All Is Lost
Kinostart: 9. Januar 2014
Abenteuerdrama // Irgendwo auf dem Indischen Ozean: Ein Mann (Robert Redford) schreckt auf seiner Segelyacht hoch, geweckt von einem lauten Knall und in die Kajüte eindringendem Wasser. Ein in der See treibender Container hat ein großes Loch ins Boot gestoßen. Vorerst lakonisch tut der Skipper, was er tun muss: die Yacht vom Container lösen, das Leck notdürftig flicken, das Wasser aus dem Boot pumpen – manuell, denn die Elektronik hat etwas abbekommen. Navigations-Ausrüstung und Funkgerät sind ebenfalls defekt. Auf hoher See hofft der einsame Segler, dass ihn Wind und Strömung in eine vielbefahrene Schifffahrtsstraße treiben. Dann zieht ein Sturm auf.
Nur ein Schauspieler, so gut wie kein Text – das funktioniert
Mit seinem Kinodebüt „Der große Crash – Margin Call“ lieferte Regisseur J. C. Chandor 2011 einen klugen Kommentar zur weltweiten Bankenkrise ab, der mit etlichen Topstars aufwartete, darunter Zachary Quinto („Star Trek – Into Darkness“) und Kevin Spacey. „All Is Lost“ hat nur einen Star, gar nur einen einzigen Schauspieler. Auf den konnte sich Chandor glücklicherweise verlassen, das mittlerweile vom Alter stark zerfurchte Gesicht des 1936 geborenen Robert Redford vermittelt glaubhaft die Emotionen, die der namenlos bleibende Protagonist durchlebt, sei es Hoffnung oder Hoffnungslosigkeit. Mit Ausnahme eines Fluches, einiger Hilferufe und eines zu Beginn rezitierten Abschiedsbriefes kommt „All Is Lost“ ohne Text aus.
Es ist eine weise Entscheidung, die Gedanken und Gefühle des Mannes eben nicht mittels Stimme aus dem Off zu vertonen. Wenn man einen Robert Redford hat, kann man auf gesprochene innere Monologe verzichten. Die Golden-Globe-Nominierung hat sich der Schauspieler redlich erarbeitet – auch ohne Dialoge oder Monologe. Eine Oscar-Nominierung wäre keine Überraschung.
Kammerspiel auf hoher See
Zum ganz großen Wurf reicht’s für „All Is Lost“ dennoch nicht ganz, wobei es schwerfällt, Kritik an Details festzumachen. Auf manch einen Kinogänger wird die Geschichte vom Überlebenskampf womöglich arg simpel wirken. Langeweile kommt allerdings nicht auf; es ist interessant, den Mann beim Arbeiten fürs Überleben zu beobachten. Im Sturm und später wird’s richtig spannend – auch wenn dann mal ein Schiff vorbeifährt. Vielleicht ist es der Verzicht auf Text, der mit üblichen Kinogewohnheiten schwer zu vereinbaren ist. Der Skipper will überleben und tut einiges dafür, mehr erfahren wir nicht von ihm – zu wenig, um sich mit ihm emotional verbunden zu fühlen? Das wird der eine so, der andere so empfinden. Als berührendes Kammerspiel auf hoher See hat „All Is Lost“ jedenfalls eine wohlwollende Sichtung verdient. Und wer weiß – vielleicht wird er dereinst als große Ein-Mann-Schauspielkunst seinen Rang in der Filmgeschichte finden.
Dreharbeiten im Bassin von „Titanic“
Gedreht wurde zum Teil im großen Bassin im mexikanischen Rosarito, wo James Cameron viele Wasserszenen für „Titanic“ gefilmt hat. Weitere Außenaufnahmen entstanden vor Mexiko, vor Kalifornien und nahe den Bahamas. Gemäß Presseheft wurden drei Segelboote verwendet – eines für Außenaufnahmen, eines für Innenaufnahmen, eines für Spezialeffekte.
Die Maersk Line im Film
Eines der Frachtschiffe, die an dem Schiffbrüchigen vorbeifahren, ist ein Schiff der Maersk Line. Wie mir eine Pressesprecherin des Unternehmens auf Anfrage mitteilte, handelt es sich dabei um die „Marit Maersk“, die beim Auslaufen des Hafens von Los Angeles gefilmt worden ist. Die Reederei hat bereits die Dreharbeiten zum auf einer wahren Begebenheit beruhenden Action-Abenteuer „Captain Phillips“ unterstützt. Die „Marit Maersk“ hat sich auch schon in deutschen Gewässern aufgehalten: Sie hat unter anderem auf ihrer Jungfernfahrt im Februar 2009 Hamburg angelaufen und war mit ihrer Länge von 367 Metern das bis dato längste Schiff, das je im Hafen der Hansestadt festgemacht hat.
Überlebt der Skipper?
Stirbt der Mann oder überlebt er? Dieser Spoiler wäre unfair, er ist aber ohnehin unmöglich: Während einer Frage-und-Antwort-Runde beim Telluride Film Festival im August befragte der Moderator dazu das Publikum, das den Film gerade gesehen hatte. Die Hälfte der Zuschauer war der Meinung, er habe überlebt, die andere Hälfte glaubte, dass er stirbt.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von J. C. Chandor sind in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme von und/oder mit Robert Redford in der Rubrik Schauspieler.
Länge: 106 Min.
Altersfreigabe: FSK 6
USA 2013
Regie: J. C. Chandor
Drehbuch: J. C. Chandor
Besetzung: Robert Redford
Verleih: Universum Film
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