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Lucio Fulci (I): Der New York Ripper – Gewaltporno oder Klassiker?

14 Feb

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Lo squartatore di New York

Von Volker Schönenberger

Der Italiener hat gewiss eine Werkschau verdient.

Horrorthriller // Ein älterer Herr geht mit seinem Hund in New York City am East River Gassi. Beim Apportieren bringt das Tier ein unverhofftes Fundstück an: eine abgetrennte Hand, schon in Verwesung begriffen.

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Ein besonderes Fundstück

Mit diesem gelungenen kurzen Prolog beginnt Lucio Fulcis berüchtigter Horrorthriller um den Frauenmörder mit der Donald-Duck-Stimme. Ich bin kein Fulci-Verächter, trotz seiner großen Defizite als Filmemacher mag ich einige seiner Werke sehr: „Woodoo – Die Schreckensinsel der Zombies“ (1979), „Ein Zombie hing am Glockenseil“ (1980), „Über dem Jenseits“ (1981) und „Das Haus an der Friedhofsmauer“ (1981) haben ihren Status als Klassiker des extremen Horrorfilms meiner Ansicht nach völlig zu Recht.

Wie wirkt „Der New York Ripper“ heute auf mich?

„Der New York Ripper“ habe ich erstmals irgendwann in den 80er-Jahren geschaut – sogar in der ungekürzten Fassung. Die extremen Gewaltspitzen sind mir nachhaltig in Erinnerung geblieben, darüber hinaus hat mich der Film nicht übermäßig beeindruckt – eher im Gegenteil. In der Horrorgemeinde scheint er über die Jahre aber ebenfalls zum Klassiker gewachsen zu sein. Zeit also, ihn erneut in Augenschein zu nehmen.

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Ein Opfer

Die abgetrennte Hand erweist sich als die einer Prostituierten. Deren neugierige Vermieterin berichtet dem mit den Ermittlungen betrauten Lieutenant Fred Williams (Jack Hedley) von einem Telefonat ihrer Mieterin, das sie belauscht hatte: Die Prostituierte habe ein Treffen mit einem Mann vereinbart, der mit merkwürdig quakender Stimme gesprochen habe – fast wie eine Ente. Kurz darauf wird eine junge Frau auf der Staten-Island-Fähre abgestochen. Der Täter spricht mit merkwürdig quakender Stimme …

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Eine Tatwaffe

Whodunit? „Lo squartatore di New York“, so der italienische Originaltitel, kommt phasenweise wie ein herkömmlicher Cop-Krimi aus dem Big Apple daher. Auch der groovige Score passt dazu, ebenso die falsche Fährte, auf der die Ermittler eine Weile im Dunkeln tappen. Der desillusionierte Lieutenant Williams, Stammkunde der Prostituierten Kitty (Daniela Doria), könnte fast ein Kollege von Kojak sein. Das ist interessanter, als ich es in Erinnerung hatte, auch wenn einige Psychologisierungen arg zu wünschen übrig lassen. Die sexuell ganz offensichtlich etwas gestörte Jane Lodge (Alexandra Delli Colli) etwa dient lediglich dem Zweck, noch mehr sexuelle Anrüchigkeit in den Film zu bringen. Auch das Motiv des Täters ist kaum glaubwürdig, sondern eher hanebüchen.

Bei den Mordszenen Parallelen zu Dario Argento

Kommen wir zur Gewalt – die ist extrem, gnadenlos und blutig. Fulci schlachtet die Szenen ebenso aus wie der Mörder seine Opfer ab. Seinerzeit bei der Erstsichtung in den 80ern waren mir bei den Mordszenen die Parallelen zu den Suspense-Inszenierungen von Dario Argento gar nicht aufgefallen, was daran gelegen haben wird, dass ich mit Argento kaum vertraut war. Wann sticht der Killer sein bedauernswertes Opfer ab? Es kommt jedenfalls Spannung bis zum schmerzhaften Ende der jeweiligen Frau auf, auch wenn die Meisterschaft des Dario Argento nicht erreicht wird.

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Noch ein Opfer

Die Klinge des Killers schneidet tief ins weibliche Fleisch. Eine zerbrochene Flasche zerfetzt einer Frau den Unterleib. Das ist brutalstes Giallo-Kino, auf die Spitze getrieben natürlich von der berüchtigten Szene, in der eine andere Frau auf grausamste Weise zu Tode gefoltert wird, indem der Täter sie mit einer Rasierklinge aufschlitzt – Augapfel und Brust inklusive. Das kann man gewaltverherrlichend nennen, ohne sich deshalb als überempfindlicher Moralapostel titulieren lassen zu müssen. Andererseits lebte das Horrorgenre immer davon, Extreme auszureizen. Macht das „Der New York Ripper“ zum Klassiker? Oder ist es nichts weiter als Gewaltpornografie? Es liegt wohl wie so oft im Auge des Betrachters.

Finger weg von der FSK-18-Fassung!

Nun wäre es an der Zeit, darauf hinzuweisen, welche Fassung des Films auf Blu-ray und DVD zu empfehlen ist. Allein – „Der New York Ripper“ ist in ungeschnittener Form in Deutschland nun mal nicht nur indiziert, sondern auch beschlagnahmt, öffentliche Verweise auf Verfügbarkeiten sind nicht zulässig. Dann lieber andersrum: Wer im Handel eine Blu-ray oder DVD mit FSK-18-Logo entdeckt – Finger weg! Gekürzt ist das nichts weiter als ein schlechter Krimi, die extreme Wirkung, die er ungeschnitten womöglich bei manchen Filmguckern doch entfaltet, fällt aufgrund der Kürzungen völlig weg. Sieben Minuten sind’s, die fehlen. Wer kauft sowas? Sucht euch Uncut-Versionen – im Zeitalter des globalen Internethandels nicht allzu schwierig – oder lasst extremen Horror links liegen! Für mich allerdings war das sicher die letzte Sichtung von „Der New York Ripper“.

Veröffentlichung: 26. Juli 2013 als 2-Disc Collector’s Edition DVD, 12. Juli 2013 als Blu-ray und DVD

Länge: 86 Min. (Blu-ray), 83 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 18
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Lo squartatore di New York
Internationaler Titel: The New York Ripper
IT 1982
Regie: Lucio Fulci
Drehbuch: Gianfranco Clerici, Lucio Fulci, Vincenzo Mannino, Dardano Sacchetti, Gene Luotto (Dialoge für die englische Version)
Besetzung: Jack Hedley, Howard Ross, Andrea Occhipinti, Almanta Suska, Alexandra Delli Colli
Zusatzmaterial: keine Angabe
Vertrieb: TB Splatter Productions / Intergroove

Copyright 2016 by Volker Schönenberger
Fotos & Packshots: © 2013 TB Splatter Productions / Intergroove

 
 

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2 Antworten zu “Lucio Fulci (I): Der New York Ripper – Gewaltporno oder Klassiker?

  1. otto

    2016/02/16 at 09:34

    Sehr gut! Ein Text, in dem das Wort „hanebüchen“ verwendet wird, ist immer prima. 🙂

     

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