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Horror für Halloween (XI): Anna und die Apokalypse – Zombies zum Wohlfühlen

01 Okt

Anna and the Apocalypse

Von Volker Schönenberger

Horror-Musical // Shaun of the Dead trifft auf La La Land – dieser Slogan liegt bei einem Musical über eine Zombie-Pandemie natürlich nahe, aber immerhin findet er sich auch in der Rezension des so zitierten Filmportals „First Showing“. Die Programmankündigung des Fantasy Filmfests schlug in eine ähnliche Kerbe: … ein effektgeladenes Massaker, das „High School Musical“ ganz ungeniert auf „Shaun of the Dead“ prallen lässt.

Anna, ihr Vater und ihr bester Freund

Ein bisschen Geduld müssen die Horrorfans mitbringen, bevor „Anna und die Apokalypse“ in die Vollen geht. Zu Beginn lernen wir die Titelheldin Anna (Ella Hunt) kennen, die zusammen mit ihrem besten Freund John (Malcolm Cumming) von ihrem Vater Tony Shepherd (Mark Benton) zur Little Haven Highschool gefahren wird – der Witwer ist dort als Hausmeister tätig. Die drei ignorieren Meldungen über eine mysteriöse Pandemie, die gerade grassiert. Tony reagiert ungehalten, als er aufgrund eines Fauxpas von John erfährt, dass Anna nach dem Schuljahr für ein Jahr die Welt bereisen will, statt gleich zur Uni zu gehen.

Musik ist Trumpf!

Kurz vor Weihnachten steht das jährliche Theaterstück an, und der stellvertretende Schulleiter Savage (Paul Kaye) organisiert es mit der ihm eigenen Tyrannei – er freut sich schon darauf, am Ende des Schuljahrs endlich vollständig die Herrschaft über die Schule zu übernehmen, da sein Vorgesetzter in Pension geht. Annas Ex-Freund Nick (Ben Wiggins) erlaubt sich mit seinen Rowdy-Kumpels gern Späße auf Kosten von Außenseitern wie John.

Der Zombie im Schneemannkostüm

Als Anna am nächsten Morgen das Haus verlässt, mit Ohrstöpseln Musik hört und dazu lauthals mitsingt, bekommt sie vorerst nicht mit, dass um sie herum das Inferno ausgebrochen ist und zombifizierte Menschen über noch nicht infizierte Personen herfallen. Erst als sie und John von einem Zombie im Schneemannkostüm attackiert werden, dämmert den beiden die Gefahr. Sie erreichen die Bowlingbahn, in der sie jobben, und treffen dort auf ihren Schulkameraden Chris (Christopher Leveaux) und ihre Schulfreundin Steph (Sarah Swire). Chris’ Freundin Lisa (Marli Siu), Annas Vater, Schulleiter Savage und einige andere haben sich derweil in der Schule verbarrikadiert.

Auch der Schulweg legt sich beschwingt viel besser zurück

Gedreht wurde im schottischen Port Glasgow. Der schottische Regisseur John McPhail inszenierte mit „Anna und die Apokalypse“ seinen zweiten Langfilm nach der romantischen Komödie „Where Do We Go From Here?“ (2015), die es nicht bis Deutschland geschafft hat. Zuvor hatte er einige Kurzfilme gedreht.

Bangen mit den Protagonisten

Eine Halbwaise, die sich mit ihrem Vater um ihre Zukunft zankt, ein Außenseiter, der seine beste Freundin anhimmelt, ein anderer, der um seine Liebste bangt – „Anna und die Apokalypse“ gibt sich gefühlig, wie sich das für eine Teenie-Komödie gehört, die Warmherzigkeit über Zynismus stellt. Das bedeutet aber natürlich keineswegs, dass alle davonkommen, die uns über den Verlauf der Handlung ans Herz wachsen. Eine zünftige Zombie-Apokalypse verlangt nach blutigen Opfern, auch wenn zwischendurch gesungen wird. Die musikalischen Einlagen gestalten sich dabei als gefällige Mischung aus Pop/Britpop und Musical-Rhythmen. Die Lieder gefielen mir gut, hinterließen allerdings keinen nachhaltigen Eindruck. Speziell textlich hätten sie etwas mehr Augenzwinkern und Pep vertragen.

