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Sting – Kein Spaß für Arachnophobiker

10 Jun

Sting

Kinostart: 20. Juni 2024

Von Christoph Leo

Horror // Als die zwölfjährige Charlotte (Alyla Browne) eine kleine Spinne findet und diese freundschaftlich auf den Namen „Sting“ tauft, bildet das den Auftakt grauslicher Ereignisse. Es wird nicht bei einem harmlosen kleinen Krabbler bleiben, denn Sting hat Hunger und niemand kann sich in dem Wohnkomplex sicher fühlen.

Sting noch ganz klein

„Sting“ (2024) lief bereits bei den Fantasy Filmfest Nights und hat nach meiner Beobachtung relativ gute bis mittelmäßige Kritiken bekommen. Auch konnte ich im Internet vernehmen, dass die Spezialeffekte von mancher Seite kritisiert und von anderer Seite gelobt werden, zu den Effekten aber später mehr. Die Geschichte des australischen Horrorfilms ist klassisch aufgebaut und erinnert an Horrorfilme der 80er- und 90er-Jahre, die mit begrenztem Budget auskommen mussten – ich denke dabei an Filme wie „Der Blob“ (1988), „Chucky – Die Mörderpuppe“ (1988) und „Anaconda“ (1997). Nachdem Charlotte die kleine und irgendwie auch niedliche Spinne gefunden hat, füttert sie diese mit Kakerlaken (außerdem kann die Spinne Pfeiftöne imitieren), parallel wird die Familiensituation samt Problemen etabliert. Charlotte lebt mit ihrer Mutter Heather (Penelope Mitchell) und ihrem Stiefvater Ethan (Ryan Corr) im Mehrfamilienhaus der Großtante, das wir so gut wie nie verlassen, eine örtliche Beschränkung, die der Geschichte zugutekommt.

Spinnenangst? Seht euch vor!

Charlotte ist Comic-Fan, zusammen mit ihrem Stiefvater hat sie einen Comic entwickelt, der bereits einen Verlag hat. Ethan steht dabei unter großem Druck, ist er tagsüber als Hausmeister in dem Wohnhaus unterwegs, zeichnet er nachts den Comic. Der Mittelteil wird für einige Raubzüge der Spinne genutzt, die sich durch die Lüftungsschächte bewegt und stetig wächst. Hier sind bereits einige eklige Szenen vorhanden, in denen es etwas splattert, aber auch Arachnophobiker auf ihre Kosten kommen. Sicher wären mehr Szenen mit der Spinne wünschenswert gewesen, aber es hält sich in einen durchaus angemessenen Rahmen, sodass keine Langeweile aufkommt. Das Finale ist natürlich für den Showdown zwischen Mensch und Spinne vorbehalten, wodurch eine klassische Erzählstruktur aufrechterhalten wird. Die Nebenfiguren bedienen dabei ähnliche Klischees wie bei vergleichbaren filmischen Vertretern. Die bösartige Großtante Gunter (Robyn Nevin), ein Biologe (Danny Kim) der seltsame Experimente mit Fischen in seinem Appartement veranstaltet, die allein lebende Maria (Silvia Colloca) und der völlig überdrehte Kammerjäger Frank (Jermaine Fowler), der für meinen Geschmack etwas zu viel des Guten war. Zudem wohnt Charlottes demente Großmutter Helga (Noni Hazlehurst) in dem Haus, mit der wir übrigens auch in die Geschichte starten, die sich uns als Rückblende entfaltet.

Ein erstes blutiges Opfer

So ganz weiß Regisseur Kiah Roache-Turner nicht, welche Tonalität er bei „Sting“ treffen will. Einige Szenen beinhalten Familiendrama, andere wirken durch ihre überzogenen Charaktere wieder komödienhaft. Die Raubzüge der Spinne fallen dabei vergleichsweise blutig aus, halten sich aber gewalttechnisch in Grenzen – an einen „Der Blob“ kommen sie bei Weitem nicht heran, wobei das quasi Resultat der jeweiligen Bedrohungen auch nicht miteinander verglichen werden kann. Die Spinne tötet jedenfalls zum größten Teil nicht sofort, sondern webt ihre Opfer ein und frisst später. Durch ihre Nahrungszüge durchs Haus erreicht sie im weiteren Verlauf eine beachtliche Größe. Um nun zu der Tonalität zurückzukommen: Ein Großteil der Tötungen oder Einwebungen ist blutig und nicht humorvoll. Hier hätte ich mir beispielsweise gewünscht, dass der Kammerjäger Frank keine so völlig überdreht Figur geworden wäre, die im weiteren Verlauf auch noch einen Satz aus „Predator“ (1987) zitiert, aber das war auch der einzige zu überdrehte Charakter, was mich am Ende nicht wirklich gestört oder aus der Geschichte geworfen hat.

