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Zum 100. Geburtstag von Patrick Magee: Zulu (1964) – Mit Speeren gegen Gewehre

31 Mär

Zulu

Von Volker Schönenberger

Kriegsdrama // Im Zulukrieg von 1879 kämpfte eine 40.000 Mann starke Armee des südafrikanischen Volks der Zulu gegen das britische Kolonialimperium. Am 22. Januar jenes Jahres gelang es einer Zulu-Streitmacht von 20.000 Kriegern, in der Schlacht bei Isandhlwana eine zahlenmäßig klar unterlegene britische Truppe aufzureiben. Am selben Tag schlugen 139 britische Uniformierte in der Schlacht um Rorke’s Drift 4.000 Zulu zurück (die von der evangelischen Schwedischen Kirche gegründete Missionsstation Rorke’s Drift lag in der britischen Kolonie Natal). Der Zulukrieg endete mit der Niederlage der Zulu in der Schlacht bei Ulundi am 4. Juli 1879. Diese beendete die Existenz des Königreichs Zululand, das in 13 Königtümer aufgeteilt und schließlich 1897 Natal einverleibt wurde.

Die von Douglas Hickox („Theater des Grauens“) inszenierte Verfilmung der Vorgeschichte des Zulukriegs und der Schlacht bei Isandhlwana kam 1979 mit Burt Lancaster, Peter O’Toole und Bob Hoskins unter dem Titel „Zulu Dawn“ in die Kinos, wenn auch nicht in Deutschland (1983 erschien der Film unter dem Titel „Zulu Dawn – Die letzte Offensive“ hierzulande auf VHS). Bereits 1963 hatte Cy Endfield („Das ausschweifende Leben des Marquis de Sade“) die Verfilmung der Schlacht um Rorke’s Drift in Südafrika abgedreht, das Werk kam im Januar 1964 in die britischen und sieben Monate später auch in die bundesdeutschen Kinos. Um „Zulu“, so der Titel, soll es in diesem Text gehen.

Nach der Schlacht von Isandhlwana

Die erste Einstellung des Films zeigt die massakrierten britischen Soldaten auf dem Schlachtfeld von Isandhlwana. Im Anschluss erleben wir eine Zulu-Massenhochzeit, veranstaltet vom Zulu-Herrscher Häuptling Cetshwayo (verkörpert vom südafrikanischen Politiker Mangosuthu Buthelezi, einem Urgroßenkel Cetshwayos). Der Zeremonie wohnen auch der schwedische Missionar Otto Witt (Jack Hawkins) und seine Tochter Margareta (Ulla Jacobsson) bei. Die beiden verlassen die Zulu-Siedlung fluchtartig und kehren nach Rorke’s Drift zurück, nachdem ein Krieger die Kunde vom Massaker bei Isandhlwana gebracht hat.

Ein erbitterter Kampf …

Die nur 139 in Rorke’s Drift stationierten britischen Soldaten werden von den beiden Lieutenants John Chard (Stanley Baker) und Gonville Bromhead (Michael Caine) angeführt. Die müssen sich erst einmal darüber einig werden, wer das Kommando hat – es obsiegt Chard, weil er drei Monate mehr Dienst auf dem Buckel hat (der reale Chard hatte tatsächlich drei Dienstjahre mehr absolviert als der reale Bromhead). Der kleine Trupp baut Barrikaden und erwartet den Ansturm der gewaltigen Zulukrieger-Übermacht.

Mit Gewehren ungeübte Zulu

Die Kampfszenen sind ausgesprochen beeindruckend geraten. Dabei sind die Zulus vornehmlich mit Speer und Schild bewaffnet, während die Briten mit Gewehren samt Bajonettaufsatz kämpfen. Sie geraten allerdings auch selbst unter Gewehrbeschuss, da die Zulu nach der Schlacht bei Isandhlwana die Flinten ihrer Opfer eingesammelt haben. Besonders zielsicher gestaltet sich das aufgrund ihrer mangelnden Übung mit Schusswaffen nicht, dies entspricht wohl dem historischen Ereignis.

