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Billy Wilder (VIII): Fünf Gräber bis Kairo – Plötzlich Spion

12 Jul

Five Graves to Cairo

Von Volker Schönenberger

Kriegsdrama // Nordafrika zur Zeit des Afrikafeldzugs im Zweiten Weltkrieg: Die achte britische Armee befindet sich in prekärer Lage. Zwar war die Belagerung von Tobruk durch das Deutsche Afrikakorps und italienische Streitkräfte zunächst erfolglos geblieben – im Januar 1942 gelang es den Alliierten mit der Operation Crusader, die Belagerung der libyschen Hafenstadt zu brechen; am 21. Juni jenes Jahres jedoch eroberten die deutsche Panzerarmee Afrika unter Generaloberst Erwin Rommel und wiederum italienische Truppen mit dem Unternehmen Theseus Tobruk schließlich doch. Adolf Hitler ernannte Rommel dafür zum Generalfeldmarschall.

Führerloser Panzer im Wüstensand

„Fünf Gräber bis Kairo“ setzt mit dem Blick auf einen führerlos durch den Wüstensand rollenden britischen Panzer ein. Die übrigen Besatzungsmitglieder sind tot, als Corporal John J. Bramble (Franchot Tone) aus der Bewusstlosigkeit erwacht und sich mit Müh und Not aus dem verräucherten Innenraum des Fahrzeugs herausrettet. Er hat Glück, erreicht das nahe gelegene Kaff Sidi Halfaya und gelangt ins dortige Hotel „Empress of Britain“, wo er just in dem Moment bewusstlos zusammenbricht, als eine deutsche Heereseinheit eintrifft. Der Hotelbesitzer Farid (Akim Tamiroff) kann Bramble gerade noch hinter der Rezeption verbergen, bevor Leutnant Schwegler (Peter van Eyck) eintritt. Das auf die Briten nicht allzu gut zu sprechende französische Hausmädchen Mouche (Anne Baxter) droht, den englischen Soldaten an die Deutschen zu verraten, besinnt sich aber dann doch. So nimmt Bramble die Rolle des Kellners Paul Davos an, der kurz zuvor bei einem Bombenangriff der Deutschen ums Leben gekommen war. Als sich herausstellt, dass Davos ein deutscher Spion war, bringt das für Bramble Gefahren, aber auch Möglichkeiten mit sich. Bald darauf trifft auch Generalfeldmarschall Rommel (Erich von Stroheim) ein.

Verwirrt erreicht Corporal Bramble das rettende Hotel

Zwei Österreicher in Hollywood: Für Billy Wilder war „Fünf Gräber bis Kairo“ seine dritte Regiearbeit – die zweite in den USA – nach dem in Frankreich gedrehten Krimidrama „Mauvaise graine“ (1934) und der Komödie „Der Major und das Mädchen“ (1942) mit Ginger Rogers und Ray Milland, mit der er in Hollywood debütiert hatte. Rommel-Darsteller Erich von Stroheim war 1943 bereits eine Legende. Umso überraschender, dass es der Film erst jetzt zu einer deutschen Heimkino-Veröffentlichung gebracht hat (für den August hat übrigens das feine englische Label Eureka eine Blu-ray von „Five Graves to Cairo“ angekündigt, die mit mehr Bonusmaterial aufwartet als die hiesige). Einen deutschen Kinostart hatte es aufgrund der Entstehungszeit gar nicht gegeben. Wilder drehte später mit „Stalag 17“ (1953) nur noch einen Kriegsfilm, der wie auch „Fünf Gräber bis Kairo“ weitgehend auf die Darstellung von Kampfhandlungen verzichtet.