Nur kurz ist John und Anna etwas Ruhe vergönnt

Sowohl die Zombie-Attacken als auch das Töten von Zombies sind ansprechend genug gestaltet, um Splatter-Fans bei der Stange zu halten. Meist kriegen die Untoten eins übergebraten, ab und zu landet auch mal ein spitzer Gegenstand in einem Kopf. Für Fans harter Kost hätte es wohl etwas mehr sein dürfen, aber das Blut spritzt doch in hohem Maße – die FSK-16-Einstufung der ungeschnittenen Fassung geht gleichwohl völlig in Ordnung. John McPhail mag offenbar sowohl Zombies als auch romantische Teenager-Komödien, jedenfalls stellt er seine Figuren nie bloß, sondern kombiniert sie zu einem liebevoll inszenierten und liebenswerten Genre-Hybrid, weshalb wir auch mit Anna, John, Steph, Chris, Lisa und sogar Nick ums Überleben fiebern. Ein Mash-up, von dem wir zuvor gar nicht wussten, dass wir es gern sehen möchten.

Vom Fantastic Fest zum Fantasy Filmfest

Nach seiner Weltpremiere beim Fantastic Fest im texanischen Austin im September 2017 führte die 2018er-Festival-Tour „Anna und die Apokalypse“ auch zum Fantasy Filmfest in Deutschland. Die dortige Platzierung als Abschlussfilm hat sich das Horror-Musical redlich verdient. Für den ganz großen Wurf als kommender Klassiker ist es meines Erachtens etwas zu sehr im Mainstream verankert. Die bunte Trivialität dominiert die Tragik, das ändert aber nichts dran, dass mir die Sichtung viel Freude bereitet hat, zumal einige Details das Gesamtbild wunderbar würzen, etwa der stagedivende Savage.

„Festival Cut“ noch nicht bei uns

Die deutsche Blu-ray und DVD enthält die internationale Kinofassung und geht somit als ungekürzt durch. Gleichwohl existiert auch ein um 8 Minuten und 46 Sekunden längerer Extended Cut, der im Vereinigten Königreich und Australien veröffentlicht wurde. Diese Fassung nennt sich „Festival Cut“ („Festival-Version“), es entzieht sich aber meiner Kenntnis, bei welchen Festivals sie gelaufen ist. Die Unterschiede sind teils unbedeutend, teils etwas auffälliger, so gibt es beispielsweise einen zusätzlichen Song. Wer an mehr Details interessiert ist, möge den Schnittbericht konsultieren. Für den US-Markt wurde sogar eine im Vergleich zur Kinofassung kürzere Version zurechtgeschnitten, warum auch immer. An sich wecken Langfassungen ja oft das Interesse der Sammler, da wundert es mich ein wenig, dass nach dem Erscheinen von Blu-ray und DVD im April 2019 noch keines der einschlägigen Mediabook-Label eine limitierte Edition mit der Langfassung nachgelegt hat. Was nicht ist, kann natürlich noch werden. Mehr blutige Details scheint der Extended Cut allerdings nicht zu enthalten.

Gegen Zombies ist jede Waffe recht

„Anna und die Apokalypse“ beruht auf dem Kurzfilm „Zombie Musical“ (2011) des bedauerlicherweise 2015 im Alter von nur 27 Jahren verstorbenen Schotten Ryan McHenry. Diese etwas mehr als viertelstündige Vorlage ist leider nicht im Zusatzmaterial der deutschen Veröffentlichung enthalten – man hätte sie vermutlich für nicht allzu hohe Kosten lizenzieren können. Der Kurzfilm eignet sich vorzüglich als Bonus und hat es im Vereinigten Königreich auch auf die Blu-ray geschafft. Bei uns vielleicht beizeiten in einem etwaigen Mediabook. Bis dahin lässt sich „Zombie Musical“ online in voller Länge anschauen – McHenry persönlich hat ihn 2012 auf seinen nach wie vor abrufbaren YouTube-Kanal hochgeladen.

Veröffentlichung: 12. April 2019 als Blu-ray und DVD

Länge: 98 Min. (Blu-ray), 95 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Niederländisch
Originaltitel: Anna and the Apocalypse
GB 2017
Regie: John McPhail
Drehbuch: Alan McDonald, Ryan McHenry, nach einem Roman von Barry Waldo
Besetzung: Ella Hunt, Malcolm Cumming, Sarah Swire, Christopher Leveaux, Marli Siu, Ben Wiggins, Mark Benton, Paul Kaye, Sean Connor, John Winchester, Euan Bennet, Ella Jarvis, Janet Lawson
Zusatzmaterial: „Hollywood Ending“ – Cast & Crew Version (4:18), Gag Reel (2:49), Behind the Scenes (25:50), Outtakes (11:07), „Some Things Will Never Change“ – Storyboad-Gegenüberstellung (3:05), The Original Opening Scene – mit Kommentar (2:04), deleted scenes (2:31), Trailershow, Wendecover
Label: splendid film
Vertrieb: WVG Medien GmbH

Copyright 2020 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & oberer Packshot: © 2019 splendid film

 

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