Wenn die zahlenmäßig weit überlegenen Zulukrieger heranstürmen, kann man nachempfinden, wie sich der kleine Haufen Briten in Rorke’s Drift gefühlt haben mag. Mit „mulmig“ ist das wohl noch milde ausgedrückt. Diese Stimmung vermittelt „Zulu“ vorzüglich. Das unterstreichen auch ein paar ausgesprochen statische Szenen, in denen die Kamera die Verteidiger in den Blick nimmt, die mit den Gewehren vor dem Körper völlig reglos in der Ruhe vor dem nächsten Sturm ausharren. Ebenfalls sehr gut vermittelt „Zulu“, dass sich das Schlachtenglück letztlich aufgrund der unterschiedlichen Bewaffnung den Briten zuneigte. Chard und Bromhead gelingt es, einige ihrer Soldaten in sehr disziplinierten Reihen in Stellung zu bringen, die nacheinander zum Schuss kommen und auf diese Weise die Angreifer phasenweise geradezu niedermähen. Diese Sequenzen entfalten eine fast perverse Faszination des Tötens und man beginnt den Sinn hinter militärischer Disziplin und soldatischem Drill zu verstehen. Ein zwiespältiges Gefühl, ohne Frage.

Zwei expansiv gesinnte Mächte

Von historischen Zusammenhängen erfahren wir nichts, „Zulu“ interessiert sich einzig für den Verteidigungskampf der britischen Soldaten, einer Kompanie aus Südwales, gegen die anstürmenden Zulu. Die Briten sind als Vertreter der Kolonialmacht natürlich grundsätzlich die Imperialisten, die sich ihre Besitztümer in Afrika schlicht zusammengeraubt haben. Andererseits entsteht schon bei oberflächlicher Lektüre über den Zulukrieg der Eindruck, dass es zu einfach ist, diesen Konflikt darauf zu reduzieren. Die Herrscher über das Volk der Zulu waren während des 19. Jahrhunderts eben auch auf Expansion und Unterwerfung von Nachbarstämmen aus, was den Konflikt zwischen Zulu und Briten (sowie zusätzlich den Buren) deutlich komplexer erscheinen lässt.

Den britischen Helden ein Denkmal

So oder so war „Zulu“ in den Kinos des Vereinigten Königreichs ein Riesenerfolg – eine solche Heldengeschichte wollten die Briten offenbar gern sehen, so unreflektiert sie auch sein mag. Gespielt ist das vorzüglich. Besonders Michael Caine verleiht seinem Lieutenant Gonville Bromhead einige Facetten: Wirkt der Offizier in seinen ersten Szenen noch wie ein affektierter Gockel, so entpuppt er sich im Verlauf der Kämpfe als kluger Stratege, der psychologisch clever auch seinen eine Weile mit seiner Verantwortung hadernden Kollegen Chard wieder aufbaut, damit dieser seiner Rolle gerecht werden kann. Dieses Zusammenspiel der beiden Hauptdarsteller lässt sich gut ansehen. Dem gegenüber steht allerdings die Tatsache, dass kein einziger Akteur auf Seiten der Zulu auch nur irgendein Profil erhält. Der Fokus liegt einzig auf Seiten der Briten, es geht darum, einen heldenhaften Abwehrkampf zu zeigen und den Soldaten ein Denkmal zu setzen.

… um Leben und Tod

Für Michael Caine war es nach einer zehnjährigen Ochsentour mit vielen kleinen Rollen – auch fürs Fernsehen – die erste große Hauptrolle. Ein ungleich größerer Star war damals schon Richard Burton. Er ist in der Originaltonspur am Anfang und am Ende von „Zulu“ als Stimme aus dem Off zu hören.

Patrick Magee als Militärarzt

In der Rolle des engagierten Militärarztes James Henry Reynolds ist Patrick Magee zu sehen, wenn auch nur in zwei vergleichsweise kurzen Sequenzen. Der am 31. März 1922 in Nordirland Geborene begann seine Schauspielkarriere auf einer irischen Wanderbühne, bei der auch der spätere Dramatiker Harold Pinter als Darsteller tätig war. In den 1950er-Jahren zog es Magee nach London, auf dessen Bühnen er auch in Stücken von Pinter und Samuel Beckett zu sehen war, darunter „Krapp’s Last Tape“ („Das letzte Band“), ein Ein-Personen-Stück, welches Beckett ihm auf den Leib geschrieben hatte.