Theaterstück als Vorlage

Seine Herkunft von der Bühne kann „Fünf Gräber bis Kairo“ zu keinem Zeitpunkt verbergen – Wilder und sein Ko-Autor Charles Brackett schrieben das Skript nach einem Bühnenstück von Lajos Biró. Schlachtenszenen gibt es keine, die dialoglastige Handlung spielt sich weitgehend in den Räumen des Hotels ab. Dafür braucht es gute Schauspielerleistungen, die wir glücklicherweise geboten bekommen. Die spätere Oscar-Preisträgerin Anne Baxter („Auf Messers Schneide“, 1946) als Dienstmädchen mit eigenen Absichten, der in Hollywood gern als deutscher Soldat und/oder Nazi gebuchte Peter van Eyck als schneidiger Offizier, der mit Tricksereien die einzige Frau im Hotel herumkriegen will, sowie Erich von Stroheim mit seiner ganz eigenen Interpretation des „Wüstenfuchses“ Rommel liefern allesamt ab, auch Franchot Tone hat mir gefallen; der New Yorker war mir zuvor gar nicht geläufig, in den 1930er- und 1940er-Jahren aber recht erfolgreich und 1936 für seine Rolle in „Meuterei auf der Bounty“ sogar ebenso wie seine Mitspieler Charles Laughton und Clark Gable für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert worden.

Generalfeldmarschall Rommel plant Großes

Bemerkenswert, dass der Film Kriegsentwicklungen aufgreift, die beim Dreh teils erst wenige Monate zurücklagen. Gleichwohl haben wir es fast weniger mit einem Kriegsfilm zu tun als mit einem raffinierten Täuschungskrimi und Spionagethriller. Dazu passt auch, dass der weitere Kriegsverlauf auf diesem Schauplatz des Konflikts mit der entscheidenden Wende der ersten und zweiten Schlacht von El Alamein in den letzten Minuten von „Fünf Gräber bis Kairo“ überaus kurz abgehandelt wird. Phasenweise sprüht das Werk sogar vor Leichtigkeit, bevor es ganz am Ende aber doch Schwere erhält. Mit seinem Verlauf der Ereignisse erscheint es gut geeignet, das amerikanische Publikum bei Laune und der Beteiligung der USA am Zweiten Weltkrieg gewogen gehalten zu haben. Das kann man kritisch sehen, ändert aber nichts an der erzählerischen Finesse.

Versiertes Drehbuch-Duo

Die beiden Autoren Brackett und Wilder gewannen 1946 (für „Das verlorene Wochenende“) und 1951 (für „Boulevard der Dämmerung“) gemeinsam zwei Drehbuch-Oscars. Das Filmmuseum Potsdam urteilt über „Fünf Gräber bis Kairo“: Zu seiner Zeit – ein kleiner Film, der wie unzählige Hollywoodproduktionen gegen die Nazis Stellung bezog. Heute – ein scharfkantiges Juwel im Oeuvre von Stroheim und Wilder, wert, Chaplins „großem Diktator“ und Lubitschs „Sein oder Nichtsein“ an die Seite gestellt zu werden. Das ist meines Erachtens ein wenig zu hoch gegriffen. Auf einer Stufe mit Chaplins und Lubitschs Meisterwerken sehe ich „Fünf Gräber bis Kairo“ nicht. Wilders Können als Filmemacher lässt sich zwar auch hier bereits erkennen, als Regisseur lieferte er später aber eine Vielzahl bedeutsamerer und beeindruckenderer Arbeiten ab. Welche sind eure Billy-Wilder-Favoriten?

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Billy Wilder haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Peter van Eyck unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 11. Juni 2020 als Blu-ray und DVD

Länge: 97 Min. (Blu-ray), 93 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Five Graves to Cairo
USA 1943
Regie: Billy Wilder
Drehbuch: Billy Wilder, Charles Brackett, nach einem Bühnenstück von Lajos Biró
Besetzung: Franchot Tone, Anne Baxter, Akim Tamiroff, Erich von Stroheim, Peter van Eyck, Fortunio Bonanova
Zusatzmaterial: Bildergalerie, original Kinotrailer, Wendecover
Label: explosive media
Vertrieb: Koch Films

Copyright 2020 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & unterer Packshot: © 2020 explosive media

 
 

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21 Antworten zu “Billy Wilder (VIII): Fünf Gräber bis Kairo – Plötzlich Spion

  1. Marcus

    2020/09/27 at 10:45

    Meine zwei Favoriten sind Manche mögen’s heiß und Zeugin der Anklage-zwei zeitlose Filme!

