Creed
Kinostart: 14. Januar 2016
Boxerdrama // Potztausend! Da räumt der gute Sylvester Stallone auf seine alten Tage in seiner Paraderolle als Rocky Balboa im Spin-off der „Rocky“-Saga doch tatsächlich einen Golden Globe als bester Nebendarsteller ab. Nebendarsteller? Ganz recht. Dass Stallone mit großer Schauspielkunst in Verbindung gebracht wird, ist jedenfalls eher selten, auch wenn seine Karriere bereits 1977 mit Oscar- und Golden-Globe-Nominierungen für „Rocky“ einen frühen Höhepunkt zu verzeichnen hatte – übrigens nicht nur als Hauptdarsteller, sondern auch für sein Drehbuch. Für seine Rolle als wortkarger Provinzpolizist in James Mangolds „Cop Land“ (1997) an der Seite von Robert De Niro und Harvey Keitel erhielt Stallone ebenfalls viel Lob, doch schwerer wiegen an sich die Häme und die vielen Negativ-Auszeichnungen bei den Verleihungen der Goldenen Himbeere. Gönnen wir ihm die späte Auszeichnung, er hat sie sich verdient. Rocky ist Stallones Baby.
Für vier Filme der Reihe hatte sich der Schauspieler selbst auf den Regiestuhl gesetzt. „Creed – Rocky’s Legacy“ produzierte er, die Regie übernahm Ryan Coogler, der für sein Kinodebüt „Nächster Halt: Fruitvale Station“ (2013) zahlreiche Auszeichnungen und Nominierungen erhalten hatte. Dessen Hauptdarsteller Michael B. Jordan hat auch die Hauptrolle in „Creed – Rocky’s Legacy“ übernommen.
Erinnern wir uns: Rocky Balboas großer Gegner Apollo Creed war in „Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts“ (1985) im Ring gestorben. Nun tritt Creeds unehelicher Sohn Adonis „Donnie“ Johnson (Jordan) in die Fußstapfen seines Vaters. Er hatte sich von einer drohenden Laufbahn als jugendlicher Delinquent dank der Unterstützung von Creeds Ehefrau Mary Anne (Phylicia Rashad) verabschiedet und bis zum Wertpapier-Berater emporgearbeitet. Dann aber kündigt er seinen Job, um Profiboxer zu werden. Donnie reist nach Philadelphia, um den alten Rivalen seines Vaters zu überreden, ihn zu trainieren. Rocky zeigt sich anfangs widerwillig, nimmt die Herausforderung dann aber an. Während des Trainings lernt Donnie die attraktive Sängerin Bianca (Tessa Thompson) kennen – die beiden werden ein Paar.
Niemals aufgeben! Wenn du am Boden liegst – steh auf! Von ganz unten nach oben ist es ein weiter Weg, aber du kannst es schaffen – selbst wenn alles gegen dich spricht. Diese simplen Botschaften der „Rocky“-Saga ziehen sich auch als roter Faden durch „Creed – Rocky’s Legacy“. Und wie in den alten Filmen sind sie nicht nur Botschaften fürs Boxen, sondern das Boxen dient als Metapher des Lebens. Das zeigt sich am deutlichsten, als bei Rocky Krebs diagnostiziert wird und Donnie seine Vorbereitungen auf den Weltmeisterschaftskampf gegen „Pretty“ Ricky Conlan (Tony Bellew) nur dann fortsetzen will, wenn sich sein Trainer der Chemotherapie unterzieht und damit den Kampf gegen die Krankheit aufnimmt.
Die Handlung ist einigermaßen vorhersehbar. Sie holt die Fans der Saga ab und bietet ihnen das, was sie sehen wollen. Das macht „Creed – Rocky’s Legacy“ natürlich nicht zu einem schlechten Film. Regisseur Coogler weiß, an welchen Knöpfen er zu drehen hat, um beim Zuschauer das echte „Rocky“-Feeling zu erzeugen, ganz besonders beim finalen Fight zwischen Creed und Conlan, der unerbittlich geführt wird und dramaturgisch wohl nicht zufällig an den ersten Kampf zwischen Rocky Balboa und Apollo Creed erinnert. Die Chance auf den WM-Kampf bot sich Rocky damals wie Donnie heute eher zufällig und weniger aufgrund ihrer bisherigen Erfolge – beide konnten keine vorweisen.
Was mich an ausufernd ausgewalzten Kino-Franchises mit zu vielen Fortsetzungen stört: Selbst wenn sie gut sind und als ansehnliche Filme ins Ziel gehen, wie das bei „Creed – Rocky’s Legacy“ und auch dem unmittelbaren Vorgänger „Rocky Balboa“ (2006) zu konstatieren ist, so zerstören sie doch den Mythos der Figur, indem sie die Biografie weitererzählen – manchmal bis zum bitteren oder wahlweise langweiligen Ende. So wird aus einer vierteiligen, über die Jahre mythisch aufgeladenen Saga ein siebenteiliges biografisches Drama, in dem alles zu Ende erzählt ist. Das ist schade.
Das Finale von „Creed – Rocky’s Legacy“ lässt alle Möglichkeiten einer Fortsetzung offen – sie ist folgerichtig für Ende 2017 angekündigt. Die Fans wird’s vermutlich ebenso erfreuen, wie sie dieser Film erfreut. Das ist natürlich völlig in Ordnung. Freuen wir uns ganz ironiefrei für Sylvester Stallone!
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Liev Schreiber und Sylvester Stallone haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.
Länge: 133 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: Creed
USA 2015
Regie: Ryan Coogler
Drehbuch: Ryan Coogler
Besetzung: Michael B. Jordan, Sylvester Stallone, Tessa Thompson, Phylicia Rashad, Tony Bellew, Andrew Ward, nur Stimme: Liev Schreiber
Verleih: Warner Bros. Pictures Germany
Copyright 2016 by Volker Schönenberger
Filmplakat, Fotos & Trailer: © 2015 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. and Warner Bros. Entertainment Inc. (Foto-Credit: courtesy of Warner Bros. Pictures bzw. Barry Wetcher)
Kay Sokolowsky
2016/01/12 at 17:00
So fair über Stallone und den unsterblichen Schöpfer von „Adwiaaaan! Aadwiaaan!“ zu schreiben: Respekt! Wenn ich unbedingt was zum Lachen haben will, dann „Rocky III“, das Ding mit Mr. T: Unter meiner Top Ten der schlechtesten Blockbuster EVER steht der hier bei den einstelligen Nummern. – Ist natürlich nicht fair! Und deshalb abermals: Respekt!
V. Beautifulmountain
2016/01/13 at 07:52
In der Tat, ich hatte keine Lust auf Stallone-Bashing. Rocky hat er nun mal drauf, da beißt die Maus keinen Faden ab. An ROCKY III erinnere ich mich nur noch dunkel. Darin kam auch der Schaukampf mit Hulk Hogan vor, nicht wahr? Den muss ich nicht noch mal schauen. Aber ich bin fast in Versuchung, mir „Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts“ mal wieder zu geben. Der steht so herrlich in den 80ern. Und ich gestehe, dass ich seit einiger Zeit ein gewisses Guilty-Pleasure-Faible für Dolph Lundgren entwickelt habe, zum Beispiel wegen dieses kleinen, feinen Actioners: https://dienachtderlebendentexte.wordpress.com/2015/07/05/skin-trade/