Effekte von Wētā

Die visuellen Effekte stammen von der berühmten neuseeländischen Effektschmiede Wētā und sind überwiegend im Dunkeln gehalten, vermutlich aus Kostengründen. Das kaschiert etwaige Schwächen der Animationen meines Erachtens gut, „Sting“ zeigt die Spinne eh nie so richtig in Gänze, mal wird auch mit Unschärfen gearbeitet (wenn sich der Achtbeiner zum Beispiel im Hintergrund an der Decke nähert). Für einige Nahaufnahmen kamen auch gut sichtbar Modelle zum Einsatz, was mir gut gefiel. Insgesamt habe ich an den Effekten nichts auszusetzten, da sie den gewünschten Ekeleffekt hervorriefen und auf mich nie billig wirkten.

Schon ist der Kammerjäger zur Stelle

Die Darstellerinnen und Darsteller agieren alle ordentlich, wobei hier Alyla Browne als zwölfjährige Charlotte und ihr Stiefvater Ben (Ryan Corr) mit ihrer Beziehung hervorstechen. Charlotte ist oft genervt, da sie sich um ihren kürzlich geborenen kleinen Bruder kümmern muss, das vermittelt die Darstellerin im Teenageralter aber keineswegs auf nervige Weise. Alyla Browne überzeugt übrigens auch als titelgebende junge Furiosa in George Millers „Furiosa – A Mad Max Saga“ (2024).

Vom Regisseur der „Wyrmwood“-Filme

Regisseur Kiah Roache-Turner ist mir bisher von seinem Endzeit-Zombiefilm „Wyrmwood – Road of the Dead“ (2014), mit welchem er ebenfalls aus einem kleinen Budget das Optimum herausholte. Dessen Fortsetzung „Wyrmwood – Apocalypse“ (2021) habe ich (im Gegensatz zum Blogbetreiber Volker) bislang nicht gesehen, will das aber nachholen.

Sting wächst schnell und ist hungrig

Kameramann Brad Shield („Sweetwater – Rache ist süß“) hat viel Erfahrung als Second-Unit-Kameramann für australische Drehorte großer Hollywoodproduktionen gesammelt, darunter „Wolverine – Weg des Kriegers“ (2013), „Pirates of the Caribbean – Salazars Rache“ (2017), „Godzilla vs. Kong“ (2021) und „Thor – Love and Thunder“ (2022). Für „Sting“ hat er äußerst effektiv gearbeitet, teilweise hat es den Anschein, als würden wir der Spinne durch die Lüftungsschächte oder über den Hausflur folgen. Die Kamera ist in den richtigen Momenten ruhig gehalten, lediglich die Ausleuchtung des Films ist, ob beabsichtigt oder nicht, recht dunkel geraten, sodass man nicht alle Aktionen der Spinne geschweige denn das Tier selbst perfekt erkennen kann – für mich aber eher ein Pluspunkt.

Es geht blutig und unheimlich zu

„Sting“ ist ein effektiver Spinnenhorrorfilm, der eine gute Mischung aus Horror und Familiendrama hinbekommt, auch weil das Drama nie zu groß ausgewalzt wird. Wenn die Spinne Sting (die übrigens nicht gar sticht) auf ihre Beutezüge geht, wird es blutig und unheimlich. Arachnophobikern prognostiziere ich ihre helle Freude, so sie denn an Konfrontationstherapie Freude empfinden. Der Showdown ist als klassischer Kampf Mensch gegen Spinne inszeniert. Manche Szenen wirken, als ob sich Kiah Roache-Turner nicht zwischen einem düsteren, brutalen Horrorfilm oder einer Gruselkomödie entscheiden konnte. Insgesamt überwiegt aber doch eher der Horror.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Kiah Roache-Turner haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Alylah Browne und Penelope Mitchell unter Schauspielerinnen, Filme mit Ryan Corr in der Rubrik Schauspieler.

Kann die Familie die Spinne gemeinsam bezwingen?

Länge: 92 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Originaltitel: Sting
AUS/USA 2024
Regie: Kiah Roache-Turner
Drehbuch: Kiah Roache-Turner
Besetzung: Alyla Browne, Jermaine Fowler, Ryan Corr, Penelope Mitchell, Robyn Nevin, Noni Hazlehurst, Danny Kim, Silvia Colloca, Tony J Black, Rowland Holmes, Alcira Carpio
Verleih: Studiocanal

Copyright 2024 by Christoph Leo

Filmplakat & Szenenfotos: © 2024 Studiocanal

 

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