sein Assistent (Jesús Franco) vermuten, dass ihnen Madame Arminda (Lina Romay), Chefin des Edelbordells „Pagode“, weiterhelfen kann. Da diese im Gefängnis sitzt, organisieren sie ihre Flucht. Allerdings nur, um sie zu foltern, damit sie verrät, was mit Martine wirklich passiert ist. Das erfährt das Publikum dann in Rückblenden.

Wir sehen Szenen aus Madame Armindas Privatleben (sie verliebt sich in Martine) und aus ihrem Geschäftsleben (sie setzt ihre Bordelldamen unter Drogen und lässt sie von Männern gefügig machen). Dabei ist logischerweise genug nackte Haut zu sehen, die der Jess-Franco-Fan ja auch erwartet. Derbe Nahaufnahmen von primären Geschlechtsorganen bleiben allerdings aus, auch unstillbar nymphomanische Frauen, die andere Franco-Filme wie „Wicked Women – Das Haus der mannstollen Frauen“, „Die teuflischen Schwestern“ und „Voodoo Passion – Ruf der blonden Göttin“ bevölkern, gibt es bei „Die Sklavinnen“ kaum.

Dass die (halb-)nackt auftretenden Frauen nicht schönheitsoperiert sind, also echte Brüste, Bäuche und Dellen in den Oberschenkeln haben, und dass Schamhaar-Rasur in den 70er-Jahren noch nicht modern war, lässt den Film nach heutigen Maßstäben des Sexfilms veraltet wirken – dafür aber vielleicht ehrlicher und authentischer, was die große Fangemeinde des Herrn Franco (mit) erklären mag.

Ansonsten verstehe, wer will, warum diese Filme so heiß geliebt werden. Das Drehbuch ist verworren, die Szenen sind aneinandergestückelt, die Schauspieler sind schlecht, viele Szenen unlogisch.

Beispiele gefällig? Madame Arminda verliebt sich also in Martine, die sie auf der Straße sieht. Sie nimmt sie mit nach Hause und will mit ihr ins Bett, Martine zögert allerdings, weil es das erste Mal mit einer Frau wäre. Arminda beruhigt sie: Sie zeige ihr, wie das gehe. Dann legt sie sich stocksteif aufs Bett (die unbequemen Schuhe tun ihr Übriges dazu) und zeigt ihr: nichts! Sie gibt zwar die Anweisung, sie erst auszuziehen und sie dann zu küssen, damit ist es aber ja üblicherweise beim Sex nicht getan. Der Akt dauert dann übrigens nur sehr kurz, wenige Augenblicke später allerdings erklärt Arminda Martine, dass sie sie liebe.

Oder eine andere Szene: Ein Liebhaber bei der Konkurrenzpuffmutter Ebenholz (Sigad Sharaf). Er: „Ich bin noch nicht in Stimmung.“ Sie: „Komm, nimm ’nen Zug aus meinem Joint.“ Zwei Sekunden später er: „Sowas Geiles wie dich gibt’s nicht nochmal.“ – Die am schnellsten wirkende Droge, die die Welt je sah!

Ok, nur weil ich das dürftig finde, darf es natürlich trotzdem Fans geben, für die die Hauptdarstellerin sexy ist und die Art des Filmemachens unkonventionell und interessant. Vermutlich hatten die Macher auch ihren Spaß dabei und dachten, sie liefern kleine, feine Filmkunst ab. Untätigkeit kann man Herrn Franco im Bereich Filmemachen ja nun wirklich nicht vorwerfen. Ich bin wohl einfach nicht die Zielgruppe.

Eine Szene allerdings führt dazu, dass ich den Film, der mir also schlicht egal ist, dann doch verreißen muss:

Eine Frau wird von zwei Männern vergewaltigt, im Auftrag von Arminda, die so die nicht immer willigen Mädchen für die Arbeit in ihrem Etablissement vorbereitet: „Meine Gorillas brachten sie immer schnell zur Vernunft.“ Die Szene tut beim Zusehen körperlich weh. Die Frau wird in ein Zimmer und aufs Bett geschleift, sie wehrt sich mit Händen und Füßen, beide Männer halten sie mit aller Gewalt fest. Dann vergewaltigt sie der eine von vorn und nach getaner Arbeit der andere von hinten, während der Kollege sie jeweils weiter festhält. Die Männer im Anzug, nur mit heruntergelassener Hose und schnell hervorgekramtem Werkzeug, die Frau in Stiefeln, sonst halbnackt.

Zweieinhalb lange Minuten schreit die Frau. Sie wimmert, sie ruft „Nein!“, sie ruft „Ich will nicht.“ Bis auf ein paar dazwischengeschobene Bilder der wackelnden Deckenlampe bleibt die Kamera durchgängig auf der Szene. Ganz am Ende, nach zweifacher Vergewaltigung, geht das Wimmern der Frau über in ein „Bitte mach weiter, bitte“. Die gute alte „Herr Richter, der Mund sagt Nein, die Augen sagen Ja“-Nummer, die nun definitiv frauenfeindlich und eklig ist.

Darf Kunst alles? Ja. Aber mir darf ein Kunstwerk auch missfallen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Jess Franco sind in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet.

Veröffentlichung: 28. Januar 2014 als Blu-ray und DVD

Länge: 77 Min. (Blu-ray), 74 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 18
Sprachfassungen: Deutsch
Untertitel: Englisch
Originaltitel: Die Sklavinnen
Alternativtitel: Die Sexhändler
CH 1977
Regie: Jesús Franco
Drehbuch: Erwin C. Dietrich
Besetzung: Lina Romay, Martine Stedil, Vitor Mendes, Esther Moser, Jesús Franco
Zusatzmaterial: Audio-Interview mit Jess Franco von 1976, Fotogalerie, Trailer, Wendecover
Vertrieb: Ascot Elite Home Entertainment

Copyright 2014 by Anja Rohde
Packshot: © 2014 Ascot Elite Home Entertainment

 

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