RSS

Lucky Day – Aus dem Knast in den Schlamassel

31 Aug

Lucky Day

Kinostart: 14. September 2023

Von Volker Schönenberger

Actionkomödie // Nach zwei Jahren Knast kehrt der Safeknacker Red (Luke Bracey) zu Ehefrau Chloe (Nina Dobrev) und Tochter Beatrice „Bea“ (Ella Ryan Quinn) nach Los Angeles zurück. Sein Kumpel Leroy (Clé Bennett) hat immerhin die Bundesanleihen aufgewahrt, Beute des gemeinsamen Raubzugs, für den Red verurteilt worden war. Dass ihm sein Bewährungsoffizier Ernesto Sanchez (Clifton Collins Jr.) im Nacken sitzt, stellt ein vergleichsweise kleines Übel dar, denn noch ahnt er nicht, dass ihm bereits der so psychopathische wie unerbittliche Killer Luc Chaltiel (Crispin Glover) auf den Fersen ist. Der erste Tag in Freiheit scheint sich nicht zu seinem Glückstag zu entwickeln.

Raus aus dem Knast, rein ins Vergnügen

Nach Logik oder einer kohärenten Story sucht man bei „Lucky Day“ vergeblich, beides spielt keine Rolle. Die Krimikomödie gefällt sich in überdrehter Action mit hohem Blutzoll – der Body Count steigt jedenfalls stetig an. Das Vergnügen ist allerdings zwiespältig: Zwar bringt es durchaus Freude, Luc Chaltiel dabei zuzusehen, wie er sich durchs Geschehen metzelt (etwa bei der Beschaffung fahrbarer Untersätze); viele Szenen kranken aber daran, dass Crispin Glover („Zurück in die Zukunft“) hemmungsloses Overacting geradezu zelebriert. So hat Luc einen falschen französischen Akzent kultiviert, weil er offenbar ein Faible für Frankreich hat und als Franzose gelten will. Das Land spielt ohnehin eine Rolle, da Chloe daraus stammt. Sie hat ihrer Tochter Bea während Reds Knastaufenthalt Französisch beigebracht, sodass die Kleine nun partout kein Englisch mehr sprechen will – zum Leidwesen ihres Vaters, der kein Wort Französisch kann.

Luc Chaltiel sucht sich ein Auto aus

Der Humor zündet obendrein nicht immer. Dass Luc mehr oder weniger versehentlich einen Polizisten tötet, weil er mit den Hebeln des gerade geklauten Lowrider-Autos nicht zurechtkommt, mag man noch abtun, es bekommt aber einen faden Beigeschmack, wenn man weiß, dass Drehbuchautor und Regisseur Roger Avary 2009 nach einem Verkehrsunfall unter Drogeneinfluss wegen Totschlags verurteilt wurde und auch einige Monate im Gefängnis verbrachte. Nicht mehr zeitgemäß wirkt es auch, dass Luc beim Waffenkauf einfach die Freundin (Gabrielle Graham) des Waffenhändlers Jean-Jacques (Tomer Sisley) einfordert und auch bekommt, um mit ihr eine Nummer auf der Damentoilette zu schieben. Die Szene spielt im Übrigen in einer Bar und gibt Mark Dacascos („John Wick – Kapitel 3“, „Pakt der Wölfe“) Gelegenheit zu einem kurzen Cameo-Auftritt – warum auch immer. Hauptdarsteller Luke Bracey („Elvis“) wiederum fehlt das Format, den Film als Protagonist zu tragen.

Welche Wummen sollen es werden?

So hangelt sich der in Kanada gedrehte „Lucky Day“ von einer Pointe zum nächsten Kill, offenbart dabei massive Unwuchten und und erweckt den Eindruck, als sei Roger Avary in den 90ern stehengeblieben. Der Handlungsstrang von Rückkehrer Red läuft dabei parallel zu Luc Chaltiels Eintreffen in Los Angeles und einem weiteren Plot um Chloes Dasein als Kunstmalerin, die sich just vor einer wichtigen Vernissage der Avancen des in sie verknallten Galeristen Derrek Blarney (David Hewlett) erwehren muss. Phasenweise fällt das durchaus vergnüglich aus, insgesamt ist das aber zu wenig, um die Lücken und Macken zu kaschieren.

