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Horror für Halloween (XXVII): Das todbringende Ungeheuer – Gigantische Gottesanbeterin taut auf

24 Okt

The Deadly Mantis

Von Volker Schönenberger

SF-Horror // In der Nähe des antarktischen Kontinents: Ein Vulkanausbruch auf einer kleinen Insel im Weddellmeer verursacht weit nördlich im Nordpolarmeer eine Verschiebung der Eismassen. Gigantische Eisberge lösen sich von der Arktischen Eiskappe und beginnen zu schmelzen. In einem von ihnen kommt mit der Schmelze eine überdimensionale Gottesanbeterin zum Vorschein …

Bald darauf verliert das US-Militär den Kontakt zu einer Wetterstation in der Arktis. Colonel Joe Parkman (Craig Stevens, „Peter Gunn“) fliegt mit seinem Untergebenen Lieutenant Fred Pizar (Paul Campbell) dorthin, die beiden finden die Einrichtung zerstört vor, die beiden dort beschäftigten Männer sind verschwunden. Kurz darauf stürzt ein Flugzeug der US Air Force ab. Am Fundort des Wracks entdeckt Parkman ähnliche Landespuren wie solche, die er auch schon bei der Wetterstation bemerkt hatte, dazu einen anderthalb Meter langen spitzen Gegenstand, der ins Pentagon gebracht und einem Team von Wissenschaftlern zur Untersuchung übergeben wird. Doch die Forscher sind überfragt, ihr Leiter Professor Anton Gunter (Florenz Ames) empfiehlt, den Paläontologen Dr. Nedrick Jackson (William Hopper, „Perry Mason“) vom Museum für Naturgeschichte in Washington zu kontaktieren (das hätte man auch gleich machen können). Der weiht auch Margery Blaine (Alix Talton) ein, die die Museumszeitschrift herausgibt. Bald sehen sich die beiden und Colonel Parkman mit der 60 Meter hohen Gottesanbeterin konfrontiert.

Dracula, Frankensteins Ungeheuer, die Mumie, der Wolfsmensch – mit diesen und ein paar anderen Kreaturen verbinden wir gemeinhin den Begriff der Universal-Monster. Doch den klassischen Horrorfilmen der Universal-Studios sind von den 1920er- bis 1950er-Jahren auch ganz andere Schreckgestalten entsprungen. Man denke nur an die gigantische Spinne in „Tarantula“ (1955). In dieser Tradition steht der zwei Jahre später entstandene „The Deadly Mantis“, so der Originaltitel von „Das todbringende Ungeheuer“. „Tarantula“ entstand übrigens als direkte Reaktion auf „Formicula“ (1954), eine Produktion des konkurrierenden Studios Warner Bros., in der Riesenameisen die Menschen bedrohen, die wiederum als inspiriert von der 1952er-Wiederaufführung von „King Kong“ (1933) und von „Panik in New York“ (1953) gesehen werden kann.

Für Fans von „Formicula“ und „Tarantula“

Wer „Formicula“ und „Tarantula“ mag, wird auch am todbringenden Ungeheuer Gefallen finden, auch wenn es kein Zufall ist, dass diese beiden im Sektor des 50er-Jahre-SF-Horrors deutlich bekannter sind und eher als Klassiker gelten. Dazu passt auch, dass Anolis Entertainment „Das todbringende Ungeheuer“ erst in der „Der Fluch der Galerie des Grauens“-Reihe veröffentlicht hat, mithin schon der vierten „Galerie des Grauens“-Box. Das Aufeinandertreffen von Monster und menschlicher Beute erfolgt visuell in erster Linie mittels Schuss und Gegenschuss, was der damaligen Tricktechnik geschuldet sein mag – und dem Umstand, dass man in den 1950er-Jahren noch nicht so weit war, im Bild auch nur anzudeuten, wie die Kreatur Menschen verspeist, geschweige denn, es explizit zu zeigen. Das lässt den Film nach heutigen Maßstäben denkbar harmlos erscheinen (inwiefern diese Streifen ihr zeitgenössisches Publikum in Angst und Schrecken versetzt haben, vermag ich nicht einzuschätzen).

Vergeblich versucht Colonel Parkman, seine Leute zu erreichen

Gottesanbeterinnen eignen sich an sich vorzüglich als Horrorvorstellung. Allein schon die Tatsache, dass ihre Weibchen bisweilen die Männchen beim Paarungsakt verspeisen, lässt speziell uns Kerle frösteln. Dieser besondere Umstand kommt im Film zwar nicht zum Tragen, aber immerhin werden vornehmlich Männer vertilgt, was aber sicher keine erklärte Absicht der Filmemacher war. Da die Nahrungsaufnahme nicht gezeigt wird, sind die bedauernswerten Opfer schlicht verschwunden, wenn beispielsweise Parkman am Ort des Geschehens eintrifft.

Kann Dr. Nedrick Jackson (r.) helfen?

