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Der Todesrächer von Soho – Wenn der Tod den Koffer packt

01 Apr

Der Todesrächer von Soho

Von Volker Schönenberger

Gruselkrimi // Horst Tappert im Dunkeln. So, nachdem wir diesen angesichts des Mitwirkens des „Derrick“-Darstellers unvermeidlichen Kalauer hinter uns gebracht haben, kann es losgehen: In London checkt ein Gast aus einem billigen Hotel aus. Seltsamerweise ist sein Koffer bereits gepackt, obwohl das Zimmermädchen das nicht erledigt hat. Der Mann bekommt es mit der Angst zu tun. Zu Recht: Als er sein Taxi besteigt, trifft ihn ein Messer in den Rücken.

Horst Tappert im – ach lassen wir das!

Nicht der erste Mord an einem Mann, dem zuvor die Tasche gepackt worden war. Scotland Yard setzt Inspector Ruppert Redford (Fred Williams) auf die Fälle an. Der stellt fest, dass der Koffer des Ermordeten verschwunden ist. Als des Diebstahls verdächtig wird Dr. Bladmore (Siegfried Schürenberg) identifiziert, der zufällig am Tatort war. Auch der berühmte Kriminalschriftsteller Charles Barton (der Horst! Der Tappert!) mischt mit. Bald stellt sich heraus: Es geht um Rauschgift.

Wie immer bei Franco: Ab in den Nachtclub!

Jess Franco inszenierte „Der Todesrächer von Soho“ für seine Verhältnisse vergleichsweise konventionell als Täterjagd-Krimi, dennoch finden sich natürlich diverse für den Spanier typische Elemente, etwa eine Nachtclub-Szene. Positiv vermerkt seien die teils schrillen Kulissen, bei denen Franco natürlich die Ära der frühen 70er behilflich war. Gedreht wurde laut Internet Movie Database in Spanien, während Wikipedia behauptet, es sei in Portugal gewesen. Klar ist: Es war nicht in England, und Franco versuchte auch gar nicht erst, es danach aussehen zu lassen. Dass der Vorspann mit London-Ansichten aufwartet, musste reichen.

Der Inspector, dem die Frauen vertrauen

Logik und Kontinuität waren Franco im Lauf seiner Karriere oft egal, so auch hier. Kameraperspektiven variiert er gern ausgiebig, was immer wieder zu schönen Einstellungen führt, ob Zufall oder gewollt. Jedenfalls gefallen mir einige Einstellungen ausgesprochen gut, etwa die Straße vor dem Hotel zu Beginn und ein von beiden Enden gezeigter Tunnel im Finale, auch wenn der sonderbarerweise je nach Kameraposition völlig anders ausgeleuchtet wird. Franco mag offenbar Fluchtpunkt-Perspektiven, ich wohl auch. Sogar einen Blick in die Unendlichkeit dank zweier gegenüberliegender Spiegel gönnt uns der Regisseur (siehe viertes Bild).

Nach einem Roman von Bryan Edgar Wallace

Bei „Der Todesrächer von Soho“ von 1972 handelt es sich um den zehnten und damit vorletzten Teil der Bryan-Edgar-Wallace-Reihe von Artur Brauners Produktionsfirma CCC-Filmkunst. Als Vorlage diente Wallaces Roman „Der Tod packt seinen Koffer“, dessen Erstverfilmung „Das Geheimnis der schwarzen Koffer“ 1961 den Auftakt der Reihe gebildet hatte. Wir haben es in gewisser Weise also mit einem Remake zu tun, „in gewisser Weise“ deshalb, weil Neuverfilmungen nicht unbedingt als Remakes gelten.

Im Drogenlabor

Produzent Brauner legte bei den Verfilmungen von Bryan Edgar Wallace Wert auf die üblichen Versatzstücke der Edgar-Wallace-Reihe der Rialto Film, deshalb gibt es in „Der Todesrächer von Soho“ beispielsweise einen mysteriösen blinden Bettler (Andrea Montchal), der sich gut informiert zeigt. Auch Siegfried Schürenberg ist natürlich aufgrund seiner vorherigen Einsätze in der Edgar-Wallace-Reihe gebucht worden, genannt seien beispielhaft „Das Gasthaus an der Themse“ (1962), „Der Hexer“ (1964) und „Der unheimliche Mönch“ (1965). Sein Dr. Bladmore in „Der Todesrächer von Soho“ hat allerdings nichts von Sir John aus einigen der Edgar-Wallace-Filme, so viel will ich doch verraten. Mit Wolfgang Kieling („Der zerrissene Vorhang“) und Barbara Rütting („Der Zinker“) finden sich in Nebenrollen weitere bekannte deutsche Namen. Als komisches Element à la Eddi Arent fungiert der rührige Fotograf Andy Pickwick (Luis Morris), der sogar die Handlung vorantreibt und dem Jess Franco einen skurrilen Running Gag verpasst hat: Will er ein beweiskräftiges Foto aus der Tasche ziehen, greift er mehrfach erst einmal daneben und präsentiert das Abbild einer schönen Nackten. Was’n Schenkelklopfer! Francos Vorliebe für den unbekleideten weiblichen Körper ist bekannt.

Jess Franco und Artur Brauner

Der Spanier drehte mehrfach unter dem Produzenten Artur Brauner, erstmals 1967 für „Lucky M. füllt alle Särge“. Weitere Kooperationen der beiden sind unter anderen die Edgar-Wallace-Verfilmung (also ohne Bryan!) „Der Teufel kam aus Akasava“ (1971) und „Vampyros Lesbos – Die Erbin des Dracula“ (1971), als sinnlicher Bilderrausch von Franco-Fans ganz oben in dessen Filmografie platziert. Auch bei „Nachts, wenn Dracula erwacht“ (1970) mit Christopher Lee und Herbert Lom produzierte Brauner mit, der Vampirfilm gehört für mich zu Francos besten Arbeiten. „Der Todesrächer von Soho“ kommt da bei Weitem nicht heran. Manche Fans des Guten schwören Stein und Bein, man müsse nur genug Jess-Franco-Filme schauen, dann werde man irgendwann zu ihm bekehrt. Bei mir funktioniert das nicht.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Jess Franco haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Fred Williams unter Schauspieler.

Der Spiegel – unendliche Weiten

Veröffentlichung: 2. April 2021 als Blu-ray, 4. September 2020 als DVD

Länge: 81 Min. (Blu-ray), 76 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch
Untertitel: keine
Originaltitel: Der Todesrächer von Soho
Spanischer Titel: El muerto hace las maletas
Internationale Titel: The Avenger / The Corpse Packs His Bags
BRD/SP/GB 1972
Regie: Jesús Franco (als Jess Frank)
Drehbuch: Artur Brauner (als Art Bernd), Jesús Franco (als Jess Frank), nach einem Roman von Bryan Edgar Wallace
Besetzung: Horst Tappert, Fred Williams, Barbara Rütting, Elisa Montés, Luis Morris, Siegfried Schürenberg, Mara Laso, Eva Garden, Rainer Basedow, Ángel Menéndez, Wolfgang Kieling, Dan van Husen, Guillermo Méndez, Jesús Franco
Zusatzmaterial: Bildergalerie, Werberatschlag (PDF), Wendecover, nur DVD: Booklet
Label: Pidax FilmPidax Film
Vertrieb: Al!ve AG

Copyright 2021 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & unterer Packshot: © 2021 Pidax Film

 

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