Omohide poro poro
Von Matthias Holm
Anime-Melodram // Allmählich verringert sich die Anzahl der Ghibli-Filme, die hierzulande noch auf Blu-ray fehlen. Erst im September ist „Das Königreich der Katzen“ erschienen, nun kommt „Tränen der Erinnerung – Only Yesterday“ in die Läden. Mit diesem Film drehte Isao Takahata nach „Die letzten Glühwürmchen“ seinen zweiten Spielfilm für das 1991 noch junge Studio Ghibli.
Von Tokio auf das Distelfeld
Taeko ist 27, unverheiratet und fristet ihr Dasein 1982 als Büroangestellte in Tokio. Doch in ihrem Urlaub blüht sie auf – dann fährt sie immer aufs Land, um dort bei der Färberdistel-Ernte zu helfen. Während sie ihre Tage auf dem Feld verbringt, erinnert sich Taeko an ihre Jugend in der Großstadt.
Damit ist auch schon der komplette Plot erklärt. Viel passiert nicht in „Tränen der Erinnerung“. Dafür sind Taekos Gedanken umso interessanter. Aus ihren Erfahrungen als Zehnjährige schöpft sie neue Erkenntnisse, die für sie als erwachsene Frau wichtig sind. Auch ist es spannend zu sehen, wie sich unsere Protagonistin verändert hat. Ist sie als junges Mädchen noch eine ziemlich zickige Göre, hat sich die erwachsene Taeko zu einem aufgeschlossenen und munteren Menschen entwickelt.
Erinnerungen in Aquarell
Dabei sieht der Film für sein Alter sehr hübsch aus. Dass die Blu-rays aus der Studio Ghibli Collection ein herausragendes Bild haben, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. Aber viel mehr begeistert die Art, wie die beiden erzählerischen Ebenen auseinandergehalten werden. Während die Geschichte in der Gegenwart des Films im herkömmlichen japanischen Animationsstil gehalten ist, verwendet Takahata bei den Erinnerungssequenzen einen bildschönen Aquarell-Stil.
Das macht sich vor allem bei den Hintergründen bemerkbar. Während Taekos Elternhaus sehr klar und deutlich gezeichnet wird, verschwimmen Hintergründe wie Spiel- und Schulplätze extrem – wie eben auch unsere Erinnerungen an diese Orte unserer Kindheit. Dazu steuert Katsu Hoshi einen Soundtrack bei, der zwar nicht an die Meisterwerke eines Joe Hisaishi herankommt, sich aber zurückhält und die Bilder angenehm untermalt.
Alles für das Landleben!
Einen Kritikpunkt habe ich allerdings an den Film – er glorifiziert das Landleben extrem. Diverse Probleme werden zwar von den Figuren angesprochen, letzten Endes aber einfach unter den Tisch gekehrt – auf dem Land ist doch alles eh viel schöner. Diese Einstellung wirkt enorm naiv und kindisch.
Das ändert nichts daran, dass „Tränen der Erinnerung – Only Yesterday“ ein guter Film ist. Er erreicht nicht die Brillianz von „Prinzessin Mononoke“, auch nicht die emotionale Wucht von Takahatas Vorgänger „Die letzten Glühwürmchen“. Aber es ist ein schönes, ruhiges Werk, das seine Zuschauer über ihre eigene Vergangenheit nachdenken lässt.
Veröffentlichung: 11. Dezember 2015 als Blu-ray, 24. Juli 2015 als DVD, 6. Juni 2006 als Special Edition Doppel-DVD
Länge: 119 Min.
Altersfreigabe: FSK freigegeben ohne Altersbeschränkung
Sprachfassungen: Deutsch, Japanisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Omohide poro poro
Internationaler Titel: Only Yesterday
JAP 1991
Regie: Isao Takahata
Drehbuch: Isao Takahata, nach einem Manga von Hotaru Okamoto und Yūko Tone
Zusatzmaterial (nur Blu-ray): 3 Postkarten (nur in Erstauflage), Japanische Original-Trailer, Original Making-of, Storyboards zum kompletten Film, Studio Ghibli Trailershow, 4-seitiges Coverpack, Schuber
Vertrieb: Universum Film
Copyright 2015 by Matthias Holm
Szenenbilder & Packshots: © 2015 Universum Film
scathach25
2015/12/09 at 08:59
Das ist einer der wenigen Filme, die ich noch nicht gesehen habe. Erst gestern kam wieder „Das letzte Glühwürmchen“ im TV…immer wieder schön und traurig zugleich