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Mario Bava (IV): Der Dämon und die Jungfrau – Christopher Lee nimmt die Peitsche mit

03 Mär

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La frusta e il corpo

Von Volker Schönenberger

Horror // Da hat man jahrelang Probleme, die Filme von Mario Bava im deutschen Handel zu erhalten, und plötzlich finden sich gleich zwei Label, die sich Neuveröffentlichungen in schönen Sammler-Editionen auf die Fahne geschrieben haben: Koch Films hat bereits „Die Stunde wenn Dracula kommt“ (1960) und „Lisa und der Teufel“ (1973) herausgebracht und „Die toten Augen des Dr. Dracula“ (1971) angekündigt, von Wicked-Vision Media kommen „Hatchet for the Honeymoon“ (1970) und eben „Der Dämon und die Jungfrau“ (1963). Prima! So bekommt der italienische Regisseur bei uns endlich wieder die Aufmerksamkeit, die er verdient.

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Begegnung am Strand

Nach jahrelanger Abwesenheit kehrt Kurt Menliff (Christopher Lee) auf das Schloss seiner Familie zurück, das abgelegen an einer osteuropäischen Küste steht. Seinetwegen hatte sich seinerzeit die Tochter der Dienstmagd Giorgia (Harriet Medin) das Leben genommen, mit der er eine Affäre hatte. Kurts ehemalige Verlobte Nevenka (Daliah Lavi) ist mittlerweile seinem jüngeren Bruder Cristiano (Tony Kendall) zugesprochen. Doch es zeigt sich, dass sie von Kurt nicht losgekommen ist – eine Begegnung am Strand endet bizarr: Nevenka lässt sich von Kurt auspeitschen und verführen. Auftakt eines Strudels mysteriöser und tödlicher Ereignisse.

Skandal: Sadomasochismus im Horrorkino der 60er

Ein Schloss mit dunklen Gängen und düsteren Räumen an einer zerklüfteten Küste – „Der Dämon und die Jungfrau“ kommt im Gewand eines klassischen Schauerstücks daher, doch unter der wunderbaren Gothic-Horror-Oberfläche verbirgt sich ein Psychothriller um Obsessionen und sexuelles Begehren. „Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!“ Ob sich Mario Bava von dem Nietzsche-Zitat inspirieren ließ? Im Kino Sadomasochismus zur Schau zu stellen – das war 1963 unerhört. Demzufolge hatte „Die Peitsche und der Körper“, so die Übersetzung des Originaltitels, mit der Zensur zu kämpfen. Zensurbedingte Kürzungen entwerten jede Schnittfassung, in diesem Fall ganz besonders: Ohne die Auspeitschungsszenen ergibt das gesamte psychologische Moment des Films überhaupt keinen Sinn mehr. In den britischen Kinos startete er unter dem Titel „Night Is the Phantom“ um 15 Minuten gekürzt, in Deutschland um zehn Minuten – nachzulesen in Uwe Sommerlads gewohnt fachkundigem Essay im Booklet des Mediabooks von Wicked-Vision Media. Auch der Text von Dr. Rolf Giesen bietet interessante Erkenntnisse zum Film. Bei derart massiven Kürzungen zu Lasten der gesamten Intention des Werks verwundert es nicht, dass die zeitgenössische Filmkritik von „Der Dämon und die Jungfrau“ nicht gerade angetan war.

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Nevenka mag Schmerz …

In anständiger Schnittfassung wird das Horrordrama heute glücklicherweise anders beurteilt. Mit intensivem Farb- und Schattenspiel, Unschärfe und der mal romantischen, mal dramatischen Musik von Carlo Rustichelli erschafft Mario Bava ein bisweilen etwas ans Surreale grenzendes Filmgemälde von gotischer Pracht. Das ist romantischer Horror mit ein paar Anzüglichkeiten, die heute im Gegensatz zu damals natürlich nicht mehr schockieren, aber immer noch vorzüglich unterhalten.

