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William Friedkin (III): Cruising – Damals verfemt, heute gepriesen

29 Mai

Cruising-Packshot

Cruising

Von Simon Kyprianou

Krimidrama // Immer mehr mysteriöse Mordfälle ereignen sich in der homosexuellen Sadomaso-Szene von New York City. Die Polizei tappt im Dunkeln, daher soll ein Undercover-Ermittler Licht in den Fall bringen. Die Wahl fällt auf den jungen Polizisten Steve Burns (Al Pacino), dessen Leben durch die Ermittlungen aus den Fugen geraten wird.

Inspiriert vom Serienkiller Paul Bateson

Bei den Dreharbeiten zu „Der Exorzist“ gab es einige Szenen, die Regisseur William Friedkin in einem echten Krankenhaus gedreht hat – mit dem echten medizinischen Personal der Einrichtung als Statisten. Jahre später las Friedkin in der Zeitung, dass einer jener Krankenhausmitarbeiter wegen vielfachen Mordes innerhalb des homosexuellen S&M-Milieus angeklagt war. Friedkin besuchte den Mann, Paul Bateson, in Haft und der erzählte ihm, einige dieser Morde habe er wirklich begangen, die Polizei wolle aber mit ihm einen Deal abschließen: Sofern Bateson mehr Morde gestehe, als er wirklich begangen hat, werde sein Strafmaß verringert und die Polizei stehe in gutem Licht da und könne sich mit erfolgreichen Schlagzeilen schmücken. Bateson ging schließlich auf den Deal ein.

Recherchen im Schwulen-Milieu mit der Mafia

Diese Geschichte war für Friedkin, wie er in Interviews immer wieder offenbart hat, der Ursprung von „Cruising“ und auch der Ursprung der Ungewissheit, die „Cruising“ bestimmt. Bei der Suche nach geeigneten Drehorten bediente sich der Regisseur bei seinen Kontakten zur New Yorker Mafia, denen zur damaligen Zeit die meisten Schwulen-Clubs gehörten.

Die Homosexuellenszene war empört

Quälende Ungewissheit und Paranoia bestimmen den Film, an dessen Ende sich der Zuschauer über nichts sicher sein kann: nicht über die Sexualität der Hauptfigur, nicht darüber, ob die Hauptfigur selbst zum Mörder geworden ist, nicht darüber ob der Mörder gefasst wurde. Dazu Friedkins Besessenheit von Realismus und Authentizität – da hatte es der Film schwer. Bei Publikum und Kritik fiel „Cruising“ größtenteils durch, desgleichen bei der homosexuellen Community. Sogar drei Nominierungen für die Goldene Himbeere hagelte es – für Drehbuch, Regie und als schlechtester Film. Zusammen mit Friedkins vorherigem monumentalen Flop „Atemlos vor Angst“ (1977) verzeichnet „Cruising“ das Ende seiner großen Hollywood-Karriere.

Heute als Meisterwerk anerkannt

Friedkins Filme wurden im Laufe seiner Karriere immer düsterer und pessimistischer, in „Cruising“ kulminiert das endgültig. „Cruising“ ist ein diffuser Neo-Giallo, der keine Zugeständnisse an seine Zuschauer macht, wie es Friedkins frühere Filme noch taten. Steve Burns ist die vielleicht radikalste aller Friedkin-Figuren, radikal in dem Sinne, dass sie sich dem Zuschauer verschließt. „Cruising“ hatte trotzdem großen Einfluss auf viele Filmemacher. Nicolas Winding Refn („Drive“, „Only God Forgives“) beispielsweise lobpreist ihn immer wieder, heute gilt der Film als Meisterwerk.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von William Friedkin haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Ed O’Neill und Al Pacino unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 19. Oktober 2007 als Special Edition DVD

Länge: 98 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Spanisch
Untertitel: Deutsch und Englisch für Hörgeschädigte, Deutsch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Finnisch, Türkisch, Griechisch
Originaltitel: Cruising
USA/BRD 1980
Regie: William Friedkin
Drehbuch: William Friedkin, nach einem Roman von Gerald Walker
Besetzung: Al Pacino, Paul Sorvino, Karen Allen, Richard Cox, Don Scardino, Joe Spinell, Jay Acovone, Gene Davis, Sonny Grosso, Ed O’Neill
Zusatzmaterial: Audiokommentar von William Friedkin, Die Geschichte von „Cruising“, Geistervertreibung: „Cruising“, US-Kinotrailer
Vertrieb: Warner Home Video

Copyright 2016 by Simon Kyprianou

 

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