Seine Laufbahn in Film und Fernsehen begann Magee in der zweiten Hälfte der 50er. Eine erste bedeutsame Kinorolle übernahm er in Joseph Loseys Krimidrama „Die Spur führt ins Nichts“ (1960) – darin spielte er einen sadistischen Gefängnisaufseher. In den 60ern entdeckte Magee das Horrorkino – vielleicht entdeckte das Horrorkino auch ihn mit seiner markanten Augenpartie und der prägnanten Stimme: In der von Roger Corman produzierten zweiten Regiearbeit Francis Ford Coppolas, „Dementia 13“ (1963), ist er als Arzt Dr. Caleb zu sehen, der am Ende den Mörder erschießt. Cormans Edgar-Allan-Poe-Verfilmung „Die Maske des Roten Todes“ (1964) zeigt Magee als dekadenten Adligen an der Seite von Vincent Price, die Lovecraft-Verfilmung „Die, Monster, Die! Das Grauen auf Schloss Witley“ (1965) erneut als Arzt. Als seine bekannteste Rolle gilt die des Schriftstellers in Stanley Kubricks „Uhrwerk Orange“ (1971), der von den „Droogs“ heimgesucht und zum Krüppel geschlagen und dessen Frau von der Bande vergewaltigt wird. Kubrick besetzte Magee fünf Jahre später erneut im Kostümdrama „Barry Lyndon“ (1976). Seine letzten Rollen übernahm er Anfang der 80er, darunter im mit dem Oscar als bester Film prämierten Sportdrama „Die Stunde des Siegers“ (1981), in welchem er den britischen Olympiafunktionär Earl Cadogan verkörperte. Patrick Magee starb am 14. August 1982 in London im Alter von 60 Jahren an einem Herzinfarkt. Am 31. März 2022 wäre er 100 Jahre alt geworden.

Nachdenklich: die Lieutenants Chard (l.) und Bromhead nach der Schlacht

„Zulu“ bemüht sich einigen Ungenauigkeiten zum Trotz um eine authentisch wirkende Inszenierung. Als Zuschauer entstand bei mir auch genau dieser Eindruck: dass es so gewesen sein könnte. Ob das der Wahrheit entspricht, sei dahingestellt, aber es belegt, dass Regisseur Cy Endfield und sein gesamtes Team etwas richtig gemacht haben. Großes Ausstattungskino ist es jedenfalls geworden. Sein Budget von umgerechnet 1,72 Millionen Dollar spielte „Zulu“ locker wieder ein, am Ende standen allein an den US-Kinokassen Kinoeinnahmen von acht Millionen Dollar zu Buche.

Technicolor und Super Technirama 70

In meinem Regal steht das englische Blu-ray-Steelbook von „Zulu“. Die Bildqualität ist bestechend, insbesondere die Technicolor-Farben sind brillant. Gedreht wurde in Super Technirama 70. Hierzulande bestehen keine Beschaffungsprobleme, sowohl DVD als auch Blu-ray sind lieferbar. Es lohnt sich, auch wenn „Zulu“ kein Film ist, der Krieg im Allgemeinen, den Zulukrieg im Besonderen und die Rolle des Vereinigten Königreichs in Afrika im Speziellen einer kritischen Betrachtung unterzieht.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Cy Endfield haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Richard Burton, Michael Caine und Patrick Magee unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 11. Dezember 2015 als DVD in der 3-Movie-Collection Abenteuer-Edition DVD (mit „Hatari!“ und „Donovan’s Reef – Die Hafenkneipe von Tahiti“), 5. Februar 2015 als Blu-ray, 7. November 2002 als Special Collector’s Edition DVD

Länge: 138 Min. (Blu-ray), 133 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Englisch für Hörgeschädigte
Originaltitel: Zulu
GB 1964
Regie: Cy Endfield
Drehbuch: John Prebble, Cy Endfield
Besetzung: Stanley Baker, Jack Hawkins, Ulla Jacobsson, James Booth, Michael Caine, Patrick Magee, Nigel Green, Ivor Emmanuel, Paul Daneman, Glynn Edwards, Neil McCarthy, David Kernan, Gary Bond, Peter Gill, Tom Gerrard, Richard Davies, Denys Graham, Dafydd Havard, Dickie Owen, Sprecher: Richard Burton
Zusatzmaterial Blu-ray: Wendecover
Zusatzmaterial DVD: Audio-Kommentar von Sheldon Hall und Robert Porter, Making-of, Kinotrailer
Label: Paramount
Vertrieb: Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2022 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & unterer Packshot: © 2022 Paramount

 

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