Buch und Regie: Roger Avary

Roger Avarys Filmografie fällt übersichtlich aus. „Lucky Day“ markiert erst seine achte Regiearbeit, darunter ein Kurzfilm und ein Musikvideo. Immerhin hat er mit „Killing Zoe“ (1993) einen Kultfilm inszeniert, auch „Die Regeln des Spiels“ ist bemerkenswert. Noch mehr Aufmerksamkeit verdient sein Wirken als Drehbuchautor: Zu Quentin Tarantinos Regiedebüt „Reservoir Dogs – Wilde Hunde“ (1992) steuerte er einige Radiodialoge bei. Der ursprüngliche Entwurf von Tarantinos Skript zu „True Romance“ (1993, Regie: Tony Scott) trägt den Titel „The Open Road“ und stammt von Avary. Das Drehbuch zu Tarantinos „Pulp Fiction“ (1994) schrieben die beiden gemeinsam. Die zwei alten Kumpels entzweiten sich aber darüber, dass Tarantino mittels „written by“ im Abspann die Autoren-Credits einstrich, während Avary lediglich unter „Stories“ genannt wurde. Mittlerweile haben sie sich aber wieder vertragen, betreiben gemeinsam den Podcast „Video Archives“. Darin reden sie über Filme aus Tarantinos Sammlung, die dieser allesamt als VHS-Kassetten gekauft hatte, als die Videothek geschlossen wurde, in der die beiden vor dem Weltruhm gearbeitet und einander kennengelernt hatten.

Für „Silent Hill – Willkommen in der Hölle“ (2006) wird Avary als einziger Autor geführt, das Skript von „Die Legende von Beowulf“ (2007) schrieb er gemeinsam mit Neil Gaiman. Trotz der vergleichsweise geringen Zahl an Regie- und Drehbucharbeiten an sich mehr als genug Erfahrung, um eine kernige Actionkomödie abzuliefern. „Lucky Day“ ist leider keine solche geworden. Schade drum. drum. Welche sich tarantinoesk gebenden Actionkomödien und -thriller könnt Ihr empfehlen?

Luc beim Probeschuss

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Mark Dacascos und Crispin Glover haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Red (l.) besucht Kumpel Leroy

Veröffentlichung: 14. Dezember 2023 als 2-Disc Limited Edition Mediabook (2 Blu-rays), Blu-ray, DVD und Video on Demand

Länge: 108 Min. (Blu-ray), 104 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Lucky Day
F/KAN 2019
Regie: Roger Avary
Drehbuch: Roger Avary
Besetzung: Luke Bracey, Nina Dobrev, Crispin Glover, Mark Dacascos, Ella Ryan Quinn, Clé Bennett, Clifton Collins Jr., David Hewlett, Nadia Farès, Tomer Sisley, Roberto Campanella, Gabrielle Graham, Josie Ho, Darrin Baker, Wole Daramola
Zusatzmaterial: deutscher Trailer, Originaltrailer, Trailershow, nur Mediabook: Interviews, Musikvideo, Behind the Scenes, 16-seitiges Booklet, Deckblatt, nur Blu-ray und DVD: Wendecover
Verleih/Label: Busch Media Group
Vertrieb: Al!ve AG

Copyright 2023 by Volker Schönenberger

Filmplakat & Szenenfotos: © 2023 Busch Media Group

 
24 Kommentare

Verfasst von - 2023/08/31 in Film, Kino, Rezensionen

 

Schlagwörter: , , , , , , , , ,

24 Antworten zu “Lucky Day – Aus dem Knast in den Schlamassel

  1. Benjisson

    2024/01/23 at 12:55

    The Way of the Gun
    Running Scared (mit Paul Walker)
    Thursday
    Snatch (von Guy Ritchie)
    Sushi Girl (mit „Luke Skywalker“; absolut widerlichen Typen spielt er hier)

     
  2. Thomas Oeller

    2024/01/01 at 09:41

    Keine Ahnung ob es passt, aber einfallen würde mir da zb „Der blutige Pfad Gottes“

     
  3. Birgit

    2023/12/27 at 13:15

    Würde hier auf jeden Fall auch „Natural Born Killers“ von Oliver Stone hinzurechnen.

