RSS

Themroc – Wenn Anarchisten brabbeln

17 Mai

Themroc-Packshot

Themroc

Von Volker Schönenberger

Groteske // Der alltägliche Trott zermürbt, der Job als Anstreicher nervt, sein Chef staucht ihn zusammen – Themroc (Michel Piccoli) hat keinen Bock mehr. Kurzerhand mauert er die Tür zu seinem Zimmer zu und bricht sich mit dem Hammer durch die Außenwand Bahn. Mitten in Paris mutiert er zum Höhlenmenschen, schüttelt Gesetze und gesellschaftliche Normen als nutzlosen Ballast ab. Das ruft die Ordnungsmacht auf den Plan – aber auch Gleichgesinnte. Anarchie bricht aus!

Mit Tränengas gegen das Grunzen

Schon formal bricht der französische Drehbuchautor und Regisseur Claude Faraldo (1936–2008) mit den Normen: „Themroc“ kommt ohne eine verständliche Textzeile aus. Wenn gesprochen wird, ist das ein ans Französische nur vage erinnerndes Kauderwelsch ohne Sinn. Ohnehin wird vorzugsweise gestöhnt, gebrüllt und gegrunzt. Wenn die Polizei mit Tränengas anrückt, scheint das Ende von Themrocs Aufstand der Anarchie nur eine Frage der Zeit zu sein, aber weit gefehlt.

Die Konventionen fallen wie die Mauersteine, Inzest und Kannibalismus sind keine Tabus mehr. „Themroc“ ist ein Kind der 68er und war zum Zeitpunkt seiner französischen Kinopremiere 1973 für die zeitgenössische Filmkritik kaum zu fassen. Dabei ist die Energie spürbar, die „Themroc“ transportiert. Michel Piccoli will kein Held sein, kein Revolutionsführer, der gegen die da oben aufbegehrt – und doch tut er es, reißt dabei viele mit.

Anarchie!

Mit Hochglanzkino à la Hollywood hat das natürlich nichts zu tun, doch auch für den französischen Film ist „Themroc“ eine außergewöhnliche Satire, die jenseits ihrer anarchistischen Grundtendenz einige Interpretationsansätze offen lässt. Wenn sich Triebhaftigkeit und Asozialität Raum verschaffen, ist das nicht einfach zu ergründen, aber für den außergewöhnlichen Filmerlebnissen zugeneigten Zuschauer jederzeit sehenswert.

Die 2004 bei uns veröffentlichte DVD ist längst vergriffen und wird mittlerweile zu Sammlerpreisen gehandelt. Wer eine hat, möge sie in Ehren halten. Eine französische DVD ist ebenfalls nicht mehr im regulären Handel lieferbar, und bislang hat sich keines der bekannten Cineasten-Label wie Criterion (USA) und Eureka (GB) des Films angenommen. Bedauerlich.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Michel Piccoli haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Veröffentlichung: 20. Juli 2004 als DVD

Länge: 105 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Themrockanisch
Untertitel: keine
Originaltitel: Themroc
F 1973
Regie: Claude Faraldo
Drehbuch: Claude Faraldo
Besetzung: Michel Piccoli, Béatrice Romand, Marilù Tolo, Francesca Romana Coluzzi, Jeanne Herviale, Miou-Miou
Zusatzmaterial: Trailershow
Vertrieb: EuroVideo Medien GmbH

Copyright 2016 by Volker Schönenberger

 

Schlagwörter: , , , , , , , , ,

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..