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Horror für Halloween (XXVI) / Dario Argento (XIII): Dämonen – Das Grauen aus der Glotze

23 Okt

Dèmoni 2… l’incubo ritorna

Von Volker Schönenberger

Weil Dario Argento auch „Dämonen“ produzierte und gemeinsam mit drei anderen Autoren fürs Drehbuch verantwortlich zeichnet, reihen wir dieses Sequel ebenfalls bei unserer Argento-Retrospektive ein.

Horror // Eine (namentlich nicht genannte) Großstadt in der Bundesrepublik Deutschland: Im modernen Wohn-Hochhaus „The Tower“ wird der Abend eingeläutet, die Bewohnerinnen und Bewohner bereiten sich auf die Nacht vor. George (David Edwin Knight) kehrt heim zu seiner schwangeren Ehefrau Hannah (Nancy Brilli). Ihm bereitet eine morgige Prüfung Sorgen, doch sie spricht ihm Mut zu. Das Callgirl Mary (Virginia Bryant) besucht einen Freier, und Sally (Coralina Cataldi-Tassoni) hat Freundinnen und Freunde zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen. Doch sie fühlt sich mit ihrem Äußeren unglücklich, und als sich ein unliebsamer Gast ankündigt, verzieht sie sich in ihr Zimmer. Dort schaut sie im Fernsehen – ebenso wie andere in „The Tower“ – eine Dokumentation über ein wenige Jahre zuvor über Berlin hereingebrochenes dämonisches Inferno (gemeint sind die Ereignisse aus dem Vorgängerfilm „Dämonen 2“ von 1985).

Reminiszenz an Cronenbergs „Videodrome“

Auf dem Bildschirm dringen vier junge Leute über eine hohe Mauer in die verbotene Zone ein, in der sich das schreckliche Geschehen seinerzeit abgespielt hatte. Dabei erwecken sie einen vermeintlich toten Dämon mit ein paar versehentlich vergossenen Blutstropfen zum Leben (so recht wie eine Doku wirken die Bilder nicht mehr, womöglich handelt es sich um einen Spielfilm, dessen vorherige Szenen dokumentarisch inszeniert waren). Sally wird von dem Gezeigten ganz in den Bann gezogen. Dann dreht sich der Dämon und vormalige Mensch um, schaut genau in die Kamera – in Sallys Augen. Er wird doch nicht? Er kann doch nicht? Doch! Die Kreatur zwängt sich durch den Fernsehbildschirm in Sallys Zimmer (David Cronenbergs drei Jahre älterer „Videodrome“ stand hier klar erkennbar Pate). Wie damals das Kino in Berlin wird nun auch „The Tower“ zum Schauplatz eines dämonischen Infernos.

Der guten Ordnung halber sei auch hier die korrekte Reihung erwähnt: Erst kam „Dämonen 2“ („Démoni“), dann dessen Fortsetzung „Dämonen“ („Dèmoni 2… l’incubo ritorna“). „Démoni“ hatte es nicht in die bundesdeutschen Kinos geschafft, weshalb der deutsche Verleih anlässlich des Kinostarts von „Dèmoni 2… l’incubo ritorna“ einfach die „2“ aus dem Titel entfernte und den Film unter dem Titel „Dämonen“ vermarktete. Als schließlich „Démoni“ die deutschen Videotheken erreichte, landete die „2“ in dessen Titel. Seltsam? Aber so steht es geschrieben …

Das Hochhaus und die Fernseher

„Dämonen“ wirkt phasenweise wie ein nicht zu Ende gedachter Versuch, auf den Erfolg des Vorgängers aufzusatteln. Wechselte „Dämonen 2“ noch gekonnt zwischen Augenzwinkern und düsterem Horror hin und her, so geht diese Kombination der Fortsetzung ab. Das mag auch am zurückgeschraubten Splatter liegen, hier wäre weniger Zurückhaltung angesagt gewesen. Auch den Schauplatz reizt Regisseur Lamberto Bava nicht aus, die abgeschottete Dynamik des Hochhauskomplexes wussten David Cronenberg in „Shivers – Parasiten-Mörder“ (1975) und viel später Ben Wheatley in „High-Rise“ (2015) versierter einzusetzen. Zudem spielt das Motiv des Films im Film zu schnell keine Rolle mehr. „Dämonen“ verpasst hier die Gelegenheit, das Medium Fernsehen stärker einzubinden und kritisch zu thematisieren.

