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Funny Games – Terrorfilm oder Reflexion darüber?

20 Jun

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Funny Games

Gastrezension von Simon Kyprianou

Krimidrama // Die Eheleute Anna und Georg (Susanne Lothar, Ulrich Mühe) wollen mit ihrem Sohn Schorschie (Stefan Clapczynski) ein paar schöne Tage in ihrem Ferienhaus verbringen. Doch die beiden Killer Peter (Frank Giering) und Paul (Arno Frisch) klopfen an die Tür und fangen ohne ersichtlichen Grund an, ein sadistisches Spiel mit der Familie zu spielen.

Gewalt im Genrefilm

„Funny Games“ ist Michael Hanekes große Ambition, eine Reflexion, eine Studie über Gewalt im Genrefilm. Dazu bedient sich der Filmemacher der Mittel des Genrefilms und versucht sie zu verfälschen, die Immersion immer wieder zu brechen, um die Reflexion zu ermöglichen.

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Paul hat Schorschi in seiner Gewalt

„Funny Games“ wurde sehr ambivalent aufgenommen, die einen sahen einen sadistischen Film, die anderen beklagten den moralinsauren Zeigefinger-Duktus, wieder andere meinen, der Film scheitert dadurch, dass er als sadistischer Terrorfilm einfach zu gut funktioniert und eine Reflexion darum nicht stattfindet. Auch gab es Kritik, Haneke sei nicht nur an der Reflexion über mediale Gewalt gescheitert, sondern ihr in „Funny Games“ sogar selbst verfallen.

Der Zuschauer wird zum Mittäter

Aber ist es nicht gerade die Tatsache, dass „Funny Games“ als Terrorkino funktioniert, die die subversive Wirkung erst ermöglicht, die die Reflexion so schmerzlich, so unmittelbar macht? Denn die Irritationen platziert Haneke so deutlich, dass man sie selbst in einem funktionierenden Horrorfilm nicht übersehen, nicht ignorieren kann: die Zuschaueransprachen, durch die die Zuschauer wie selbstverständlich in Mittäterschaft gezogen werden, oder auch die rückwärtslaufende „Spul-Szene“. Dabei handelt es sich um die wohl am meisten diskutierte Szene aus „Funny Games“: eine Sequenz, in der eine der Figuren mithilfe einer Fernbedienung den Film selbst zurückspult, um ein Ereignis ungeschehen zu machen. Film, so sagt uns Haneke, ist nichts als eine Manipulation, nichts als eine Lüge.

Eine Faszination für Gewalt kann man Haneke natürlich nicht absprechen, zieht sich die Beschäftigung mit Gewalt doch durch sein gesamtes Werk, besonders in „Benny’s Video“ wird sie deutlich. Allerdings gibt Haneke der Gewalt konsequent, wie er selbst sagt, das zurück, was ihr im Kino oft genommen wird, nämlich den Schmerz: Ich gebe der Gewalt zurück, was sie ist: Schmerz, eine Verletzung anderer. Das gelingt Haneke, „Funny Games“ schmerzt, sogar so sehr, dass er bei seiner Aufführung in Cannes bei den Festspielen 1997 einen Skandal und viel entrüstete Kritik auslöste.

Ohne Mitleid

Der viel gescholtene Sadismus kommt von Hanekes kalter, versuchsanordnungsartiger, emotionsloser Herangehensweise, mit der er seine Figuren beobachtet. Es gibt kein Mitleid, denn Haneke erzählt die Geschichte eines Genres, er liefert seine Figuren dem Genre aus und er hat das Genre durchaus begriffen, wenn er es auch in „Funny Games“ in seiner rohesten, ja, man könnte sagen in einer Art pornographisierten Form nutzt.

Über Sinn und Unsinn des US-Remakes

Das Shot-by-Shot-Remake mit Naomi Watts und Tim Roth in der Rolle des Ehepaars hat Haneke nach eigener Aussage gedreht, um seine Intention in das Land zu transportieren, an das sie hauptsächlich gerichtet ist. Es ist wesentlich schlechter aufgenommen worden als das Original. Hanekes Begründung ist auch durchaus fraglich und als bloße Wiederholung verliert „Funny Games U.S.“ an Kraft und Intensität.

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Anna mit ihren Peinigern

Auch im zweiten Versuch ist Hanekes Intention nicht verstanden, vielleicht auch nicht angenommen worden. Man kann das Remake als Schelmenstreich Hanekes ansehen oder der simplen Wiederholung des Schrecklichen eine perfide, perverse Wirkung zusprechen. Trotzdem hinterlässt die Neuverfilmung einen faden, einen schlaffen Nachgeschmack.

Haneke und Argento

Im Original ist „Funny Games“ ein erschreckender, kluger und scharfsinniger Film, vielleicht am besten zu genießen als filmischer Dialog im Double Feature mit Dario Argentos „Terror in der Oper“. Beides sind Reflexionen über Gewalt im Genrefilm, die zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen.

Das österreichische Label Illusion Films veröffentlicht „Funny Games“ im Juli in einer auf 1.000 Exemplare limitierten und nummerierten 4-Disc-Mediabook-Edition, die das Original auf Blu-ray und das Remake auf DVD enthält.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Michael Haneke haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet.

Veröffentlichung: 16. Mai 2013 als Blu-ray und DVD

Länge: 109 Min. (Blu-ray), 104 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 18
Sprachfassungen: Deutsch
Untertitel: keine
Originaltitel: Funny Games
A 1997
Regie: Michael Haneke
Drehbuch: Michael Haneke
Besetzung: Susanne Lothar, Ulrich Mühe, Frank Giering, Stefan Clapczynski, Doris Kunstmann, Christoph Bantzer, Wolfgang Glück, Susanne Meneghel, Monika Zallinger
Zusatzmaterial: Interviews, gesammelte Pressezitate, weitereTrailer
Vertrieb: Concorde Home Entertainment

Copyright 2015 by Simon Kyprianou
Fotos & Packshot: © 2015 Concorde Home Entertainment

 
 

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Eine Antwort zu “Funny Games – Terrorfilm oder Reflexion darüber?

  1. olivesunshine91

    2015/06/20 at 15:45

    Mein Bruder war von dem auch begeistert, meinte aber, dass es da teilweise schon etwas krass zuging. Deshalb habe ich mich bisher nicht getraut 😀

     

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