Das Identifikationspotenzial der Hauptfiguren ist beschränkt. Colonel Parkman und Dr. Jackson sind furchtlose Typen, die sich mutig der Gefahr stellen und natürlich die „Damsel in Distress“ Margery Blaine retten. Diese wird zwar als durchaus selbstbewusst charakterisiert, aber das durfte damals natürlich noch nicht zu weit gehen. Klar wie Kloßbrühe, dass sie beim ersten Anblick der Gottesanbeterin einen spitzen Schrei ausstößt, woraufhin Parkman und Jackson sogleich herbeieilen. Da die Gute zu Jackson ein eher freundschaftliches Verhältnis pflegt, darf sie eben in Parkmans Armen dahinschmelzen, so weit, so vorhersehbar. Am Ende hindert der Offizier sie sogar, ihrer Arbeit nachzugehen, damit er mit ihr herumknutschen kann. So wird sie von einer aktiven, berufstätigen Frau kurzerhand auf die ihr zustehende Rolle zurechtgestutzt – das Frauenbild der 50er eben. Kein Grund, den SF-Horror dieser Ära Maßnahmen der „Cancel Culture“ zu unterziehen, aber mit kritischem Blick erwähnenswert bleibt es doch.

Ein schrecklicher Anblick für die Inuit

Angaben beim American Film Institute zufolge wurde für die visuellen Effekte tatsächlich ein Pappmaché-Modell des Monsters in Originalgröße von 60 Metern (200 Fuß) erstellt. Hinzu kamen zwei kleinere Modelle, einige Aufnahmen entstanden zudem mit einer echten Gottesanbeterin. Diese Art der Tricktechnik ist heute weitgehend passé, aber der wohlige Schauder entsteht eben nicht aufgrund einer perfekten Illusion – die es nun mal nicht ist –, sondern durch den Gedanken daran, von einer riesigen Gottesanbeterin attackiert und verspeist zu werden. Etwas albern wirkt das Insekt allerdings, wenn es fliegend gezeigt wird.

Die Gottesanbeterin pirscht sich an

Auch Archivaufnahmen kamen in der Regiearbeit von Nathan Juran („Sindbads siebente Reise“, „Angriff der 20-Meter-Frau“) zum Einsatz, so etwa Szenen mit Militärflugzeugen, bei denen unterschiedliche Typen zu sehen sind, eine für Filme jener Zeit typische Ungereimtheit, auch im Finale von „Tarantula“ zu bemerken. Ein paar Sequenzen wurden dem deutsch-amerikanischen Abenteuerfilm „S.O.S Eisberg“ (1933) mit Leni Riefenstahl entnommen, etwa Bilder erschreckter Inuit.

Parkman veranschaulicht die Größe der Bestie

„Das todbringende Ungeheuer“ fügt sich als fünfter Film der vierten, „Der Fluch der Galerie des Grauens“ betitelten Reihe natürlich perfekt ins „Galerie des Grauens“-Sortiment von Anolis ein. Das Label hält erwartungsgemäß das hohe Niveau seiner Veröffentlichungen in puncto Bild- und Tonqualität sowie Ausstattung. Das Booklet ist fein bebildert und Autor Ingo Strecker berichtet gewohnt gut informiert über die Entstehung des Films. Für „Galerie des Grauens“-Sammler stellt „The Deadly Mantis“ natürlich Pflichtprogramm dar. Fans des Monsterfilms der 50er oder allgemein des SF-Horrors jener Dekade können ebenfalls bedenkenlos zugreifen, sofern sie noch fündig werden – die Filme der Reihe sind im Handel zügig vergriffen, was auch für diesen gilt. Immerhin hat Anolis ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung der Blu-ray-DVD-Kombo eine einzelne Blu-ray nachgelegt, weitere drei Monate später sogar eine Blu-ray in Hartbox, diese allerdings in Miniauflage.

Veröffentlichung: 31. Oktober 2021 als Blu-ray in auf 66 Exemplare limitierte und handnummerierte große Hartbox, 7. Juli 2021 als Blu-ray, 29. Januar 2021 als 2-Disc Edition (Blu-ray & DVD, Teil 5 der Reihe „Der Fluch der Galerie des Grauens“)

Länge: 79 Min. (Blu-ray), 77 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: The Deadly Mantis
USA 1957
Regie: Nathan Juran
Drehbuch: Martin Berkeley
Besetzung: Craig Stevens, William Hopper, Alix Talton, Donald Randolph, Pat Conway, Florenz Ames, Paul Smith, Phil Harvey, Floyd Simmons, Paul Campbell, Helen Jay
Zusatzmaterial: US-Kinotrailer (vintage und restauriert), Bildergalerie, Wendecover, nur 2-Disc Edition: Audiokommentar mit Dr. Rolf Giesen und Volker Kronz (Deutsch, Englisch), deutscher Trailer, Super-8-Fassung, 24-seitiges Booklet mit einem Text von Ingo Strecker
Label/Vertrieb: Anolis Entertainment

Copyright 2022 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & unterer Packshot: © 2021 Anolis Entertainment

 

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