Wie beim Vorgänger lässt sich konstatieren, dass die Dämonen Zombies ähneln und sich auch wie diese gebärden. Letztlich erzählt „Dämonen“ eine ähnliche Geschichte in einem anderen Setting – Kino dort, Wohnkomplex hier. Hübsch blutig geht es zu, ohne in eine Splatter-Orgie auszuarten. 1988 indizierte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (heute: Medien) sogar eine gekürzte Version des Films. Die Indizierungen sind mittlerweile aufgehoben, dennoch hat es bislang noch keine ungeschnittene DVD oder Blu-ray in den deutschen Handel geschafft (auf die Auflistung der gekürzten Editionen habe ich verzichtet). In Österreich wird man fündig (XT Video / NSM Records), ebenso in den USA (Synapse) und dem Vereinigten Königreich (Arrow Video), wobei an der Bildqualität bei Arrow auch schon Kritik laut wurde, siehe etwa diesen Bildvergleich. Obendrein existieren mehrere Schnittfassungen, über deren Unterschiede diverse Schnittberichte Aufschluss geben.

Hamburg!

Zwar wird die Stadt nicht genannt, in der sich das Geschehen abspielt, aber Ortskundige werden erkennen, dass viele Außenaufnahmen in Hamburg gedreht worden sind. Zu sehen ist der Rathausmarkt, wo offenbar zum Zeitpunkt der Dreharbeiten gerade ein „Stuttgarter Weindorf“ aufgebaut war (die Veranstaltung lief von Mitte der 1980er bis zum Jahr 2015 und erfreute sich bei weinseligen Hamburgerinnen und Hamburgern großer Beliebtheit). Im Auto geht es durch die Mönckebergstraße und über die Reeperbahn. Nur das Äußere des Hochhauses vermochte ich nicht zu lokalisieren. Womöglich steht es in Frankfurt/Main, das bei Wikipedia als Drehort genannt ist. Die Innenaufnahmen entstanden in einem Studio in Rom.

Von Simon Boswell zu The Smiths

Den elektronischen Score von Simon Boswell („Lord of Illusions“) ergänzen schmissige Hits jener Zeit, darunter „Heartache“ von Gene Loves Jezebel, „Panic“ von The Smiths, „Power“ der Fields of the Nephilim und „Kundalini Express“ von Love and Rockets (letztgenannter Song für mich ein echter Geheimtipp). Passende Untermalung eines ausgelassenen Horror-Sequels, das dem Vorgänger nicht das Wasser reichen kann, letztlich aber doch zu unterhalten vermag. Wer „Dämonen 2“ mag, wird mit ein paar Abstrichen auch an der Fortsetzung „Dämonen“ Gefallen finden. Und da beide Filme beispielsweise von Arrow Video auch in Kombi-Editionen veröffentlicht wurden, kann man sie sowieso als Einheit genießen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Dario Argento und Lamberto Bava haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Asia Argento unter Schauspielerinnen.

Veröffentlichung: keine Angabe

Länge: 91 Min. (Blu-ray), 87 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK ungeprüft
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Italienisch
Untertitel: keine Angabe
Originaltitel: Dèmoni 2… l’incubo ritorna
Alternativtitel: Dance of the Demons 2
Internationaler Titel: Demons 2
IT 1986
Regie: Lamberto Bava
Drehbuch: Dario Argento, Lamberto Bava, Dardano Sacchetti, Franco Ferrini
Besetzung: David Edwin Knight, Nancy Brilli, Coralina Cataldi-Tassoni, Bobby Rhodes, Asia Argento, Virginia Bryant, Anita Bartolucci, Antonio Cantafora, Luisa Passega, Davide Marotta, Marco Vivio, Dario Casalini, Michele Mirbella, Lorenzo Gioielli, Maria Chiara Sasso
Zusatzmaterial: keine Angabe
Label/Vertrieb: keine Angabe

Copyright 2022 by Volker Schönenberger

 

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