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… und wird von Visionen heimgesucht

Für den internationalen Markt erhielten etliche Beteiligte englisch klingende Pseudonyme – damals im italienischen Kino nicht unüblich, man denke nur an Terence Hill alias Mario Girotti und Bud Spencer alias Carlo Pedersoli. Aus Mario Bava wurde in den Credits und auf Plakaten John M. Old, auch die Drehbuchautoren und diverse Schauspieler wurden so umgetauft.

Mal wieder üppiges Bonusmaterial

Bild und Ton genügen höchsten Ansprüchen. Eigenen Angaben zufolge konnte Wicked-Vision Media für die Restauration des Materials auf das Original-Kameranegativ zurückgreifen. Beim Bonusmaterial hat sich das Label nicht lumpen lassen – vollzählige Auflistung siehe unten. Kernelemente sind drei lange Featurettes. Eine davon, die 44-minütige „Der Dämon und die Jungfrau – In Gedenken an Tony Kendall“, hat Wicked-Vision Media in Kooperation mit „Buio Omega – Der geheimnisvolle Filmclub“ sogar eigens für diese Edition des Films produziert. Wie im Mediabook-Sektor mittlerweile gängig, liegen drei Covervarianten in unterschiedlicher – niedriger – Auflage vor. Einerseits kann so jeder sein favorisiertes Motiv auswählen, andererseits nötigt das manchen Sammler, sich den Film in drei Editionen ins Regal zu stellen. Na ja – es sind ja erwachsene Menschen.

Mit der Veröffentlichung des rundum überzeugenden Mediabooks von „Der Dämon und die Jungfrau“ nimmt Wicked-Vision Media den von Koch Films zugeworfenen Mario-Bava-Ball gekonnt auf und spielt ihn versiert zurück. So kann es weitergehen.

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Mysteriös: Kurt Menliff

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Mario Bava sind in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Christopher Lee in der Rubrik Schauspieler.

Veröffentlichung: 27. Januar 2017 als 3-Disc Limited Collector’s Edition (Blu-ray & DVD, drei Covervarianten à 555, 444 und 222 Exemplare), 29. Septembe 2005 als DVD

Länge: 88 Min. (Blu-ray), 84 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: La frusta e il corpo
Internationaler Titel: The Whip and the Flesh
Alternativtitel: The Whip and the Body / Der Mörder von Schloss Menliff / Night Is the Phantom / The Body and the Whip / Son of Satan
IT/F 1963
Regie: Mario Bava (als John M. Old)
Drehbuch: Ernesto Gastaldi (als Julian Berry), Ugo Guerra (als Robert Hugo), Luciano Martino (als Martin Hardy)
Besetzung: Christopher Lee, Tony Kendall, Daliah Lavi, Ida Galli, Harriet Medin, Gustavo De Nardo, Jacques Herlin, Luciano Pigozzi, Carolyn De Fonseca
Zusatzmaterial: 24-seitiges Booklet von Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerlad , Audiokommentar von Pelle Felsch, Featurette „Jonathan Rigby über Mario Bava“ („Jonathan Rigby on The Whip and the Body“, 24 Min.), Featurette „Der Dämon und die Jungfrau – In Gedenken an Tony Kendall“ (44 Min.), Dokumentation „British Legends on Stage and Screen – Sir Christopher Lee“ (47 Min.), deutscher Kinotrailer, deutscher Recut-Trailer 2016, französischer Trailer, französischer Recut-Trailer 2016, italienischer Trailer, italienischer Recut-Trailer 2016, spanischer Trailer, alter deutscher Vorspann, US-Vorspann, umfangreiche Bildergalerien
Label/Vertrieb Mediabook: Wicked-Vision Media
Label/Vertrieb DVD: EMS GmbH

Copyright 2017 by Volker Schönenberger

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Fotos & Packshots: © 2017 Wicked-Vision Media

 

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