     
  4. Thomas Muranyi

    2023/12/25 at 10:36

    „Go“ von Doug Lima

     
  5. Michael Behr

    2023/12/22 at 13:47

    Außer dem vielfach genannten „Lucky Number Slevin“ fällt mir da jetzt gerade auch nichts ein. Vielleicht habe ich auch zu wenig Tarantino gesehen, um da qualifiziert mitreden zu können (tatsächlich „fehlt“ mir etwa die Hälfte seiner Filme noch – allerdings nicht wirklich, wie man sich vielleicht denken kann *g).

     
  6. Fabi

    2023/12/21 at 15:42

    Ich mag die Bezeichnung ehrlich gesagt nicht wirklich. Alles, was irgendwie coole Gangster und Offbeat-Dialoge hat wird immer sofort als tarantinoesk deklariert, als ob er da ein Patent drauf hätte…
    Um aber trotzdem was zu nennen, geselle ich mich mal zu den „Lucky # Slevin“-Fans. 🙂

     
  7. Klaus

    2023/12/17 at 17:31

    Mein Tipp wäre „Bad Times at the El Royale“.

     
  8. Samara

    2023/12/17 at 16:14

    Ich kenne nur den Film Lucky Number Slevin der mir einfällt und ich weiter empfehlen kann.

     
  9. Steffen

    2023/12/17 at 06:43

    Das ist gar nicht so einfach, aber ich denke „Lucky Number Slevin“ geht ganz gut in diese Richtung.

     
  10. Henry Westphäling

    2023/12/16 at 23:39

    Love And A .45 & Thursday – Ein mörderischer Tag

     
  11. Merlin

    2023/12/16 at 20:20

    Wheels (1999)

     
  12. Linda

    2023/12/16 at 19:11

    Bullet train 🚄 schönen dritten Advent morgen

     
  13. Frank Warnking

    2023/12/16 at 06:35

    Gunpowder Milkshake und Bullet Train

     
  14. Dirk Pötter

    2023/12/15 at 15:05

    Thursday – Ein mörderischer Tag

     
  15. Johannes benz

    2023/12/15 at 14:56

    Gunpowder milkshake |*

     
  16. Oliver Maey

    2023/12/15 at 14:50

    Killing Zoe & True Romance (erster von Tarantino produziert, zweiter mit Tarantino Drehbuch)

    Dann kann man noch „Love and a 45“ nennen, der ebenfalls im Tarantino Fahrwasser der 90er rumplätscherte oder auch „Cold Blooded“

     
  17. Claudia Benz

    2023/12/15 at 14:37

    Lucky number slevin Wünsch dir eine schöne Adventszeit Bussi

     
  18. Thomas P.

    2023/12/15 at 14:07

    Ich werfe mal ganz mutig den dänischen „In China essen sie Hunde“ (1999) von Lasse Spang Olsen in den Ring.

     
  19. Jürgen

    2023/12/15 at 11:26

    Gunpowder Milkshake und Guns Akimbo.

     
  20. Björn Kramer

    2023/12/15 at 10:56

    Lucky number slevin

     
  21. JensA

    2023/12/15 at 10:34

    Snatch würde mir noch einfallen, aber ob der tarantinoesk ist?

     
  22. Andreas Laskowski

    2023/12/15 at 10:00

    Mir fällt gerade nichts ein

     
  23. Martin

    2023/12/15 at 07:25

    Lucky Number Slevin ist ziemlich Tarantino like, finde ich, oder einige Guy Ritchie Filme gehen etwas in die Richtung

     
  24. darthoedel

    2023/12/15 at 06:06

    „Lucky Number Slevin“ und „Schnappt Shorty“.

     

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..