     
  2. SmileySmile77

    2020/09/26 at 21:59

    Für mich als alten Romantiker sind es „Das Apartment“ und „Sabrina“. Beide laden mich immer wieder zum Schmachten ein. *Riesenseufzer*

     
  3. Roberto Süptitz

    2020/09/25 at 14:40

    Meuterei auf der Bounty (1962) wo er als Autor tätig war.

     
  4. Fabi

    2020/09/25 at 10:11

    Sunset Blvd. ♥

     
  5. Robert Schade

    2020/09/25 at 09:41

    Zeugin der Anklage als ernster Film
    Buddy Buddy als Komödie

     
  6. Matthias Klug

    2020/09/24 at 11:57

    – Manche mögens heiß! Und noch zu nennen wäre – Das 7. verflixte Jahr!
    Habe ich vor kurzem erst neu für mich entdeckt, da ich die beiden Filme zuvor gar nicht auf dem Schirm hatte.
    Mir haben beide sehr gut gefallen! 🙂
    Ich glaube, viel mehr Filme von Billy Wilder kenne ich auch nicht. 🤔

     
  7. Birgit

    2020/09/23 at 09:44

    „Reporter des Satans“ (1951) mit einem tollen Kirk Douglas als skrupellosem Reporter, der für seine Sensationsreportage den Tod eines Verschütteten in Kauf nimmt.

     
  8. Thomas Oeller

    2020/09/22 at 21:24

    Zeugin der Anklage ; The Spirit of St.Louis ; Das Mädchen Irma La Douce

     
  9. Christoph Leo

    2020/09/22 at 08:48

    Das sind Eins, Zwei, Drei und das Apartment beides super Filme

    Liebe Grüße Chris

     
  10. Christoph Wolf

    2020/09/21 at 10:01

    Eins, Zwei, Drei (One, Two, Three, 1961) ist mein absoluter Favorit. Er ist auch ein sicherer persönliche Top 10-Kömödien-Kandidat.

     
  11. Jens

    2020/09/20 at 16:01

    Ganz klar Manche mögen’s heiß

     
  12. Klaus

    2020/09/20 at 12:01

    Mein Top-Favorit ist ganz klar „Eins, Zwei, Drei“ von 1961. Eine köstliche Komödie zur Zeit des Kalten Krieges in Berlin – mit einer herrlichen Persiflage auf den überall um sich greifenden, skrupellosen Kapitalismus.

     
  13. Eva Hinz

    2020/09/19 at 12:02

    Frau ohne Gewissen, Boulevard der Dämmerung, Zeugin der Anklage

     
  14. Imke

    2020/09/18 at 20:01

    Manche mögen’s heiß und Das Apartment sind meine persönlichen Favoriten

     
  15. Jürgen Winterstein

    2020/09/18 at 16:59

    Oh,das ist einfach:
    Mein absoluter Lieblingsfilm von Wilder ist „Das Apartment“.
    Für mich die perfekte Dramödie.
    Und Shirley MacLaine ist einfach hinreißend ❤️.

     
  16. Andreas H.

    2020/09/18 at 13:07

    Ich würde da „Frau ohne Gewissen“, „Manche mögens heiß“ und „Zeugin der Anklage“ nennen.

     
  17. Sascha Nolte

    2020/09/18 at 12:37

    Meine Lieblinge sind Some Like It Hot und The Apartment – beide absolute Top-Zehn-Komödien in absolut verschiedenen Tonlagen. Also: „Nobody’s perfect!“ – „Shut up and deal!“

     
  18. Markus Tump

    2020/09/18 at 11:14

    Einfache Wahl : „eins, zwei, drei“!
    Weitermachen!

     
  19. Frank Warnking

    2020/09/18 at 10:45

    Zeugin der Anklage und Das verflixte 7. Jahr 🙂

     
  20. Oliver Maey

    2020/09/18 at 10:29

    The Seven Year Itch
    The Apartment

     
  21. Michael Behr

    2020/07/15 at 11:23

    Mir hat in der Tat „Stalag 17“ sehr gut gefallen. Für die Monroe-Filme muss man in der richtigen Stimmung sein, aber dann machen auch die noch einigen Spaß.

     

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